Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Critical Raw Materials Act – Förderung der Umsetzung strategisch wichtiger Vorhaben

Verfasst von

Kerstin Rohde

In ihrer Rede zur „State of the Union“ vom 14. September 2022 kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den „Critical Raw Materials Act“ (Europäisches Gesetz zu kritischen Rohstoffen, „CRM Act“) an. Dieser soll u.a. den vereinfachten Zugang zu Fördermitteln für als strategisch wichtig eingeordnete Vorhaben vorsehen.

Derzeit werden 90% der seltenen Erden und 60% des Lithiums, die in Europa benötigt werden, in China verarbeitet. Ziel des CRM Act ist vor diesem Hintergrund die Sicherstellung der Versorgung und Verarbeitung strategisch wichtiger Rohstoffe in Europa.

Für die  Erarbeitung des Gesetzes hat die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission am 30. September 2022 einen Call for Evidence for an Impact Assessment (https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13597-European-Critical-Raw-Materials-Act_en) veröffentlicht, um Marktteilnehmern die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Das Gesetz soll auf vier Säulen gestützt werden:

  1. Definition der für die EU als strategisch wichtig eingeordneten Rohstoffe: Entsprechend der Liste kritischer Rohstoffe 2020 werden dazu voraussichtlich u.a. Lithium, seltene Erden sowie Siliciummetalle gehören, also für die Batterie- und Halbleiterproduktion relevante Rohstoffe.
  2. Verbesserung der Überwachung, des Risikomanagements und der Governance der EU im Bereich des CRM Acts: Durch ein Netzwerk aus europäischen Rohstoffagenturen soll die EU durch Monitorings und Testings in die Lage versetzt werden, frühzeitig auf mögliche Verknappungen und Lieferengpässe zu reagieren.
  3. Stärkung der CRM-Wertschöpfungskette: Hierzu sollen mehr Vorhaben unterstützt und private Investitionen angezogen werden, um eine widerstandsfähige Lieferkette in der EU aufzubauen. Dafür soll an die Erfolge der Batterie- und Wasserstoffallianz sowie des Chips Acts (Lesen Sie hierzu auch unseren Beitrag: https://legal.pwc.de/de/news/fachbeitraege/eu-kommission-genehmigt-erste-beihilfe-in-anwendung-der-mitteilung-zum-eu-chips-act) angeknüpft werden. Darüber hinaus sollen strategisch wichtige Vorhaben entlang der Wertschöpfungskette (Abbau, Veredlung, Verarbeitung und Recycling) identifiziert werden, die einen leichteren Zugang zu Fördermitteln erhalten und von strafferen sowie vorhersehbareren Genehmigungsprozessen profitieren sollen. Ursula von der Leyen kündigte insoweit die Erhöhung der finanziellen Beteiligung an Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (Projects of Common European Interest, kurz: IPCEI) sowie die Einrichtung eines Europäischen Souveränitätsfonds an, um die erforderlichen privaten Investitionen zu mobilisieren.
  4. Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt: Das Recycling kritischer Rohstoffe soll gesteigert werden, ebenso die Transparenz, Verfügbarkeit und Koordinierung strategischer Reserven relevanter kritischer Rohstoffe. Daneben sollen durch die Sicherstellung einheitlicher Standards gleiche Wettbewerbsbedingungen für kritische rohstoffbasierte Produkte und Komponenten gewährleistet werden.

Ausblick:

Vor dem Hintergrund bestehender Lieferengpässen für kritische Produkte und Rohstoffe (z.B. für die Arzneimittel-, Halbleiter und Automobilindustrie) ist die Initiative der Kommission ein wichtiger Schritt zur Schaffung der Versorgungssicherheit Europas sowie zur Stärkung der europäischen Lieferketten. Sie leistet einen wichtigen Beitrag zur Unabhängigkeit von Drittsaaten.

Vieles spricht dafür, dass die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission gemeinsam mit interessierten Mitgliedstaaten ein IPCEI Critical Raw Materials auf den Weg bringen wird. Aus der Erfahrung vergangener IPCEI-Prozesse ist jedoch nicht zu erwarten, dass dies bereits in naher Zukunft umgesetzt wird. So nimmt die Entschließung der Mitgliedstaaten zur Teilnahme, aber auch Abstimmung unter den teilnehmenden Mitgliedstaaten sowie die Bereitstellung der erforderlichen Haushaltsmittel in der Regel mehrere Monate in Anspruch.

Die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission kündigte indes bereits die Veröffentlichung einer Mitteilung an, in der sie alle inner- und außereuropäischen Maßnahmen zur Sicherung der europäischen Rohstofflieferkette darlegen wird. Entsprechend dem Wortlaut der bis jetzt bekannten Veröffentlichungen ist zu erwarten, dass sie dem Vorbild der Mitteilung zum Chips Act folgen wird. Dies würde auch die Definition strategisch wichtiger Vorhaben anhand bestimmter Kriterien einschließlich der für sie geltenden beihilferechtlichen Maßstäbe (z.B. direkte Anwendung des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV) beinhalten. Wie bereits beim Chips Act wird seine Notwendigkeit mit der empfindlichen Abhängigkeit von Drittstaaten, Verknappungen und Lieferengpässen sowie mit der Schlüsselrolle der CRM für die Digitale Transformation Europas und der Erreichung der Klimaziele des Green Deals begründet.