Grenzüberschreitende Kumulierung von Beihilfen
Die Kumulierung von staatlichen Beihilfen kann negative Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Marktstabilität zwischen Mitgliedsstaaten haben. Gleichzeitig ist die Kontrolle der Einhaltung von Kumulierungsvorschriften häufig herausfordernd, da Behörden eine Vielzahl von Regelungen berücksichtigen müssen. Die Komplexität nimmt dabei noch weiter zu, wenn grenzüberschreitende Kumulierungen zu prüfen sind.
Dies zeigt auch der Beschluss der EU-Kommission zu den Beihilferegelungen SA.56908 und SA. 56125 vom 23.10.2024 (nachfolgend „Beschluss“), der die Kumulierung von Beihilfen aus Schweden und Dänemark thematisiert. Die EU-Kommission setzt sich hierin insbesondere dezidiert mit den Anforderungen an Überkompensationskontrollen im Kontext der grenzüberschreitenden Kumulierung auseinander.
Hintergrund
Der Beschluss bezieht sich auf zwei schwedische Beihilferegelungen: Die Regelung zur Steuerbefreiung für Biogas als Kraftstoff und die Regelung zur Steuerbefreiung für nicht lebensmittelbasiertes Biogas und Biopropan bei der Wärmeerzeugung. Die Regelungen befreien Unternehmen und Endnutzer:innen von bestimmten Steuern und zielen darauf ab, den endgültigen Preis für Biogas und Biopropan für die Endverbraucher:innen zu reduzieren. Sie wurden erstmals in den Jahren 2003 und 2007 angewendet und in der Folge mehrfach von der EU-Kommission zur Verlängerung genehmigt. Zuletzt beantragte Schweden im Jahr 2020 Änderungen und Verlängerungen der Regelungen bis 2030, die die EU-Kommission mit Beschlüssen vom 29.06.2020 genehmigte.
Die Landwärme GmbH (nachfolgend „Landwärme“), ein deutscher Biomethanproduzent und Wettbewerber, erhob gegen diese Beschlüsse Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der europäischen Union (nachfolgend „EuG“). Nach Ansicht von Landwärme komme es durch die Kumulierung der schwedischen Beihilfen mit Beihilfen an Biogasproduzenten in Dänemark, zu einer unzulässigen Überkompensation. Mit der Begründung, dass die EU-Kommission mögliche Überkompensationen durch die Kumulierung mit Beihilfen anderer Mitgliedstaaten nicht geprüft habe, erklärte das EuG die Genehmigungsbeschlüsse der EU-Kommission daraufhin für nichtig.
Die EU-Kommission leitete in der Folge ein förmliches Prüfverfahren ein, das mit dem Beschluss vom 23.10.2024 seinen Abschluss fand. Hierin hat die EU-Kommission festgestellt, dass die Beihilferegelungen auf Grundlage von Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV unter Berücksichtigung der relevanten Bestimmungen der Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2014-2020 (nachfolgend: „UEBLL 2014–2020“) sowie der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen 2022“ (nachfolgend: „KUEBLL 2022“) mit dem europäischen Binnenmarkt vereinbar sind.
Kumulierung und Überkompensation auf nationaler und europäischer Ebene
Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der schwedischen Beihilfenregelungen mit dem Binnenmarkt konzentrierte sich die EU-Kommission auf die Kumulierung. Dabei wurden folgende Kumulierungsmöglichkeiten betrachtet:
- Kumulierung mit Produktionsbeihilfen auf nationaler (schwedischer) Ebene
- Grenzüberschreitende Kumulierung mit Produktionsbeihilfen in bestimmten Mitgliedstaaten (hier: Dänemark)
Kumulierung mit Produktionsbeihilfen auf nationaler Ebene
Im Hinblick auf die Kumulierung auf nationaler Ebene trug Schweden im Verfahren vor, dass die Steuerbefreiungen mit Investitions- oder Betriebsbeihilfen für Biogas- und Biopropanproduzenten kumuliert werden können. Die schwedische Energieagentur überwache die Kumulierung und berücksichtige dabei die verschiedenen Beihilfebeträge, um sicherzustellen, dass die Gesamthöhe der gewährten Beihilfen nicht zu einer Überkompensation der Produzenten führt. Vor diesem Hintergrund kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass die Anforderungen der UEBLL sowie KUEBLL insoweit erfüllt werden und insbesondere transparente Mechanismen zur Kontrolle der Kumulierung von Beihilfen implementiert wurden.
Grenzüberschreitende Kumulierung mit Produktionsbeihilfen in bestimmten Mitgliedstaaten
Der Fokus der EU-Kommission lag sodann auf der Überprüfung einer möglichen grenzüberschreitenden Kumulierung der schwedischen Steuervergünstigungen mit dänischen Produktionsbeihilfen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob es hierdurch zu einer Überkompensation für Biogas- und Biopropanproduzenten kommen kann, die sowohl in Dänemark als auch in Schweden Beihilfen erhalten. Die Prüfung erfolgte ausgehend von dem Argument der Landwärme, dass die Kumulierung dieser Beihilfen zu einer Überkompensation für dänische Produzenten und damit zu Verdrängungseffekten von schwedischen und anderen ausländischen Produzenten auf dem schwedischen Markt führen könne.
Hierzu evaluierte die EU-Kommission zunächst die Ausgestaltung der Beihilferegelungen in beiden Ländern und stellte im Hinblick auf die dänischen Produktionsbeihilfen fest, dass diese darauf abzielen, Investitionen in die Biogasproduktion zu fördern, indem sie den Produzenten zuverlässigere Einnahmen sichern. Im Gegensatz dazu würden die schwedischen Steuervergünstigungen das Ziel haben, den Preis von Biogas für die Endverbraucher:innen zu senken und daher eine andere Ebene der Lieferkette betreffen. Dennoch könnten nach Ansicht der EU-Kommission Steuervergünstigungen und Produktionsbeihilfen vorliegend so zusammenwirken, dass durch die Förderung der Investitionen in die Biogasproduktion die Preise für Endverbraucher:innen gesenkt werden können. Eine gleichzeitige Gewährung von Beihilfen auf Grundlage verschiedener Beihilferegelungen sei im Hinblick auf die Kumulierungsregelungen zwar nicht zwangsläufig problematisch, es müsse jedoch eine Überkompensation verhindert werden.
Anknüpfend an diese Feststellung lag der Schwerpunkt der weiteren Untersuchung auf der Überprüfung der Überkompensationskontrollen, die in beiden Ländern durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die insgesamt gewährten Beihilfen nicht die Kosten für die Produktion und den Vertrieb von Biogas und Biopropan überschreiten. Die EU-Kommission stellte insoweit fest, dass sowohl Schweden als auch Dänemark umfassende Überkompensationskontrollen implementiert haben, die alle relevanten Einnahmen und Kosten berücksichtigen, einschließlich der Erlöse aus dem Handel mit Herkunftsnachweisen, die einen eigenen Marktwert haben. In Dänemark basieren die regelmäßigen Kontrollen auf den Finanzberichten der Biogas- und Biopropanproduzenten, die alle Einnahmequellen erfassen. Die Überwachungsmechanismen in Schweden beziehen den Importpreis und Subventionen von Biogas und Biopropan im Ursprungsland ein.
Vor diesem Hintergrund kam die EU-Kommission zu dem Schluss, dass die Überkompensationskontrollen in beiden Ländern wirksam sind und das Risiko einer Überkompensation effektiv adressieren. Durch die komplementären Kontrollen der beiden Länder sei sichergestellt, dass auch die grenzüberschreitende Kumulierung von Beihilfen nicht zu einer Überkompensation führt.
Fazit
Die Möglichkeit der grenzüberschreitenden Kumulierung von Beihilfen stellt im Hinblick auf die Vermeidung von Überkompensationen und Marktverzerrungen eine komplexe Herausforderung dar. Das EuG hat mit seinem Urteil die Pflicht der EU-Kommission zur umfassenden Überprüfung grenzüberschreitender Sachverhalte bestätigt.
Beihilferegelungen sollten vor diesem Hintergrund umfassende Kontrollmechanismen vorsehen, auf deren Basis Überkompensationen auch bei der Inanspruchnahme von weiteren Förderungen aus anderen Mitgliedstaaten effektiv vermieden werden können. Hilfreich könnte insoweit eine Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Optimierung von Überwachungsmechanismen zur hinreichenden Berücksichtigung grenzüberschreitender Sachverhalte sein.
Co-Autorin des Beitrags ist Giselle Ramacher.