Gesellschaftsrecht

Zukunftsfinanzierungsgesetz – Erhebliche Eingriffe (auch) im Gesellschaftsrecht

Verfasst von

Dr. Georg Haas

David Santa

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) soll die Unternehmensfinanzierung über den Kapitalmarkt fördern und Aktien attraktiver machen. Am 17. November 2023 wurde das Gesetz vom Bundestag und am 24. November 2023 vom Bundesrat verabschiedet; die neuen und geänderten Vorschriften treten überwiegend zum 1. Januar 2024 in Kraft.

Das ZuFinG soll vor allem Startups, Wachstumsunternehmen und kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) helfen, leichter an den Kapitalmarkt und an Eigenkapital kommen. Zu diesem Zweck sind zahlreiche Änderungen und Neuerungen im Aktien-, Kapitalmarkt- und Steuerrecht enthalten, die jedoch nicht nur für die vorgenannten Unternehmen, sondern für alle Gesellschaften gelten. Damit erweitert das ZuFinG den Gestaltungsspielraum im Aktienrecht insgesamt.

In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht enthält das ZuFinG folgende wesentliche Änderungen:

  • An erster Stelle ist die Wiedereinführung von Mehrstimmrechtsaktien zu nennen, die den Inhabern von Namensaktien ein bis zu zehnfaches Stimmgewicht einräumen. Diese sollen vor allem Start-ups und Wachstumsunternehmen den Börsengang erleichtern, indem sie die Kontrolle der Gründer sichern; die Regelungen gelten aber für das gesamte Aktienrecht. Die Hauptversammlung kann per Satzung bestehende Namensaktien mit Mehrstimmrechten versehen oder neue Mehrstimmrechtsaktien bei einer Kapitalerhöhung schaffen. Es gibt keine Grenze für den Anteil von Mehrstimmaktien am Grundkapital oder für den Kreis der möglichen Inhaber von Mehrstimmaktien.
    Für Hauptversammlungen dürfte dies in der Praxis bedeuten, dass ein Inhaber einer Mehrstimmaktie mit 10-fachem Stimmgewicht bereits mit Aktien in Höhe von 5 % des Grundkapitals die sichere Mehrheit hat.
    Die in der Vergangenheit vielfach geäußerte Kritik an Mehrstimmrechten, die zu deren endgültiger Abschaffung im Jahr 1998 geführt hatte (vgl. § 12 Abs. 2 AktG), greift das ZuFinG nur teilweise auf. Zudem erkennt die Gesetzesbegründung zwar das Risiko von Missbräuchen und Interessenkonflikten, sieht aber nur wenige Schutzmechanismen vor: Nur bei Bestellung eines Abschluss- oder Sonderprüfers sollen die Mehrstimmaktien nur eine Stimme haben. Im Übrigen ist keine Begrenzung der Stimmacht vorgesehen, etwa bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen der Gesellschaft oder dem Verzicht auf Ersatzansprüche z.B. gegen Vorstandsmitglieder und Unternehmensgründer.
  • Die Erleichterung von Kapitalerhöhungen mit Bezugsrechtsausschluss, die den Gesellschaften mehr Flexibilität bei der Kapitalbeschaffung geben sollen. Der Entwurf schränkt den Rechtsschutz der Altaktionäre ein, die bei unangemessen niedrigen Ausgabebeträgen der neuen Aktien zukünftig nur noch im Spruchverfahren klagen können, statt die Kapitalerhöhung durch Anfechtungsklage insgesamt zu blockieren. Zudem erhöht der Entwurf die Grenzen für Kapitalerhöhungen ohne Bezugsrecht und für bedingtes Kapital.
  • Die Einführung der Kryptoaktie, die eine Aktienemission auf der Grundlage der Blockchain-Technologie ermöglichen soll. Das Aktiengesetz wird für elektronische Namens- und Inhaberaktien geöffnet und das Gesetz über elektronische Wertpapiere erweitert, um die Ausgabe von Kryptoaktien zu regeln.
  • Die Ermöglichung von Börsenmantelaktiengesellschaften (Special Purpose Acquisition Companies, SPACs), die als Vehikel für die Übernahme und Börsennotierung von nicht notierten Unternehmen dienen sollen. Die SPAC ist eine Mantel- oder Vorratsgesellschaft ohne eigenes Geschäft mit dem einzigen Zweck, an der Börse Geld zu sammeln, um damit nicht börsennotierte Unternehmen zu kaufen und so indirekt an die Börse zu bringen. Der Entwurf ändert das Börsengesetz, um Gesellschaften auch die Nutzung des SPAC-Modells mithilfe einer deutschen Rechtsform zu eröffnen.
  • Die Erleichterung des Börsenzugangs, die vor allem kleineren und mittleren Unternehmen den Gang an die Börse attraktiver machen soll. Der Entwurf senkt die Mindestmarktkapitalisierung für einen Börsengang, schafft das Erfordernis eines Emissionsbegleiters ab und reduziert die Zulassungskosten.
  • Im Übrigen ist insbesondere die Ausnahme von Verträgen zwischen Finanzunternehmen von der AGB-Kontrolle zu nennen, die die Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit der Finanzmarktakteure stärken soll.