Richtlinienvorschlag über die Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben („Green Claims Directive“)
Am 22. März 2023 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben („Green Claims Directive“) veröffentlicht. Der Richtlinienvorschlag soll das Vorhaben der Europäischen Union, das Europäische Verbraucherrecht zu aktualisieren, weiter vorantreiben, die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (Directive 2005/29/EC) als lex specialis ergänzen und die der Europäischen Kommission im Rahmen des European Green Deal von 2019 (COM(2019) 640 final) auferlegten Pflichten erfüllen.
Ziele der Richtlinie
Zweck der Richtlinie ist es, eine für den Unionsmarkt einheitliche Regelung zur Nachweisbarkeit und Kommunikation freiwilliger, umweltbezogener Produktangaben von Unternehmen zu etablieren und auch auf diesem Wege dem sog. Greenwashing vorzubeugen. Den Verbrauchern soll es ermöglicht werden, auf der Grundlage von vertrauenswürdigen Umweltaussagen der Händler bewusste Kaufentscheidungen zu treffen. Zugleich soll die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Marktteilnehmer gestärkt werden, die sich um eine erhöhte Umweltverträglichkeit ihrer Produkte und Aktivitäten bemühen.
Kerninhalt des Richtlinienvorschlags
Der Richtlinienvorschlag trifft Regelungen über ausdrückliche und freiwillige Umweltangaben, d.h. über Angaben der Unternehmen die sich auf Umweltauswirkungen, -aspekte oder -leistungen eines Produkts oder des Händlers selbst beziehen und für die das Unionsrecht keine spezifischen Regeln vorsieht, wie z.B. die Bezeichnung des Produkts als „klimaneutral“.
Unternehmen müssen nachweisen, dass solche umweltbezogenen Produktangaben richtig sind, und dies entsprechend an die Verbraucher kommunizieren. Die Umweltangaben müssen sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse und den aktuellen Stand der Technik stützen und darüber hinaus
- erkennen lassen, ob die Angaben sich auf das Produkt als Ganzes oder nur auf einen Teil des Produkts beziehen,
- klarstellen, ob die Umweltleistung des betroffenen Produkts im Vergleich zu üblichen Produkten in der jeweiligen Produktgruppe tatsächlich besser ist und
- erkennen lassen, ob die erzielten Verbesserungen bei Umweltauswirkungen oder Umweltaspekten, die Gegenstand der Umweltangaben sind, durch etwaige negative Umweltauswirkungen nicht ausgeglichen werden.
Die Informationen, die eine Umweltangabe belegen sollen, sind den Verbrauchern beispielsweise durch den Abdruck eines QR-Codes oder eines Weblinks auf dem betroffenen Produkt zugänglich zu machen. Hängt die Umweltverträglichkeit des Produkts von der Verwendung des Verbrauchers ab, so müssen sich die Informationen des Unternehmers auch darauf beziehen, wie das Produkt zu verwenden ist.
Die umweltbezogenen Angaben und deren Nachweise sollen vor deren Veröffentlichung durch eine unabhängige Akkreditierungsstelle überprüft werden, die eine sog. Konformitätsbescheinigung ausstellt. Diese Konformitätsbescheinigung soll nach dem Richtlinienvorschlag allerdings keine Aussage darüber treffen, ob die Umweltangabe mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken vereinbar ist (vgl. Art. 10 Abs. 8 des Vorschlags).
Darüber hinaus müssen die umweltbezogenen Angaben anlassbezogen aktualisiert und spätestens nach 5 Jahren auf deren Richtigkeit überprüft werden.
Sog. Mikrounternehmen, die weniger als 10 Angestellte haben und deren jährlicher Umsatz EUR 2 Mio. nicht überschreitet, sollen von dem Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden (siehe Art. 3 Abs. 3, Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 7 des Vorschlags).
Verfolgung und Ahndung von Verstößen
Nach dem Richtlinienvorschlag sollen die zuständigen Behörden gegenüber Unternehmen tätig werden können, wenn
- im Rahmen einer regelmäßig durchzuführenden Kontrolle sämtlicher umweltbezogener Angaben auf dem Unionsmarkt ein Verstoß festgestellt wird oder
- eine natürliche oder juristischen Person oder Organisationen, die nach dem Unionsrecht oder dem nationalen Recht ein berechtigtes Interesse haben, eine Beschwerde einreichen.
Im Falle eines Verstoßes soll das betreffende Unternehmen aufgefordert werden können, innerhalb von 30 Tagen alle geeigneten Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.
Art. 17 des Richtlinienvorschlages sieht für den Fall von Verstößen einen Sanktionskatalog vor, wonach
- Geldbußen, deren Höchstbetrag mindestens 4% des Jahresumsatzes in dem betreffenden Mitgliedsstaat betragen soll,
- die Einziehung der Einnahmen, die der Händler aus einem Geschäft mit den betreffenden Produkten erzielt hat, und
- der Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen für einen Zeitraum von höchstens 12 Monaten (einschließlich Ausschreibungsverfahren, Zuschüssen und Konzessionen)
angeordnet werden können.
Verbandsklagen möglich
Nach Erwägungsgrund Nr. 73 des Richtlinienvorschlages soll die Richtlinie über die Nachweisbarkeit und Kommunikation umweltbezogener Produktangaben in den Anhang I zur Richtlinie über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher ((EU) 2020/1828) aufgenommen werden, womit der Anwendungsbereich für die Erhebung einer Verbandsklage unionsweit erweitert wird (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2020/1828).
In Deutschland können klageberechtigte Verbände allerdings auch ohne die Erweiterung des Anhangs I der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG, ABl. L 409 vom 4.12.2020, S. 1, („EU-Verbandsklagerichtlinie“) solche auf Schadensersatz oder Feststellung gerichteten Verbandsklagen (Abhilfe- oder Musterfeststellungsklagen) oder Unterlassungsklagen nach dem UKlaG erheben (s. hierzu Beitrag über EU-Verbandsklage / Collective Redress).
Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 29. März 2023 zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie (s. hierzu Beitrag über EU-Verbandsklage / Collective Redress) sieht einen weiten Anwendungsbereich für die Erhebung von Verbands- und Musterfeststellungsklagen vor. Die Erhebung einer Verbandsklage soll demnach möglich sein in (allen) „bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Ansprüche und Rechtsverhältnisse einer Vielzahl von Verbrauchern gegen einen Unternehmer betreffen“.
Ausblick
Die Umsetzung des Richtlinienvorschlages wird auf Unternehmensseite nicht nur einen hohen Verwaltungs- und Finanzierungsaufwand nach sich ziehen, vielmehr drohen auch empfindliche behördliche Maßnahmen und Sanktionen sowie das Risiko einer Inanspruchnahme durch klageberechtigte Verbände (qualifizierte Einrichtungen) im Rahmen der Verbandsklage (Abhilfe- oder Musterfeststellungsklage) oder Unterlassungsklage nach dem UKlaG. Die Konformitätsbescheinigung bestätigt zwar, dass den umweltbezogenen Angaben oder Umweltkennzeichnungssystem ein Nachweis zugrunde liegt. Sie befreit jedoch nicht von der Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung und Aktualisierung dieser Angaben. Eine versäumte Anpassung der Umweltangabe kann für das betroffene Unternehmen daher erhebliche finanzielle Konsequenzen haben.
Die Herausforderung wird schließlich darin bestehen, dass die Prüfung der umweltbezogenen Angaben und die Ausstellung der Konformitätsbescheinigung zeitnah erfolgen. Andernfalls könnte die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Unternehmen beeinträchtigt werden.