Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

IPCEI Advanced Semiconductor Technology: Die EU rüstet sich für die Chipzukunft

Verfasst von

Kerstin Rohde

Halbleiter und Chips sind heute weit mehr als ein technisches Produkt – sie sind strategische Vermögenswerte. Ihre zentrale Bedeutung für industrielle Wertschöpfungsketten in Europa wächst mit dem digitalen Wandel rasant. Von hochautomatisierten Fahrzeugen über Cloud-Computing, das Internet der Dinge, Raumfahrt und Verteidigung bis hin zu Supercomputern – der Bedarf an Halbleitern wächst und schafft neue Märkte. Sie sind nach Rohöl, Kraftfahrzeugen und raffiniertem Öl das weltweit am vierthäufigsten gehandelte Gut. Der globale Halbleitermarkt wird laut Prognosen bis 2030 auf ein Volumen von 1 Billion US-Dollar anwachsen (zum Vergleich: 2021 waren es noch 600 Milliarden US-Dollar).

Die EU verfolgt daher das ambitionierte Ziel, den EU-Marktanteil an der globalen Halbleiterproduktion bis 2030 auf 20 % zu erhöhen. Dass dies ein ernst gemeintes Ziel ist, zeigen die beiden bereits durchgeführten IPCEI ME (29 Unternehmen mit 43 Projekten, €1,9 Mrd. Beihilfen und € 6,5 Mrd. Privatinvestitionen) und IPCEI ME/CT (56 Unternehmen mit 68 Projekten, € 8,1 Mrd. Beihilfen und € 13,7 Mrd. Privatinvestitionen) sowie die 7 Beschlüsse der EU-Kommission für Beihilfen nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV i.V.m. der Chips Act Mitteilung.

Vor diesem Hintergrund ist das neue „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) im Bereich Advanced Semiconductor Technology (AST) ein zentraler Pfeiler europäischer Industriepolitik. Im November 2024 unterzeichneten 16 Mitgliedstaaten eine gemeinsame Absichtserklärung zur Umsetzung dieses von Deutschland, Frankreich und den Niederlanden koordinierten IPCEIs.

Scoping in vollem Gange – Themenschwerpunkte konkretisieren sich

Das Projekt befindet sich derzeit in der Phase der Themenfindung („Scoping“). Die von Deutschland vorgestellten technologischen Schwerpunkte weichen dabei etwas von den ursprünglichen Vorschlägen der EU-Kommission aus dem Pre-Assessment ab. Während „Advanced Packaging“ im Pre-Assessment als Schlüsselkompetenz priorisiert wurde, wird diese Technologie im deutschen Vorschlag als Querschnittstechnologie eingestuft, trotz ihrer Bedeutung für Zukunftstechnologien wie Chiplets und Heterointegration.

Aktuell stehen die folgenden Technologiefelder im Fokus:

  • Künstliche Intelligenz: KI-Chips und -Acceleratoren
  • Chiplets und Heterointegration
  • Siliziumphotonik
  • Sensoren: z. B. Quanten-, Bio-, photonische Sensoren
  • Ultra-Wide-Bandgap-Leistungselektronik
  • Sichere Kommunikationstechnologien

Dazu kommen Querschnittstechnologien wie:

  • EDA-Tools (Electronic Design Automation)
  • Front- und Back-End-Prozesse
  • Advanced Packaging
  • Produktions- und Metrologieanlagen
  • Materialien und Rohwaferherstellung

Frühzeitiges Handeln empfohlen: Einreichung von Projektideen bis zum 21. Juli 2025

Um sich an der Themenfindung für das IPCEI AST aktiv zu beteiligen, können Unternehmen und Forschungseinrichtungen in Deutschland bis zum 21. Juli 2025 Projektideen beim Projektträger VDI/VDE-IT einreichen. Zwar ist dies für eine spätere IPCEI-Teilnahme und Beantragung von IPCEI-Förderung nicht zwingend, aber empfehlenswert. Es bietet die Möglichkeit, sich aktiv ins Scoping einzubringen, was die Chancen erhöht, dass das eigene Projekt in den Rahmen des Förderaufrufs passt. Zudem bleibt man so auf dem Laufenden Stand der Dinge und erhält Informationen z.B. über Matchmaking-Veranstaltungen oder zukünftige Workshops. Ein solcher Workshop zur Finalisierung der Themenfindung ist für den 17. Juli 2025 in Den Haag geplant.

Eine frühzeitige Befassung mit möglichen Projekten hilft einem aber auch dabei, „vor die Welle“ zu kommen. Die Antragsfristen für die Einreichung von Projektskizzen sind in der Regel kurz bemessen. Daher sollte bereits vorher geprüft werden, ob das eigene Projektportfolio ein oder mehrere IPCEI-fähige Vorhaben enthält. Dazu sollte vorab vor allem geprüft werden:

  • Handelt es sich hierbei um eine bahnbrechende Innovation im Sinne des „beyond global State of the Art“?
  • Hält das Alternativszenario der Glaubwürdigkeitsprüfung (credibility Test) der EU-Kommission stand?
  • Sind die Annahmen der Finanzierungslückenberechnung plausibel?
  • Sind bereits hinreichende Partner vorhanden und konkrete Ideen, wie die Vorteile des eigenen Vorhabens der Gesellschaft insgesamt zur Verfügung gestellt werden können?

Beteiligung als indirekter oder assoziierter Partner

Ein bedeutender Fortschritt dieses IPCEIs ist die Möglichkeit, entsprechend einer Empfehlung des Joint European Forum (JEF), daran auch als sog. indirekter oder assoziierter Partner teilzunehmen.

  • Indirekte Partner: Wirken an Projekten direkter IPCEI-Partner mit, erhalten Förderung meist über die Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) und benötigen keine Notifizierung.
  • Assoziierte Partner: Tragen mit eigenen Projekten zu den Zielen des IPCEI bei, haben aber keine Berichtspflichten und werden außerhalb des IPCEI gefördert (z. B. über nationale oder regionale Programme).

Diese Form der Teilnahme ist insbesondere für KMU, Start-ups oder Akteure mit kleineren Projektbudgets attraktiv, denn diese Vorhaben müssen nicht alle Voraussetzungen der IPCEI-Mitteilung erfüllen. Auch die Komplexität der Verfahren verringert sich. Denn bei indirekten und assoziierten Partnern entfällt in der Regel, aber abhängig von der Höhe der jeweiligen Förderung, das Notifizierungsverfahren.

Nächste Schritte im Überblick

•    17. Juli 2025: Workshop zur Themenfindung in Den Haag mit ausgewählten Industrievertretern

•    21. Juli 2025: Ablauf der Frist zur Einreichung von Projektideen (Deutschland)

•    September 2025: Verabschiedung des Bundeshaushaltes

•    September 2025: EU-weites Matchmaking-Event

•    November 2025: Offizielle Bekanntmachung zur IPCEI AST-Teilnahme

Fazit

Das IPCEI AST ist ein Schlüsselinstrument zur Umsetzung der europäischen Halbleiterstrategie und zur Sicherung technologischer Souveränität. Wer sich rechtzeitig positioniert und vorbereitet, kann nicht nur Fördermittel akquirieren, sondern auch aktiv die Zukunft der europäischen Halbleiterindustrie mitgestalten.

 

Co-Autorin des Beitrags ist Katrin Gerb.