Gesellschaftsrecht

Wirksamer Ausschluss aus einer Partnerschaftsgesellschaft aus wichtigem Grund nach vorangegangener Kündigung des Gesellschaftsvertrages

Verfasst von

Dr. Thorsten Ehrhard

Dr. Robert Schiller

A. Entscheidung des Oberlandesgerichts München

Die Beteiligten stritten sich über die Wirksamkeit eines Ausschlusses eines Gesellschafters aus einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung aus wichtigem Grund.

Die Parteien waren Rechtsanwälte und Partner einer Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung. Der Gesellschaftsvertrag sah vor, dass alle Partner ihre gesamte Arbeitskraft der Sozietät zur Verfügung stellen. Es war untersagt, auf eigene Rechnung Geschäfte zu betreiben und abzuschließen oder der Sozietät auf andere Weise Konkurrenz zu machen. Die Gesellschaft war durch ordentliche Kündigung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende ordentlich kündbar. Im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters wurde geregelt, dass die Sozietät durch die verbleibenden Gesellschafter fortgesetzt wird.

Spätestens im Jahr 2019 war das wechselseitige Vertrauen der Gesellschafter vollständig verloren gegangen, weshalb die Kläger gegenüber dem Beklagten mit Schreiben vom 15. Mai 2019 die ordentliche Kündigung des Sozietätsvertrags erklärten. Sie nahmen in der Folge jedoch den Standpunkt ein, die Kündigung sei noch nicht wirksam, weil sich die Kläger die Kündigung nicht wechselseitig erklärt hätten. Mit Schreiben ihres rechtlichen Vertreters vom 26. Juli 2019 bestätigten sie – nach entsprechender Aufforderung durch den Beklagten – die Wirksamkeit der erklärten Kündigung.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 3. September 2019 mahnten die Kläger den Beklagten ab: Der Beklagte habe die Pflicht verletzt, seine gesamte Arbeitskraft der Sozietät zur Verfügung zu stellen. Zudem verletze er das Konkurrenzverbot nach dem Sozietätsvertrag. Damit gehe ein Verstoß gegen den Sozietätsvertrag einher, wonach sämtliche Einkünfte aus der Berufstätigkeit der Partner der Sozietät zufließen sollen. Dies ergebe sich daraus, dass der Beklagte Nachlasspflegschaften übernommen habe, die nicht als Mandat der Partnerschaft geführt würden. Zudem bediene sich der Beklagte zur Durchführung dieser Mandate der Mitarbeit weiterer Personen, die über einen zweifelhaften Ruf verfügen würden.

Sodann fand am 16. Oktober 2019 eine Gesellschafterversammlung statt. In dem Protokoll zu dieser Gesellschafterversammlung wurde festgehalten, dass mit dem Beklagten eine Ausscheidensvereinbarung mit Wirkung zum 30. September 2019 geschlossen werden solle. In einer weiteren Gesellschafterversammlung vom 23. Oktober 2019 wurde beschlossen, den Beklagten auszuschließen, da eine Ausscheidensvereinbarung nicht getroffen werden konnte.

Das Landgericht München I entschied, dass der Ausschließungsbeschluss unwirksam sei, weil die von den Klägern geltend gemachten Ausschließungsgründe dem Beklagten bereits im Abmahnschreiben vom 3. September 2019 vorgehalten worden seien und daher nicht zugleich der Kündigung zugrunde gelegt werden könnten. Auch die Kooperation mit den weiteren von dem Beklagten beauftragten Personen würden keinen wichtigen Grund für den Ausschluss des Beklagten begründen.

Hiergegen richtete sich die Berufung der Kläger vor dem Oberlandesgericht München.

Das Oberlandesgericht München wies die Berufung der Kläger mit Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurück, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.

Der Ausschluss eines Gesellschafters bedürfe nach den § 9 I PartGG, §§ 140 I, 133 HGB eines wichtigen Grunds. Es sei für die Kläger zumutbar gewesen, das Vertragsverhältnis bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Denn für die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses sei die Dauer der Bindung an den Vertrag, die der durch den wichtigen Grund betroffene Teil ohne die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung noch durchstehen müsse, das mitentscheidende Kriterium. Unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses seien daher an die Intensität der Vertragsstörung umso höhere Anforderungen zu stellen, je kürzer die Frist bemessen sei, innerhalb derer das Vertragsverhältnis ablaufe oder durch ordentliche Kündigung beendet werden könne.

Entscheidend sei daher die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung der Sozietät vom 23. Oktober 2019 – dem Datum des Ausschlussbeschlusses – bis zu dem infolge der ordentlichen Kündigungen der Kläger eintretenden Ende der Sozietät am 31. Dezember 2019. Der Senat halte daran fest, dass die Kläger selbst durch die Bestätigung der ordentlichen Kündigung und durch die Abmahnung am 3. September 2019 zum Ausdruck gebracht hätten, dass das ihnen bis dahin bekannte, dem Beklagten vorgeworfene Verhalten nicht einen sofortigen Ausschluss rechtfertigte, sondern nur eine Abmahnung.

Zu diesem Zeitpunkt sei das angebliche Fehlverhalten des Beklagten bekannt gewesen. Den Klägern sei es nicht um die unverzügliche Beendigung eines für sie als unzumutbar empfundenen Zustands, der nicht bis zum 31. Dezember 2019 hätte geduldet werden können, gegangen.

Außerhalb der Abwägung der Interessen im eigentlichen Sinn merkte das Oberlandesgericht München an, dass der zeitliche Ablauf zu seiner Überzeugung belegt, dass es den Klägern mit dem Ausschluss des Beklagten darum ging, ihre Entscheidung zu revidieren, die Gesellschaft ordentlich zu kündigen; nicht aber ging es ihnen darum, einen untragbaren Zustand schnellstmöglich – zwingend noch vor dem 31. Dezember 2023 zu beenden.

Die Kläger hätten im Ergebnis selbst eingeräumt, dass ihnen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Beklagten bis zum 31. Dezember 2019 grundsätzlich möglich erschien. Vor diesem Hintergrund habe ein wichtiger Grund nicht vorgelegen. 

B. Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG München zeigt auf, dass ein Gesellschafterausschluss intensiv vorbereitet werden muss. Es spielt eine wesentliche Rolle, dass, sollte ein wichtiger Grund für den Ausschluss aus der Gesellschaft in Betracht kommen, dieser rechtlich geprüft wird. Sollte sich nach der Prüfung des Sachverhalts ergeben, dass ein wichtiger Grund vorliegt, ist unverzüglich zu handeln. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass nicht, wie in dem vorliegenden Sachverhalt, erst eine Abmahnung erfolgt. Dies würde unweigerlich zu einer Selbstwiderlegung hinsichtlich des wichtigen Grundes führen, da durch die Abmahnung dokumentiert wird, dass die Fortsetzung des Gesellschaftsverhältnisses noch möglich erscheint und der Verstoß, der gegen den Gesellschaftsvertrag erfolgt, nicht schwerwiegend und eine sofortige Beendigung der Gesellschafterstellung nicht erforderlich ist. Wird von den Gesellschaftern zudem noch eine Kündigung des Gesellschaftsvertrags erklärt, ist diese ebenfalls bei der Beurteilung des wichtigen Grunds, insbesondere bei der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Gesellschaftsvertrages, heranzuziehen. Ohne rechtliche Begleitung einer Eigenkündigung oder eines Ausschlusses eines Gesellschafters droht die Fortsetzung des Gesellschaftsvertrages, was von der den Ausschluss betreibenden Partei am wenigsten gewünscht ist.