Update zum Temporary Framework im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg: Änderung des Befristeten Krisenrahmens durch die EU-Kommission
Hintergrund
Am 23. März 2022 wurde von der EU-Kommission der „Befristete Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge der Aggression Russlands gegen die Ukraine“ (C (2022) 1890 final) (Befristeter Krisenrahmen) erlassen, um den Mitgliedstaaten einen verlässliche Grundlage zur Stützung der Wirtschaft infolge der russischen Invasion der Ukraine zur Verfügung zu stellen (s. hierzu bereits unseren Blogbeitrag v. 29. März 2022). Der Befristete Krisenrahmen wurde in der BRD am 22. April 2022 durch die BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 umgesetzt. Die anhaltende militärische Aggression Russlands und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen machen nun eine Anpassung des Befristeten Krisenrahmens erforderlich.
Anhebung der Beihilfeobergrenze
Die im Befristeten Krisenahmen festgelegten Beihilfehöchstbeträge werden angehoben. Von der Krise betroffenen Unternehmen (mit Ausnahme der Primärproduktion, der Fischerei sowie des Aquakultursektors) bis auf können nunmehr Beihilfen bis zu 500.000 € (bislang: 400.000 €) gewährt werden.
Weiterhin sollen Beihilfen zur Deckung der höheren Gas- und Stromkosten begrenzt werden, um Anreize zur Steigerung des Energie- und Gasverbrauchs zu vermeiden. So kann eine Förderung nur im Umfang von max. 70 % des Gas- und Stromverbrauchs des Beihilfeempfängers im entsprechenden Vorjahreszeitraum gewährt werden.
Beihilfen als Ausgleich für Mehrkosten wegen stark gestiegener Erdgas- und Strompreise
Beihilfen für Mehrkosten aufgrund des außergewöhnlich starken Anstiegs der Erdgas- und Strompreise sind laut EU-Kommission unter den folgenden Voraussetzungen mit dem Binnenmarkt vereinbar:
- Die Beihilfe wird spätestens am 31. Dezember 2022 gewährt.
- Die Beihilfe wird auf Basis einer Beihilferegelung mit geschätzter Mittelausstattung gewährt. Die Mitgliedstaaten dürfen hierbei die Beihilfe auf bestimmte Wirtschaftsbereiche von besonderer Bedeutung beschränken.
- Die Beihilfe wird in Form von direkten Zuschüssen, Steuervorteilen oder Vergünstigungen in Bezug auf andere Zahlungen oder rückzahlbaren Vorschüssen, Garantien, Darlehen oder Eigenkapital gewährt. Eine Umwandlung rückzahlbaren Mittelgewährungen in Zuschüsse ist bis zum 30. Juni 2023 möglich.
- Die Gesamtbeihilfe je Unternehmen darf pro Empfänger nicht mehr als 30% der beihilfefähigen Kosten oder mehr als € 2 Mio. betragen.
Beihilfen für „energieintensive Betriebe“
Die Mitgliedstaaten können unter nachfolgenden Voraussetzungen höhere Beihilfen für „energieintensive Betriebe“ gewähren, soweit diesen Betriebsverluste entstehen:
- Die Gesamtbeihilfe darf sich auf max. 50% der beihilfefähigen Kosten und auf max. 80% der Betriebsverluste des Unternehmens belaufen.
- Die Gesamtbeihilfe übersteigt € 25 Mio. je Unternehmen nicht.
- Bei in bestimmten Sektoren tätigen energieintensiven Unternehmen (bspw. Unternehmen, die mehr als 50 % ihrer Umsätze mit der Erzeugung und Bearbeitung von Aluminium oder mit Mineralölverarbeitung erzielen) gelten noch höhere Schwellenwerte (z.B. Anstieg der Gesamtbeihilfe auf bis zu 70% der beihilfefähigen Kosten und höchstens 80 % der Betriebsverluste; max. Gesamtbeihilfebetrag von € 50 Mio.).
Die Beihilfen können grundsätzlich auch kumuliert werden, sofern die genannten Obergrenzen nicht überschritten werden.
Weitere Beihilfemaßnahmen
Der Befristete Krisenrahmen wird um Beihilfen im Rahmen des REPowerEU-Programms und die Maßnahmen zur Förderung der Dekarbonisierung industrieller Prozesse erweitert.
REPowerEU
Mit REPowerEU hat die EU-Kommission einen Plan zur Transformation des Energiesystems Europas beschlossen, um durch die Beschleunigung des ökologischen Wandels eine Unabhängigkeit der EU von fossilen Brennstoffen aus Russland deutlich vor 2030 zu erreichen. Mit den neuen Beihilferegelungen sollen Beihilfenempfänger dazu veranlasst werden, eine Investition zu tätigen, die sie ohne das Programm nicht oder nur in begrenztem Umfang tätigen würden. Dazu erklärt die EU-Kommission Beihilfen zur Förderung von Strom aus erneuerbaren Quellen, von erneuerbarem Wasserstoff, Biogas und Biomethan aus Abfällen und Reststoffen, von Strom- und Wärmespeicherung sowie von erneuerbarer Wärme unter folgenden Voraussetzungen als mit dem Binnenmarkt vereinbar:
- Die Beihilfe wird auf der Grundlage einer Beihilferegelung mit geschätzter Mittelausstattung gewährt.
- Die Beihilfe wird spätestens am 30. Juni 2023 gewährt, und die finanzierten Anlagen müssen innerhalb von 24 Monaten bzw. bei Beihilfen für Offshore-Windkraftanlagen und Anlagen für erneuerbaren Wasserstoff innerhalb von 30 Monaten in Betrieb genommen werden.
- Beihilfen können in Form von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen, Darlehen, Garantien oder Steuervorteilen gewährt werden.
- Beihilfen müssen im Rahmen einer offenen, klaren, transparenten und diskriminierungsfreien Ausschreibung gewährt werden. Ausnahmsweise ist eine Ausschreibung – jenseits von diskriminierungsfreien Steuervorteilen – dann nicht erforderlich, wenn die Beihilfen pro Unternehmen für bestimmte Vorhaben der Stromerzeugung, Erzeugung von erneuerbarem Wasserstoff, Biogas und Biomethan, Wärme- und Gaserzeugungstechnologien 20 Mio. € nicht übersteigen. Bei ausschreibungsfreier Gewährung gilt allerdings eine Beihilfenintensität von höchstens 45 % (Erhöhungen für KMU möglich).
Maßnahmen zur Förderung der Dekarbonisierung industrieller Prozesse
Zur Beschleunigung der Diversifizierung der Energieversorgung und des Ausstiegs aus fossilen Brennstoffen sollen die Mitgliedstaaten Beihilfen zur Erleichterung von Investitionen in die Dekarbonisierung industrieller Tätigkeiten gewähren können. Dies gilt insb. für Elektrifizierung, Energieeffizienzmaßnahmen und die Nutzungsumstellung auf erneuerbaren und strombasierten Wasserstoff.
Sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind, will die EU-Kommission in einem vereinfachten Verfahren Beihilfen für Investitionen, die zu einer erheblichen Verringerung der Treibhausgasemissionen oder des Energieverbrauchs bei industriellen Tätigkeiten führen, als mit dem Binnenmarkt vereinbar ansehen:
- Die Beihilfe wird auf der Grundlage einer Beihilferegelung mit geschätzter Mittelausstattung gewährt.
- Die Beihilfe wird spätestens am 30. Juni 2023 gewährt, und die finanzierten Anlagen müssen innerhalb von 24 Monaten nach dem Tag der Gewährung bzw. bei Beihilfen für Investitionen in bestimmten erneuerbaren Wasserstoff innerhalb von 30 Monaten nach dem Tag der Gewährung fertiggestellt und in Betrieb genommen werden.
- Beihilfen können in Form von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen, Darlehen, Garantien oder Steuervorteilen gewährt werden.
- Die Investition muss es dem Beihilfeempfänger ermöglichen, gegenüber der Situation vor der Beihilfe entweder eine Verringerung der direkten Treibhausgasemissionen seiner Industrieanlage um mind. 40 % oder eine Verringerung des Energieverbrauchs, um mind. 20 % zu erreichen.
- Der Höchstbetrag einer Einzelbeihilfe darf je Unternehmen ohne angemessene Begründung des Mitgliedsstaates 10 % der für die betreffende Regelung zur Verfügung stehenden Gesamtmittel nicht übersteigen.
- Die Beihilfenintensität darf höchstens 40 % der beihilfefähigen Kosten betragen (Erhöhungen für KMU und bei besonders großen Einsparungen von Energie und Treibhausgasen möglich).
Ausblick
Nachdem die EU-Kommission bereits mit dieser Anpassung den Befristeten Krisenrahmen stark nachgeschärft hat, ist davon auszugehen, dass – je nach Entwicklung des Ukrainekrieges in den kommenden Monaten – weitere Anpassungen folgen werden, um den anhaltenden Herausforderungen des Krieges zu begegnen.
Zunächst liegt der Ball jedoch im Feld der Bundesregierung, die nun handeln und die BKR-Bundesregelung Kleinbeihilfen 2022 auf Grundlage des Befristeten Rahmens abändern sowie ggf. einen weiteren Umsetzungsakt verabschieden dürfte, um die Umsetzung der Anpassungen auch in der BRD zu ermöglichen.
Für die Praxis zeigt sich deutlich, dass Investitionen vor allem in kommunale Klimaschutzmaßnahmen (insb. mit Blick auf „kleine Vorhaben“) durch die Anpassungen des Befristeten Krisenrahmens einen weiteren Schub erhalten können. Die Neuregelung bietet den Kommunen gerade in diesem Bereich die Möglichkeit zur Gewährung von Beihilfen für Investitionen in erneuerbare Energien, ohne dass auf die EU-beihilfenrechtlich bekannten Instrumente wie Betrauung, AGVO-Gestaltung oder Notifizierung zurückgegriffen werden müsste.