NPE-Leitlinien für LSIs: EZB-SSM startet Konsultation
RegCORE Client Alert | Bankenunion
Kurzüberblick
Am 15. September 2025 hat die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer Funktion als Leiterin des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) der EU-Bankenunion eine öffentliche Konsultation zu neuen Leitlinien für den Umgang mit notleidenden Krediten (NPEs) bei weniger bedeutenden Instituten (LSIs) gestartet.European Central Bank, Banking Supervision, PR.Show Footnote Der Schwerpunkt liegt auf „sogenannten Alt-NPEs“, d.h. solchen, die vor dem 26. April 2019 entstanden sind und daher nicht unter die automatischen Abzugsregelungen der Capital Requirement Regulation (CRR) fallen.EU Regulation No. 575/2013.Show Footnote
Die LSI-NPE-Leitlinien sollen eine Harmonisierung der Aufsicht für LSIs schaffen, da bisher Leitlinien für den Umgang mit NPEs hauptsächlich für systemrelevante Institute (SIs) existieren. Künftig müssen auch kleinere Institute klare Erwartungen hinsichtlich Risikovorsorge, Governance und Abbauplänen erfüllen.
Die EZB-SSM stellt klar, dass die nationalen zuständigen Aufsichtsbehörden (NCAs) die Abdeckung von Alt-NPEs künftig im Rahmen des vom SSM verwalteten Aufsichtsprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP) genauer überwachen werden. Damit wird die Behandlung von Alt-NPEs zu einem wichtigen Bestandteil der laufenden Aufsichtsbeziehungen.
Der aktuelle Entwurf betont, dass selbst Kreditinstitute ohne strenge CET1-Abzugsregelung in Zukunft mit erhöhten regulatorischen Anforderungen konfrontiert sein werden, wenn ihre Strategien und Governance-Strukturen als unzureichend angesehen werden.Guideline (EU) YYYY/XX** of the European Central Bank.Show Footnote
Dieser Client Alert bewertet den aktuellen Entwurf der LSI-NPE-Richtlinien, der bis zum 27. Oktober 2025 zur Konsultation steht. Die endgültigen Richtlinien werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2026 veröffentlicht und bis 2028 schrittweise umgesetzt. Eine weitere Analyse der endgültigen Richtlinien wird in einem separaten Client Alert behandelt. Wie bei den früheren EZB-SSM-Leitlinien zu NPEs sind zwischen dem aktuellen Entwurf und den endgültigen Leitlinien keine wesentlichen Änderungen zu erwarten, und viele LSIs (unabhängig vom aktuellen Umfang ihrer NPEs) sollten möglicherweise Vorbereitungsmaßnahmen ergreifen, um die Einhaltung dieser neuen, vereinfachten SSM-weiten Aufsichtsanforderungen sicherzustellen, insbesondere angesichts der aktuellen Lage, wie sie in einem separaten Client Alert zur Umsetzung der EU-Kreditdienstleisterrichtlinie erläutert wird. Dieser Client Alert sollte auch in Verbindung mit weiteren bestehenden Thought-Leadership-Beiträgen unseres EU RegCORE zu den NPE-Leitlinien und den für systemrelevante Institute geltenden SSM-Aufsichtserwartungen gelesen werden.
Zentrale Erkenntnisse aus LSI-NPE-Leitlinien-Entwurf
Wichtig ist, dass sich die Konsultation zu den LSI-NPE-Leitlinien nicht auf zusätzliche NPE-Indikatoren konzentriert, sondern vielmehr auf den Umfang der Aufsichtskontrolle durch die nationalen Aufsichtsbehörden, wie sie im SREP verankert ist, sowie auf robuste Governance-Strukturen. Wie im Entwurf klargestellt wird, kann eine unzureichende Risikovorsorge für Alt-NPEs durch Maßnahmen der Pillar 2 (z. B. qualitative Anforderungen, zusätzliche Kapitalanforderungen) behoben werden, obwohl keine CET1-Abzüge gemäß CRR vorgesehen sind.European Central Bank, Banking Supervision, Directive 2013/36/EU.Show Footnote
Ziel des Entwurfs der LSI-NPE-Leitlinien ist es, (i) harmonisierte und verhältnismäßige Aufsichtspraktiken für LSIs zu erreichen, die auf dem etablierten Ansatz für große Institute aufbauen, und gleichzeitig (ii) zum übergeordneten Ziel des EZB-SSM beizutragen, die praktische Umsetzung des einheitlichen Regelwerks für alle Arten von Kreditinstituten in der Bankenunion zu straffen. Die wichtigsten Punkte zur Erreichung dieser Ziele spiegeln sich in den LSI-NPE-Richtlinien in den folgenden Schwerpunktbereichen wider:
- Proportionalität: Ausnahmen bzw. risikoorientierte Anträge für LSIs sind für diejenigen verfügbar, die niedrige NPE-Quoten, einen geringen Anteil an Alt-NPEs oder an spezifischen Umstrukturierungsmandaten aufweisen; hinzu kommt die Möglichkeit, bestimmte Portfolios (z.B. Verbriefungen) auszuschließen.European Central Bank, Banking Supervision, PR.Show Footnote
- Aufsichtsdruck: NCAs prüfen die Abdeckung systematisch im SREP und können bei Lücken Pillar-2-Instrumente einsetzen; der Entwurf betont explizit die Nutzung des Pillar 2-Rahmens zur Durchsetzung einheitlicher Standards.
- Governance-Fokus: Aufsichtsorgane und Management müssen die NPE-Strategie tragen; reine Lösungen auf Ebene der Fachbereiche genügen nicht. Rechtsgrundlagen und Befugnisse ergeben sich aus der CRD (u. a. Art. 97, 104; Governance-Vorgaben Art. 88 ff.).Directive 2013/36/EU.Show Footnote
Über die genannten Eckpunkte hinaus verfolgt der Entwurf klar das Ziel, aufsichtliche Konvergenz bei LSIs zu schaffen, ohne den NCAs den erforderlichen Ermessensspielraum im Rahmen der Pillar-2 zu entziehen. Wie bei den Leitlinien der EZB zum SSM üblich adressiert der Text die NCAs ausdrücklich als primäre Adressaten, betont die SREP-Verankerung der NPE-Prüfungen und die Möglichkeit, unzureichende Abdeckungsstrategien mit qualitativen Auflagen oder Kapitalzuschlägen zu hinterlegen. Damit verschiebt sich der Schwerpunkt von „starren Schwellen“ hin zu prüfbaren Governance-, Risiko- und Prozessstandards.European Central Bank, Banking Supervision, PR.Show Footnote
Gleichzeitig wird der gemäß den LSI-NPE- anzuwendende Ansatz so formuliert, dass er risikoorientiert ist und gemäß dem Verhaltnismäßigkeitsprinzip angewendet werden sollte: NCAs können den Adressatenkreis jährlich anhand spezifischer Risiko- und Kontextkriterien bestimmen; einzelne Portfolios (z. B. Verbriefungen) können ausgenommen werden. Diese Flexibilität soll Verzerrungen vermeiden und den unterschiedlichen LSI-Profilen Rechnung tragen. Für Institute bedeutet das praktisch: Wer seine Governance, NPE-Strategie und Datenlage überzeugend darlegt, kann den Aufsichtsdialog konstruktiv steuern und zielgerichtete Eingriffe vermeiden.Guideline (EU) YYYY/XX** of the European Central Bank.Show Footnote
Ein weiterer Baustein ist die Daten- und Berichtsdimension: Die EZB kündigt ein kompaktes Reporting-Template an, das eng an bestehende COREP-Meldungen angelehnt ist. Zusammen mit einem gestaffelten Anwendungsstart bis Ende 2028 soll das die Umsetzung handhabbar machen – politische Zielsetzung bleibt aber die Einbettung in den laufenden SREP-Dialog, nicht die Einführung neuer harter Abzugsregeln für Alt-NPEs. Für die Governance-Verankerung und die Aufsichtsmaßnahmen dienen weiterhin die Rechtsgrundlagen der CRD (u. a. Art. 97 (SREP), Art. 104 (Maßnahmen)).Directive 2013/36/EU.Show Footnote
Zentrale Überlegungen zur Umsetzung der LSI-NPE-Leitlinien-Entwurf
Für LSIs legen die LSI-NPE-Leitlinien, sobald sie endgültig verabschiedet sind, mehrere wichtige Handlungsbereiche fest, die über die reine Risikovermeidung hinausgehen. Die EZB-SSM macht deutlich, dass der Schwerpunkt künftig weniger auf der Erreichung fester Schwellenwerte als vielmehr auf der Qualität der Strategien, der Governance und der Prozesse liegen wird. Es ist unwahrscheinlich, dass sich dieses Ziel zwischen dem aktuellen Entwurf der LSI-NPE-Leitlinien und der endgültigen, veröffentlichten Fassung, ändern wird.
Governance und Board-Verantwortung
Die LSI-NPE Richtlinien verlangen, dass Geschäftsleitungen und ihre Aufsichtsorgane die NPE-Strategie aktiv unterstützen. Strategische Entscheidungen zu Abbaumaßnahmen dürfen nicht auf Ebene einzelner Fachabteilungen verbleiben. Damit knüpft der Entwurf an die Governance-Vorgaben der CRD IV (Art. 88–91) an, die eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Überwachungspflichten verlangen.Directive 2013/36/EU.Show Footnote
Abbaustrategien und Umsetzungspfad
LSIs müssen transparente und nachvollziehbare Pläne entwickeln, wie sie ihren Legacy-NPE-Bestand mittelfristig reduzieren. Die LSI-NPE Richtlinien verweisen dabei auf operative Optionen wie Restrukturierungen, Portfoliotransaktionen oder Inkassomaßnahmen, die mit der Gesamtstrategie des Kreditinstituts verzahnt sein sollen. Entscheidend ist nicht nur der Plan an sich, sondern die Glaubwürdigkeit seiner Umsetzung.
Risikomanagement und Reporting
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf verlässlichen Daten und konsistentem Meldewesen. Da bestehende EU-Meldevorschriften (z. B. Verordnung (EU) 2021/451 über aufsichtliches Reporting) keine vollständige Abdeckung der Legacy-NPEs gewährleisten, kündigt die EZB ergänzende Templates an, die eng an COREP angelehnt sind.Guideline (EU) YYYY/XX** of the European Central Bank.Show Footnote Für Institute bedeutet das: Der Datenhaushalt muss so strukturiert werden, dass er sowohl für interne Zwecke als auch für die SREP-Prüfung der Aufsicht belastbar ist.
Frühe und transparente Kommunikation mit Aufsehern
Die Konsultation betont die Rolle der NCAs als primäre Adressaten und deren Ermessensspielraum. Kreditinstitute sind daher gut beraten, frühzeitig in den Dialog mit ihrer Aufsicht zu treten, um Angemessenheit und Plausibilität der eigenen Strategien darzulegen. Wer Defizite offen anspricht und einen belastbaren Abbaupfad vorlegt, kann das Risiko restriktiverer Pillar-2-Maßnahmen verringern.European Central Bank, Banking Supervision, PR.Show Footnote
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die LSI-NPE-Leitlinien von den LSIs verlangen, mehr Management Attention diesbezüglich einzusetzen, klare Reduzierungspläne zu erstellen und ihre Daten zu verbessern. Der EZB-SSM verlagert daher bewusst seinen Fokus – und damit auch den aller am SSM teilnehmenden nationalen Aufsichtsbehörden – auf qualitative Standards und Aufsichtsdialoge, die über die traditionellen quantitativen Kennzahlen hinausgehen. Dieser Ansatz folgt dem bereits auf SI-Ebene verfolgten Ansatz.
Ausblick
Sobald die LSI-NPE-Leitlinien fertiggestellt sind, ist es sehr wahrscheinlich, dass in der Anfangsphase weitere regulatorische Leitlinien zu erwarten sind. Denkbar sind ergänzende FAQs oder erläuternde Merkblätter der EZB-SSM, die Details zu Reportingformaten, Schwellenwerten oder Ausnahmeregelungen präzisieren. Auch NCAs dürften ihre Praxis durch zusätzliche Leitlinien konkretisieren, um die Umsetzung in ihren SREP-Prozessen zu vereinheitlichen. Die Aufsichtspraxis wird die Erwartungen an Konsistenz, Vollständigkeit und Aktualität der Abdeckungsstrategien künftig weiter verschärfen. LSIs, die den Leitlinien frühzeitig in ihre Governance, Risikosteuerung und Reportingprozesse integrieren, setzen die Messlatte hoch und verringern das Risiko späterer Nachforderungen durch die NCAs.
Für Kreditinstitute sind die SSM-relevanten Aufsichtsleitlinien im Allgemeinen und die LSI-NPE-Leitlinien im Besonderen nicht nur eine formale Verpflichtung, sondern ein regulatorischer Qualitätsstandard für den Umgang mit notleidenden Krediten. Er verpflichtet LSIs dazu, Abbaupläne nachvollziehbar zu dokumentieren, Datenhaushalte zuverlässig zu strukturieren und Verantwortlichkeiten klar zwischen Management- und Aufsichtsebene zu verankern. Angesichts der geplanten schrittweisen Einführung bis 2028 ist es ratsam, rechtzeitig eine Lückenanalyse anhand der Entwürfe der Bestimmungen durchzuführen, einen Probelauf der Systeme, Prozesse und Eskalationskanäle vorzunehmen und die Interoperabilität mit anderen regulatorischen Verpflichtungen zu bewerten – beispielsweise, aber nicht beschränkt auf Anforderungen an die Kreditvergabe und -überwachung bis hin zu Kreditdienstleistungsstandards, die sowohl innerhalb eines LSI operationalisiert als auch vertraglich über den gesamten Produkt- und Betriebslebenszyklus hinweg festgehalten werden. Es ist zu beachten, dass die Richtliniengeber des SSM (und ebenso andere EU-Behörden) der Ansicht sind, dass Kreditinstitute hinsichtlich des Ausmaßes und der Geschwindigkeit von NPEs, die sich aufgrund der derzeit vorherrschenden und im Vergleich zur Vergangenheit sehr unterschiedlichen makroökonomischen und Risikofaktoren in ihren Bilanzen niederschlagen können, nicht kurzsichtig sein sollten. Durch einen umfassenderen Ansatz zur Erfüllung der Anforderungen und Ziele der Leitlinie werden regulatorische, Reputations- und Durchsetzungsrisiken verringert und sichergestellt, dass die Erwartungen der EZB-SSM und der nationalen zuständigen Behörden im Rahmen des vom SSM gesteuerten SREP von den jeweiligen Kreditinstituten zuverlässig erfüllt werden.
Über uns
PwC Legal unterstützt eine Reihe von Finanzdienstleistungsunternehmen und Marktteilnehmern bei der vorausschauenden Planung von Veränderungen, die sich aus einschlägigen Entwicklungen ergeben. Zu diesem Zweck haben wir ein multidisziplinäres und multijurisdiktionales Team von Branchenexperten zusammengestellt, das unsere Mandanten dabei unterstützt, Herausforderungen zu bewältigen und Chancen zu nutzen sowie proaktiv mit ihren Marktteilnehmern und Aufsichtsbehörden in den Dialog zu treten.
Im Zusammenhang mit der anstehenden Umsetzung der NPE Leitlinien unterstützen wir Sie gerne bei der Beurteilung bei der Governance Ihres Kreditinstituts sowie bei der Durchsicht von Kreditengagements auf etwaige Potenziale für eine Reduktion. Ferner beraten wir gerne bei weiteren risikominimierenden Maßnahmen sowie bei Transaktionen zur Kapitalentlastung. Hierzu zählen wir die Veräußerung von Portfolien sowie Verbriefungstransaktionen. Hierbei begleiten wir von der strategischen Planung bis zur vertraglichen Dokumentation nach deutschen, europäischen und weiteren internationalen Rechtsordnungen.
Darüber hinaus haben wir eine Reihe von RegTech- und SupTech-Tools für beaufsichtigte Institute entwickelt, darunter das Rule Scanner Tool von PwC Legal, das durch ein zuverlässiges Set an Managed Solutions von PwC Legal Business Solutions unterstützt wird. Dieses ermöglicht ein Horizon Scanning und eine Risikokartierung sämtlicher gesetzlicher und regulatorischer Entwicklungen sowie von Sanktionen und Bußgeldern – erfasst von mehr als 2.500 gesetzgeberischen und aufsichtsrechtlichen Entscheidungsträgern sowie weiteren Branchenstimmen in über 170 Jurisdiktionen mit Relevanz für Finanzdienstleistungsunternehmen und deren Geschäftstätigkeit.
Ebenso bieten wir unter Nutzung unserer Rule Scanner-Technologie eine weitere Lösung an, mit der Finanzdienstleistungsunternehmen ihre internen Richtlinien und Verfahren digitalisieren können. Dadurch lässt sich ein umfassendes Dokumentationsinventar mit einer etablierten Dokumentationshierarchie und einem eingebetteten Glossar erstellen, das über eine Versionskontrolle entlang eines definierten zeitlichen Rahmens (rückblickend wie vorausschauend) verfügt. So wird sichergestellt, dass Änderungen in einer Richtlinie konsequent auch in andere Richtlinien- und Verfahrensdokumente übernommen werden, kritische Abhängigkeiten im Ablauf abgebildet sind und gesetzgeberische sowie aufsichtsrechtliche Entwicklungen gekennzeichnet werden, sofern sie Handlungsbedarf in den betreffenden Richtlinien und Verfahren erfordern.
Das PwC Legal-Team hinter dem Rule Scanner ist stolzer Preisträger des renommierten „2024 Disruptive Technology of the Year Award“ von ALM Law.com sowie des „2025 Regulatory, Governance and Compliance Technology Award“ im Jahr 2025.
Wenn Sie die oben genannten Entwicklungen oder deren mögliche Auswirkungen auf Ihr Unternehmen im Allgemeinen näher besprechen möchten, wenden Sie sich bitte an einen unserer Ansprechpartner oder an das RegCORE-Team von PwC Legal über de_regcore@pwc.com oder unsere Website.