Litigation, Arbitration

Verbraucherkreditrichtlinie 2.0 – mehr Verbraucherschutz und höherer Regulierungsaufwand

Verfasst von

Dr. Christoph Andreas Weber

Überblick

Nach einem wechselvollen Gesetzgebungsverfahren ist im November 2023 die Neufassung der Verbraucherkreditrichtlinie in Kraft getreten (Richtlinie 2023/2225). Sie bringt wesentliche Änderungen gegenüber der Vorläuferfassung aus dem Jahr 2008 mit sich (Richtlinie 2008/48/EG a.F.). Die Verbraucherkreditrichtlinie enthält die europarechtlichen Vorgaben zum Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nach § 491 Abs. 2 BGB. Sie ergänzt die für Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge nach § 491 Abs. 3 BGB geltende Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Diese enthält einige weitergehende Vorschriften, die nun als Modell für die Reform der Verbraucherkreditrichtlinie genutzt wurden.

Die EU-Kommission verfolgte mit ihrem Richtlinienentwurf das Ziel, den Verbraucherschutz zu stärken, das Recht zu vereinheitlichen und der Digitalisierung besser Rechnung zu tragen. Sie wollte unter anderem den Anwendungsbereich der Richtlinie auf Kredite unter 200 Euro, unentgeltliche Kredite, alle Leasingverträge sowie Peer-to-Peer-Kredite ausdehnen, die vorvertraglichen Informationen auf das Wesentliche beschränken, vorab angekreuzte Kästchen bei Vertragsschluss verbieten, Wohlverhaltenspflichten und Zinsobergrenzen einführen, das Durchsetzungsregime effektivieren und die Schuldnerberatung stärken (COM[2021] 347 final).

Im Gesetzgebungsverfahren musste die EU-Kommission einige Abstriche hinnehmen. So wurde z.B. die Einbeziehung von Krediten über weniger als 200 Euro durch ein Mitgliedstaatenwahlrecht ein Stück weit verwässert. Entsprechendes gilt für zins- und gebührenfreie Kredite und solche, die innerhalb von drei Monaten zurückzuzahlen sind und nur geringe Kosten verursachen. Zudem wurde eine Vorschrift zum Erlöschen des Widerrufsrechts bei unzureichenden Angaben im Vertrag eingeführt (Art. 26 Abs. 2 VerbraucherkreditRL n.F.).

Ausweitung des Anwendungsbereichs

Kredite mit einem Gesamtbetrag von weniger als 200 Euro und innerhalb von drei Monaten rückzahlbare Kredite mit nur geringen Kosten fielen bisher aus dem Anwendungsbereich des deutschen und europäischen Verbraucherkreditrechts heraus (§ 491 Abs. 2 Nr. 1, 3 BGB, Art. 2 Abs. 2 lit. c, f VerbraucherkreditRL a.F.). Unentgeltliche Kredite hätte der deutsche Gesetzgeber nach der Altfassung der Richtlinie ebenfalls unreguliert lassen können (Art. 2 Abs. 2 lit. e, f VerbraucherkreditRL a.F.). Er hatte sich jedoch dagegen entschieden und stattdessen Sondervorschriften mit einer geringeren Regulierungsintensität erlassen (§§ 514 f. BGB).

Die Reform der Richtlinie hat diese Ausnahmen gestrichen, um den Verbraucherschutz zugunsten wirtschaftlich ohnehin schwach aufgestellter Konsumenten zu stärken. Allerdings finden sich immer noch einzelne „Restbestände“ der bisherigen Ausnahmen: Unentgeltliche kurzfristige Zahlungsaufschübe von Warenlieferanten oder Dienstleistungserbringern sind in bestimmten Fällen immer noch ausgenommen, wenn nur im Verzugsfall begrenzte Kosten nach nationalem Recht anfallen (Art. 2 Abs. 2 lit. h VerbraucherkreditRL n.F.). Außerdem können die Mitgliedstaaten Debitkarten mit Zahlungsaufschub unter bestimmten Voraussetzungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausnehmen (Art. 2 Abs. 5 VerbraucherkreditRL n.F.). Das ist ebenfalls ein Relikt der bisherigen Ausnahme nach Art. 2 Abs. 2 lit. f VerbraucherkreditRL a.F. Zudem erlaubt die Neufassung der Richtlinie es den Mitgliedstaaten, einige Richtlinienbestimmungen nicht auf Kredite über weniger als 200 Euro, unentgeltliche Kredite und innerhalb von drei Monaten rückzahlbare Kredite mit geringen Kosten anzuwenden (Art. 2 Abs. 8 VerbraucherkreditRL n.F.). Die Pflichtangaben in der Werbung, in der vorvertraglichen Information und im Vertrag können bei solchen Krediten dann etwas schlanker gehalten werden.

Ausgeweitet wurde der Anwendungsbereich der Richtlinie auch in Bezug auf Miet- und Leasingverträge. Sie sind nun auch dann erfasst, wenn sie dem Mieter bzw. Leasingnehmer eine Option zum Erwerb der ihm überlassenen Sache einräumen. Etwas großzügiger gefasst wurde demgegenüber die Ausnahme für Förderkredite (nun Art. 2 Abs. 2 lit. k VerbraucherkreditRL n.F.); hier wurde das bisherige Erfordernis eines nicht über dem Marktüblichen liegenden Zinssatzes gestrichen (Art. 2 Abs. 2 lit. l VerbraucherkreditRL a.F.).

Werbung für Verbraucherkredite: Warnhinweis und weitere Vorgaben

Die überarbeitete Richtlinie bringt auch Änderungen bei der Werbung für Verbraucherkredite mit sich. Sie muss künftig den Hinweis: „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld!“ oder eine gleichwertige Formulierung enthalten (Art. 8 Abs. 1 VerbraucherkreditRL n.F.). Zudem sind die Vorschriften zur Erteilung der schon bisher vorgesehenen Standardinformationen in der Werbung mit Blick auf die Möglichkeiten und Einschränkungen der verschiedenen (insb. digitalen) Werbemedien überarbeitet worden (s. etwa zu Beginn und am Ende von Art. 8 Abs. 3 VerbraucherkreditRL n.F.).

Die Mitgliedstaaten müssen künftig auch bestimmte Werbeaussagen verbieten. Das gilt etwa für die Aussage, ein Kredit würde die finanzielle Situation des Verbrauchers verbessern oder bestehende Kredite hätten nur einen geringen oder keinen Einfluss auf die Bewertung eines Kreditantrags (Art. 8 Abs. 7 VerbraucherkreditRL n.F.). Weitere Werbeaussagen können die Mitgliedstaaten nach ihrer Wahl verbieten, wie z.B. Werbung, die die Leichtigkeit oder Schnelligkeit der Kreditaufnahme hervorhebt oder einen Rabatt an die Inanspruchnahme eines Kredits knüpft (Art. 8 Abs. 8 VerbraucherkreditRL n.F.).

Neue Informationspflicht: Allgemeine Informationen über angebotene Kredite

Die Reform führt eine weitere Ebene der Informationsversorgung des Verbrauchers ein: Neben den schon bisher vorgeschriebenen Standardinformationen in der Werbung, den vorvertraglichen Informationen und den jeweiligen Erläuterungen dazu sowie den Pflichtangaben im Vertrag (Art. 4 f., 10 VerbraucherkreditRL a.F.; Art. 8 Abs. 3-4, Art. 10-12, Art. 21 VerbraucherkreditRL n.F.). müssen künftig allgemeine Informationen über die angebotenen Kredite bereitgestellt werden (Art. 9 VerbraucherkreditRL). So war es bisher nur im Anwendungsbereich der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (Art. 13 WohnimmobilienkreditRL, Art. 247a § 1 EGBGB) und – aufgrund eigener Entscheidung des deutschen Gesetzgebers – beim Überziehungskredit und der geduldeten Überziehung (Art. 247a § 2 EGBGB).

Vorvertragliche Pflichtangaben: Besonderheiten bei kurzfristigem Vertragsschluss

Die Reform bringt auch bei der vorvertraglichen Information Änderungen mit sich. Sofort ins Auge springt die künftig geltende Tagesfrist: Sie ist zwar abweichend vom ursprünglichen Richtlinienentwurf keine harte Rechtspflicht mehr, und auch die Wirksamkeit des Vertrags ist nicht daran geknüpft, dass der Verbraucher die vorvertraglichen Informationen mindestens einen Tag vor Beginn seiner rechtlichen Bindung erhält. Aber wenn das nicht der Fall ist, muss er künftig noch einmal ausdrücklich an sein Widerrufsrecht erinnert werden (Art. 10 Abs. 1 UAbs. 2 VerbraucherkreditRL n.F.). 

Auch die Gliederung der vorvertraglichen Informationen hat sich geändert. Die EU-Kommission wollte ursprünglich eine neue Kurzübersicht mit sechs besonders wichtigen Angaben einführen, u.a. dem Gesamtkreditbetrag, der Laufzeit und dem effektiven Jahreszins. Sie sollte dem Verbraucher alle wesentlichen Informationen in einer Handy-Display-tauglichen Form vermitteln (Kommissionsentwurf vom 30.6.2021, COM[2021] 347 final, S. 11). Damit konnte sich die EU-Kommission aber nicht durchsetzen. Stattdessen sind die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite umgegliedert worden. Vorab finden sich nun auf einer oder höchstens zwei Seiten einige besonders wichtige Informationen (Art. 10 Abs. 3-4 VerbraucherkreditRL n.F.).

Inhaltlich sind die Pflichtangaben geringfügig ausgebaut worden. Neu hinzugekommen sind z.B. weitere Kontaktinformationen des Kreditgebers und ggf. des Kreditvermittlers, ein Hinweis zu einer etwaigen individualisierten Preisgestaltung auf der Grundlage automatisierter Datenverarbeitung, sowie ein Warnhinweis und eine Erläuterung der rechtlichen und finanziellen Folgen der Nichteinhaltung sonstiger mit dem Kreditvertrag verbundener Pflichten (Art. 10 Abs. 3 lit. l, Abs. 5 lit. m, p VerbraucherkreditRL n.F.). 

Strengere Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung

Schon jetzt muss der Kreditgeber die Kreditwürdigkeit des Verbrauchers vor Vertragsschluss bewerten (Art. 8 VerbraucherkreditRL a.F.). Nach der nationalen Umsetzungsvorschrift darf er einen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nur schließen, wenn keine erheblichen Zweifel daran bestehen, dass der Darlehensnehmer seinen Pflichten nachkommen wird. Beim Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag muss die vertragsgemäße Leistungserbringung sogar wahrscheinlich sein (zu beidem § 505a Abs. 1 S. 2 BGB). Diese erhöhten Anforderungen beim Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag gehen auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurück (Art. 18 Abs. 5 lit. a WohnimmobilienkreditRL).

Mit Blick darauf ist nun die Verbraucherkreditrichtlinie nachgeschärft worden. Dementsprechend wird die Kreditwürdigkeitsprüfung künftig auch beim Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag zu dem Ergebnis führen müssen, dass die vertragsgemäße Leistung des Verbrauchers wahrscheinlich ist (Art. 18 Abs. 6 VerbraucherkreditRL n.F.). Zudem verlangt die Neufassung der Richtlinie eine „eingehende Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers“ (Art. 18 Abs. 1 S. 1 VerbraucherkreditRL n.F.) und damit mehr als die bisher verlangte Bewertung der Kreditwürdigkeit anhand ausreichender Informationen (Art. 8 Abs. 1 S. 1 VerbraucherkreditRL a.F.).

Neu ist auch die ausdrückliche Klarstellung im Richtlinientext, dass die Kreditwürdigkeitsprüfung im Interesse des Verbrauchers erfolgt, um unverantwortliche Kreditvergabepraktiken und Überschuldung zu verhindern (Art. 18 Abs. 1 S. 2 VerbraucherkreditRL n.F.). Sie entspricht der Rechtsprechung des EuGH (s. etwa EuGH, Urteil vom 27.3.2014 – Rs C-565/12), die insoweit in den Richtlinientext übernommen worden ist.

Vorgaben zur verantwortungsvollen Kreditvergabe

Die neue Verbraucherkreditrichtlinie definiert neben der Kreditwürdigkeitsprüfung weitere Vorgaben zur verantwortungsvollen Kreditvergabe. Diese gehen weit über die bisherige Fassung hinaus, können sich aber z.T. auf Vorbilder aus der Wohnimmobilienkreditrichtlinie stützen. Das gilt etwa für die Pflicht, ehrlich, redlich, transparent und professionell zu handeln und die Rechte und Interessen der Verbraucher zu berücksichtigen, sowie die darauf bezogenen Anforderungen an die Vergütung, die Kenntnisse und die Fähigkeiten der Mitarbeiter von Kreditgebern und Kreditvermittlern (Art. 32 f. VerbraucherkreditRL n.F.).  

In anderen Bereichen geht die Verbraucherkreditrichtlinie über die Vorgaben der Wohnimmobilienkreditrichtlinie hinaus. Das gilt etwa für die Pflicht der Mitgliedstaaten, den Verbraucher durch Obergrenzen oder andere Maßnahmen vor missbräuchlichen Geschäftspraktiken und übermäßig hohen Sollzinsen, effektiven Jahreszinsen oder Gesamtkosten zu schützen (Art. 31 VerbraucherkreditRL n.F.), sowie für das das Verbot vom Verbraucher nicht angeforderter Kredite (Art. 17 VerbraucherkreditRL). Praktisch vorstellbare Anwendungsfälle sind die Bereitstellung von Überziehungsmöglichkeiten oder Kreditkarten oder die Erhöhung des jeweiligen Limits ohne vorhergehende Anfrage vonseiten des Verbrauchers.

Weitere Vorgaben können hier nur angedeutet werden: Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung dürfen keine Daten der besonderen Kategorien nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO (z.B. Gesundheitsdaten) und keine Daten aus sozialen Netzwerken (Art. 19 Abs. 5 VerbraucherkreditRL) verarbeitet werden. Hinzu kommen weitere Verbraucherrechte im Rahmen der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten bei der Kreditwürdigkeitsprüfung und der Erstellung personalisierter Angebote (Art. 13, 18 Abs. 8 VerbraucherkreditRL n.F.), sowie die Information des Verbrauchers bei Ablehnung eines Kreditantrags aufgrund des Ergebnisses einer Datenbankabfrage (Art. 19 Abs. 6 VerbraucherkreditRL n.F.). Diese Vorgaben ergänzen die geltenden datenschutzrechtlichen Anforderungen (z.B. nach Art. 22 DSGVO, dazu aktuell EuGH, Urteil vom 7.12.2023 – Rs. C-634/21).

Überraschend weit: das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 der neuen Richtlinie

Mit der Reform neu eingeführt worden ist das Diskriminierungsverbot (Art. 6 VerbraucherkreditRL n.F. i.V.m. Art. 21 EU-Grundrechtecharta). Es bezieht sich nicht nur auf klassische verbotene Diskriminierungsmerkmale (z.B. Geschlecht, Hautfarbe, Religion, sexuelle Ausrichtung), sondern z.B. auch auf eine mögliche Diskriminierung aus Gründen der politischen Anschauung, des Vermögens oder des Alters. In Bezug auf die zuletzt genannten Punkte sind Streitigkeiten vorprogrammiert. Über eine mögliche Altersdiskriminierung im Zusammenhang mit der Kreditwürdigkeitsprüfung ist bereits viel diskutiert worden. Ebenso haben sich schon bisher schwierige Fragen bzgl. der Kreditanträge verfassungsfeindlicher Parteien und ihrer Funktionäre gestellt. Gänzlich neu hinzugekommen ist das Vermögen als grundsätzlich verbotener Diskriminierungsgrund. Allerdings bleiben Differenzierungen zulässig, soweit sie „durch objektive Kriterien hinreichend gerechtfertigt sind“ (Art. 6 UAbs. 2 VerbraucherkreditRL n.F.). Was das im Einzelnen bedeutet, werden die nationalen Gerichte im Wechselspiel mit dem EuGH zu klären haben.

Vertragsschluss, Vertragsänderung und die Rolle der Aufsicht im Vertragsrecht

Die neugefasste Richtlinie enthält eine Regelung zu voreingestellten Optionen in Vertragsformularen: Der Verbraucher kann durch eine solche Vorauswahl, z.B. ein vorab angekreuztes Formularfeld, kein wirksames Angebot zum Abschluss eines Kreditvertrags abgeben oder annehmen. Gleiches gilt für Verträge über Nebenleistungen (Art. 15 VerbraucherkreditRL n.F.).

Die Liste der Pflichtangaben im Vertrag ist an einzelnen Stellen überarbeitet und ergänzt worden (Art. 21 Abs. 1 VerbraucherkreditRL n.F., vgl. Buchstaben p, q, s und x). Abgesehen davon bleibt beim Vertragsschluss im Wesentlichen alles beim Alten. Gewisse Neuerungen gibt es immerhin bei Änderungsverträgen. Sie unterliegen nun dem gleichen Formerfordernis wie der Vertrag selbst (Art. 20 Abs. 1 Alt. 2 VerbraucherkreditRL n.F.). Das ist zwar auf europäischer Ebene neu, im deutschen Recht aber schon bisher anerkannt (BGH, Urteil vom 6. 12. 2005 – XI ZR 139/05 zur Form nach § 492 Abs. 1 BGB).

Auch aus nationaler Sicht neu ist die Informationspflicht für Vertragsänderungen nach Art. 22 der neu gefassten Richtlinie. Danach muss der Verbraucher über die vorgesehenen Änderungen und den Zeitrahmen hierfür informiert werden. Schwer nachvollziehbar ist hingegen die Pflicht, zusätzlich über bestehende Beschwerdemöglichkeiten gegen geplante Vertragsänderungen einschließlich der Bezeichnung und Anschrift der zuständigen Behörde zu informieren (Art. 22 lit. c-e VerbraucherkreditRL n.F.).

Hier wird deutlich, wie sehr der europäische Gesetzgeber vom klassischen Privatrechtsverständnis abweicht. Er regelt das verwaltungsrechtliche Instrumentarium breit und prominent. Dabei kann sich der Verbraucher am einfachsten und wirksamsten vor unerwünschten Vertragsangeboten schützen, indem er sie ablehnt. Diese Möglichkeit wird zwar nicht übersehen, aber nur nebenbei erwähnt. Trotzdem passt diese Änderung zum Rest der Richtlinie. Schließlich müssen die Mitgliedstaaten zur Anwendung und Durchsetzung der Richtlinie zuständige Behörden benennen (Art. 41 VerbraucherkreditRL n.F.). Auch sonst ist es nicht gänzlich neu, dass zivilrechtliche Normen auch durch Behörden durchgesetzt werden (s. etwa Art. 21 der EU-Verordnung 2017/2394 und Art. 246e EGBGB).

Überziehungskredit und geduldete Überziehung

Bisher waren kurzfristige, innerhalb eines Monats auszugleichende Überziehungen vom Anwendungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 lit. e VerbraucherkreditRL a.F.). Für Überziehungen, die auf Anforderung oder innerhalb von drei Monaten zurückzuführen waren, galten nur einzelne Richtlinienbestimmungen (Art. 2 Abs. 3 VerbraucherkreditRL a.F.). Zudem gab es für den Überziehungskredit spezielle, in Teilen abgemilderte Anforderungen an die vorvertragliche Information und die Pflichtangaben im Vertrag (Art. 5 Abs. 1-2, 4-5, Art. 10 Abs. 5 sowie das gesonderte Informationsblatt in Anhang III VerbraucherkreditRL a.F.).

Diese Ausnahmen und Sondervorschriften entfallen mit der Reform (so ausdrücklich Erwägungsgrund 15 VerbraucherkreditRL n.F.). Die Bestimmungen der Richtlinie und das allgemeine Informationsblatt nach Anhang I VerbraucherkreditRL n.F. gelten damit im Grundsatz auch für Überziehungskredite. Die Anforderungen an die regelmäßige Information des Verbrauchers durch Kontoauszüge sind hingegen weitgehend unverändert geblieben (Art. 24 VerbraucherkreditRL n.F. mit geringfügigen Ergänzungen und Präzisierungen). 
Für die in der Richtlinie als „Überschreitung“ bezeichnete geduldete Überziehung gelten weiterhin nur einige Artikel der Richtlinie (Art. 2 Abs. 4 VerbraucherkreditRL n.F. mit einem Mitgliedstaatenwahlrecht zur Kreditwürdigkeitsprüfung bei der geduldeten Überziehung). Die im Vertrag und sowie dann regelmäßig nach Vertragsschluss und im Fall einer mehr als einen Monat andauernden erheblichen Überschreitung jeweils zu erteilenden Informationen sind im Wesentlichen gleich geblieben. Das gilt auch für das Mitgliedstaatenwahlrecht bzgl. der Pflicht, dem Verbraucher im Fall einer Überschreitung von beträchtlicher Dauer ein anderes Kreditprodukt anzubieten (Art. 25 Abs. 3 VerbraucherkreditRL n.F.). Nimmt der Verbraucher regelmäßig geduldete Überziehungen in Anspruch, müssen ihm nun allerdings, soweit verfügbar, auch Beratungsdienstleistungen angeboten werden, und der Verbraucher ist kostenfrei an Schuldnerberatungsdienste zu verweisen (Art. 25 Abs. 2 UAbs. 3 VerbraucherkreditRL n.F.). 
Neu ist bei der geduldeten Überziehung und dem Überziehungskredit die Pflicht, den Verbraucher mindestens 30 Tage vor Wirksamwerden einer Kündigung oder Kürzung zu informieren und ihm die Rückzahlung des aufgelaufenen Betrags in zwölf gleichen Monatsraten zu den vertraglichen Sollzinsen zu ermöglichen (Art. 24 Abs. 3-4, 25 Abs. 4-5 VerbraucherkreditRL n.F.). Strengere nationale Vorgaben bleiben in bestimmtem Umfang möglich; auch das gilt für den Überziehungskredit und die geduldete Überziehung.

Widerruf und vorzeitige Rückzahlung

Eine punktuelle, aber bedeutende Änderung findet sich in Art. 26 Abs. 2 der neugefassten Verbraucherkreditrichtlinie: Die Widerrufsfrist endet spätestens 12 Monate und 14 Tage nach Vertragsschluss, auch wenn der Verbraucher den Vertrag und die darin aufzunehmenden Informationen nicht gemäß Art. 20 f. VerbraucherkreditRL n.F. erhalten hat. Anders ist es nur, wenn der Verbraucher nicht gemäß Art. 21 Abs. 1 UAbs. 1 lit. p VerbraucherkreditRL n.F. über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist.

Leider hat der europäische Gesetzgeber die Regelungen zur Bemessung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht präzisiert (Art. 29 VerbraucherkreditRL n.F.). Angepasst wurde aber die zugehörige Pflichtangabe im Vertrag. Danach ist „eine transparente und verständliche Erläuterung“ der Berechnung erforderlich (Art. 21 Abs. 1 lit. s VerbraucherkreditRL n.F., s. auch Erwägungsgrund 70). Diese Formulierung lehnt sich an das Volkswagen Bank-Urteil des EuGH an (EuGH, Urteil vom 9.9.202 – Rs. C-33/20 u.a.). 

Bei vorzeitiger Rückzahlung hat der Verbraucher zudem Anspruch auf eine anteilige Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits. Auch hier gibt es eine Änderung im Vergleich zum vorherigen Richtlinientext, die auf ein EuGH-Urteil zurückgeht (EuGH, Urteil vom 11.9.2019 – Rs. C-383/18 – Lexitor): Es ermäßigen sich auch die an sich nicht laufzeitabhängigen Positionen (Art. 29 Abs. 1 S. 3 und Erwägungsgrund 70 VerbraucherkreditRL n.F.).

Weitere Änderungen 

Neben den genannten Punkten bringt die Reform weitere Änderungen mit sich, die hier nur kurz skizziert werden können. So werden nach dem Vorbild der Wohnimmobilienkreditrichtlinie Bestimmungen zu Koppelungs- und Bündelungsgeschäften, Beratungsdienstleistungen, zur Finanzbildung der Verbraucher und zu Nachsichtsmaßnahmen bei Zahlungsrückständen erlassen (Art. 14, 16, 34, 35 VerbraucherkreditRL n.F.), die aber in Teilen inhaltlich darüber hinausgehen. Die Vorschriften über Kreditvermittler (Art. 37 f. VerbraucherkreditRL n.F.) weisen Parallelen zur Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf, auch wenn im Detail erhebliche Unterschiede bestehen. Neu ist demgegenüber die Regelung zur Schuldnerberatung in Art. 36 der neugefassten Verbraucherkreditrichtlinie.

Fazit

Die Verbraucherkreditrichtlinie ist grundlegend überarbeitet worden. Sie hat künftig einen deutlich weiteren Anwendungsbereich, weil verschiedene Ausnahmen ganz oder teilweise gestrichen oder durch begrenzte Mitgliedstaatenwahlrechte ersetzt wurden. Das betrifft vor allem bestimmte Kredite über geringe Geldbeträge, unentgeltliche Kredite und solche mit verhältnismäßig geringen Kosten und vergleichsweise kurzer Laufzeit.

Inhaltlich ist die Regulierungsschraube deutlich weiter angezogen worden. Werbung für Verbraucherkredite muss künftig einen Warnhinweis wie „Achtung! Kreditaufnahme kostet Geld“ enthalten. Es müssen allgemeine Informationen zu angebotenen Kreditarten bereitgestellt werden. Die vor Vertragsschluss zu erteilenden Informationen und die Anforderungen an die Kreditwürdigkeitsprüfung sind ausgeweitet worden. Der Vertragsschluss darf nicht durch voreingestellte Optionen herbeigeführt werden. Die Mitgliedstaaten müssen Vorgaben wie Zinsenobergrenzen einführen, um überhöhte Entgelte zu verhindern. Kredite dürfen nicht unverlangt eingeräumt werden, auch wenn es z.B. um die Einräumung oder Erhöhung eines Überziehungskredits geht. Es ist ein in manchen Punkten überraschend weitreichendes Diskriminierungsverbot eingeführt worden, das die ebenfalls hinzugekommenen Wohlverhaltenspflichten und die zugehörigen Vorgaben für die Mitarbeitervergütung bei Kreditgebern und -Vermittlern ergänzt. Weitere Vorgaben betreffen z.B. den Datenschutz (insb. in Bezug auf Gesundheitsdaten und Daten aus sozialen Netzwerken), Koppelungs- und Bündelungsgeschäfte, Beratungsdienstleistungen und Nachsichtsmaßnahmen bei Zahlungsrückständen. 

Die Kreditwirtschaft wird sich darauf einstellen müssen. Auch wenn dafür noch einige Jahre Zeit bleiben – die zu erlassenden Umsetzungsbestimmungen müssen ab dem 20.11.2026 angewendet werden – ist es sicher kein Fehler, die absehbar notwendigen Anpassungen an Prozessen, Vertragsmustern und Informationsdokumenten früh in Angriff zu nehmen.

Die Auswirkungen der neuen Vorgaben auf den Kreditmarkt werden sich erst in der Praxis zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass der vorgeschriebene Warnhinweis nicht umformuliert werden muss in: „Achtung, Kreditaufnahme kostet Geld, – und zwar immer mehr dank steigender regulatorischer Vorgaben!“

Dieser Beitrag wurde verfasst von Privatdozent Dr. Christoph Andreas Weber

Einer der Schwerpunkte der Praxisgruppe Litigation and Arbitration von PwC Legal ist die Vertretung von Kreditinstituten und anderen Unternehmen bei der Abwehr von Kollektiv- und Massenklagen, wobei auch state-of-the-art Legal Tech-Lösungen zum Einsatz kommen. Insbesondere bei dem schon bislang vorgesehenen Instrument des kollektiven Rechtsschutzes im deutschen Recht – der Musterfeststellungsklage – hat das Dispute Resolution Team umfangreiche Praxiserfahrungen. Gleiches gilt für die Abwehr von Verbandsklagen nach dem UKlaG. Darüber hinaus unterstützt und berät PwC Legal Kreditinstitute u.a. bei der Ausgestaltung ihrer Vertragsmuster und Informationsdokumente und dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Rechtsabteilung.