Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Dritte Änderung des Befristeten Krisenrahmens („TCTF“) – hohe Förderungen für Schlüsselsektoren möglich

Verfasst von

Darja Bleyl

Ricarda Völker

Die EU-Kommission hat am 9. März 2023 zum dritten Mal ihren Befristeten Rahmen zur Krisenbewältigung geändert und im Hinblick auf die „Gestaltung des Wandels“ erweitert. Ziel des so entstandenen Temporary Crisis and Transition Framework („TCTF“) ist eine Ausweitung der Fördermöglichkeiten für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Zukünftig sind daher insbesondere hohe Beihilfen für Investitionen in einigen für die Energiewende relevanten Schlüsselsektoren (u.a. Herstellung von Batterien, Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Elektrolyseure) möglich, die derzeit auch stark im globalen Wettbewerb stehen.

Hintergrund

Mit der nun erfolgten Anpassung wird der am 23. März 2022 angenommene und am 20. Juli 2022 sowie 28. Oktober 2022 geänderte Befristete Krisenrahmen (siehe hierzu unsere Blogbeiträge vom 29. März 2022, 11. August 2022 und 12. Dezember 2022) wiederum geändert und verlängert. Das erklärte Ziel der EU-Kommission ist weiterhin, den Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts flexibel zu gestalten und auszuweiten und der durch den Ukraine-Konflikt ausgelösten geopolitischen Energiekrise zu begegnen.

In diesem Zusammenhang sieht die EU-Kommission insbesondere den dringenden Bedarf, die Abhängigkeit der Mitgliedstaaten von fossilen Brennstoffen zu verringern. Dazu sollen die Einführung erneuerbarer Energien, die Dekarbonisierung der Industrie und der Aufbau von Kapazitäten in Sektoren, die für den Übergang zu einer Netto-Null-Wirtschaft von strategischer Bedeutung sind, beschleunigt werden.

Vor diesem Hintergrund sollen auf Grundlage des TCTF strategische Investitionen gefördert werden können, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als wesentliches Element der Verschärfung der Krise zu bekämpfen und den grünen Übergang im Einklang mit den REPowerEU-Zielen zu beschleunigen und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des künftigen kohlenstoffarmen Energiesystems der EU sicherzustellen. Dies hat auch im aktuellen globalen Kontext besondere Relevanz, da ohne entsprechende Förderungen die Gefahr besteht, dass solche Investitionen, insbesondere vor dem Hintergrund des im August 2022 in Kraft getretenen US Inflation Reduction Act, aus dem EWR abgezogen werden.

Aktuelle Änderungen und Ergänzungen (Auszug)

Mit Blick auf den Industrieplan zum Grünen Deal („Green Deal Industrial Plan“) sieht der neue Krisenrahmen insbesondere die nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen vor:

1. Verlängerung und Ausweitung von Fördermöglichkeiten der Mitgliedstaaten für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft

Regelungen zur Unterstützung von Maßnahmen für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, insbesondere Regelungen zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien, zur Förderung der Energiespeicherung sowie zur Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse können nunmehr bis zum 31. Dezember 2025 verlängert bzw. neu aufgelegt werden.

Zudem will die EU-Kommission die Ausgestaltung von Regelungen zur Förderung von erneuerbaren Energien und Energiespeicherung sowie zur Dekarbonisierung industrieller Produktionsprozesse vereinfachen und ihre Wirkung erhöhen. Dazu hat sie im geänderten Krisenrahmen folgende Anpassungen vorgenommen:

  • Vereinfachung der Beihilfengewährung für kleine Vorhaben und weniger ausgereifte Technologien (z.B. erneuerbarer Wasserstoff): Wegfall der Ausschreibungspflicht (zu beachten: besondere Vorkehrungen einzuhalten)
  • Möglichkeit der Förderung des Ausbaus aller Arten erneuerbarer Energien
  • Möglichkeit der Förderung der Umstellung auf aus erneuerbarem Wasserstoff gewonnenen Brennstoffen zur Dekarbonisierung industrieller Prozesse
  • Einführung höherer Beihilfehöchstintensitäten und vereinfachter Beihilfeberechnungen

2. Ermöglichung von hohen Beihilfen für Investitionen in Schlüsselsektoren

Für einige Sektoren dürfte besonders interessant sein, dass die EU-Kommission mit der vorliegenden Änderung bis zum 31. Dezember 2025 hohe befristete Beihilfen zur weiteren Beschleunigung von Investitionen in Schlüsselsektoren für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft zulässt. Dazu zählen Investitionsbeihilfen für die Herstellung strategisch wichtiger Ausrüstungen wie Batterien, Solarpaneele, Windkraftanlagen, Wärmepumpen, Elektrolyseure, Ausrüstung für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 sowie für die Herstellung von Schlüsselkomponenten und für die Herstellung und das Recycling der dafür benötigten kritischen Rohstoffe (siehe hierzu auch unseren Blogbeitrag zum Critical Raw Materials Act vom 18. Oktober 2022).

Die maximal mögliche prozentuale und nominale Höhe der Beihilfe ist dabei abhängig vom Investitionsstandort, der Größe des Beihilfeempfängers sowie der Art der Beihilfe. So kann zukünftig einem großen Unternehmen auf Grundlage einer entsprechenden Beihilferegelung eine Beihilfe in Höhe von bis zu 15 % der beihilfefähigen Kosten und einem Gesamtbetrag von bis zu 150 Mio. EUR je Unternehmen und Mitgliedstaat gewährt werden. Befindet sich dieses Unternehmen z.B. in einem sogenannten A-Fördergebiet kann die Beihilfe sogar auf bis zu 35 % der beihilfefähigen Kosten und einen Gesamtbetrag von bis zu 350 Mio. EUR angehoben werden. Zu beachten ist, dass die nationalen Behörden vor Gewährung solcher Beihilfen prüfen müssen, welche Risiken konkret bestehen, dass die produktive Investition andernfalls außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums („EWR“) getätigt wird, und ob das Risiko einer Verlagerung innerhalb des Binnenmarktes besteht.

Die EU-Kommission hat darüber hinaus die Möglichkeit vorgesehen, in Ausnahmefällen und unter strengeren Voraussetzungen noch höhere Beihilfen zu gewähren. Voraussetzung ist neben weiteren Bedingungen im Hinblick auf den Investitionsstandort, die Produktionstechnologie und die Vermeidung einer Verlagerung von Investitionen insbesondere, dass ansonsten die Gefahr besteht, dass Investitionen in Länder außerhalb Europas umgelenkt werden. Je nachdem, welcher Betrag niedriger ist, ist die zulässige Beihilfe dann auf denjenigen Betrag beschränkt,

  • den der Beihilfeempfänger für eine vergleichbare Investition an dem anderen Standort außerhalb des EWR erhalten könnte („Matching“), oder
  • der erforderlich ist, um den Beihilfenempfänger dazu zu bewegen, die Investition in dem betreffenden Gebiet im EWR zu tätigen („Finanzierungslücke“).

Ausblick

Auf Grundlage des geänderten Befristeten Krisenrahmens können die Mitgliedstaaten nun über die bereits bestehenden Regelungen hinausgehende nationale Regelungen entwerfen. Diese müssen vor Anwendung auf der Grundlage der Regelungen des TCTF von der EU-Kommission genehmigt werden. Möglich sind auch Einzelbeihilfen, die ebenfalls vor Gewährung der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden müssen.

Hinzuweisen ist zudem darauf, dass elf Mitgliedstaaten der EU dem neuen TCTF kritisch gegenüberstanden. Sie sahen insbesondere die Gefahr, dass finanzstärkere Mitgliedstaaten in der Lage wären, deutlich höhere Beihilfen zu gewähren als finanzschwächere Mitgliedstaaten und dadurch Investitionen nur in finanzstärkeren Mitgliedstaaten erfolgen würden. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlug vor diesem Hintergrund die Einrichtung eines sog. „Sovereignty Funds“ vor, um die Erreichung der Kohäsionsziele der EU sicherzustellen. Es bleibt derzeit abzuwarten, ob ein entsprechender Fonds tatsächlich eingerichtet wird und wie die Mittel aus diesem konkret eingesetzt werden.