Umsatzsteuer auf Zytostatikazubereitungen: Urteil des BSG vom 9. April 2019
Das Bundessozialgericht (BSG) hat erstmalig am 9. April 2019 (Az. B 1 KR 5/19) zur Rückzahlungspflicht von Krankenhäusern von Umsatzsteuer auf Abgaben von Zytostatika Stellung bezogen.
Hierbei vertritt es wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinen kürzlich veröffentlichten Entscheidungen vom 20. Februar 2019 (Wir berichteten in Healthcare News, Ausgabe 54 vom März 2019) zu Rückforderungsansprüchen der privaten Krankenversicherungen eine vermittelnde Position. Im zu entscheidenden Fall ging es nur um die Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschalen für das Jahr 2010 aufgrund einer besonderen Arzneimittelpreisvereinbarung in Baden-Württemberg. Diese sieht in einer Fußnote zur Preisvereinbarung für den Fall der Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze einen fiktiven Umsatzsteueraufschlag vor. Ausgenommen hiervon ist nur die Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschalen von 16 Euro pro Verabreichung, die im Klagefall weniger als zwei Prozent, in der Regel etwa vier Prozent des Arzneimittelpreises ausmachen. Mit der Fußnotenregelung sollte insbesondere der Wegfall des Vorsteuerabzugs bei nachträglicher Umsatzsteuerfreiheit der Zytostatikaabgaben kompensiert werden.
Das BSG hat zwar dem Klagebegehren auf Rückerstattung der Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschale stattgegeben. Hierbei ist zu betonen, dass aber gerade nicht die gesamte Umsatzsteuer zurückgefordert werden konnte, sondern nur knapp über ein Prozent der gesamten – ursprünglich eingeklagten – Umsatzsteuer.
Rückforderungen der gesetzlichen Krankenkassen sind nur eingeschränkt möglich.
Das BSG hat in seiner mündlichen Urteilsbegründung die Wirksamkeit der Arzneimittelpreisvereinbarung zudem nicht in Frage gestellt. Vielmehr hat es eine ergänzende Vertragsauslegung der Fußnotenregelung vorgenommen und eine Regelungslücke für den hier gegebenen Fall festgestellt, dass ursprünglich eine umsatzsteuerpflichtige Behandlung gemäß der Finanzverwaltungsauffassung vorgenommen wurde, später durch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2019 die Umsatzsteuerfreiheit festgestellt wird und das Bundesfinanzministerium mit Schreiben vom 28. September 2016 ein Wahlrecht zum Beibehalt der umsatzsteuerfreien Behandlung gewährt, aber auch eine rückwirkend steuerfreie Behandlung der Umsätze zulässt. In diesem Fall habe die Krankenkasse einen Anspruch auf Rückforderung der Umsatzsteuer, die auf die Herstellungspauschale anfalle.
Der Wegfall des Vorsteuerabzugs sei durch die besondere Fußnotenregelung kompensiert.
Alternativ hat das BSG einen Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe festgestellt, wenn der Steuerbescheid nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs von 2014 nicht offen gehalten worden wäre.
Fazit
Die Entscheidung des BSG ist für die Krankenhäuser unseres Erachtens sehr positiv zu bewerten und deutet auf eine Anlehnung an die vermittelnde Rechtsprechung des BGH hin. Keinesfalls wird es auf Grundlage dieses Urteils zu Rückforderungen von Summen „in astronomischen Höhen“ kommen, wie manche erste Veröffentlichungen im Nachgang zum Verhandlungstermin dies möglicherweise implizieren.
In Baden-Württemberg ist der Weg nunmehr frei für Vergleichsverhandlungen zwischen Trägern und Kassen auf Grundlage der Fußnotenregelung in Höhe der Umsatzsteuer auf die Herstellungspauschalen. Mehr kann auch gerichtlich nicht von den Kassen gefordert werden.
Für die übrigen Bundesländer (ohne spezielle Regelung in den Arzneimittelpreisvereinbarungen) deutet die Argumentation des BSG über eine ergänzende Vertragsauslegung unseres Erachtens darauf hin, dass das BSG diese in Anlehnung an den BGH auch für Fälle von einfachen Nettopreisvereinbarungen anwenden würde. Das heißt, auch hier ist mindestens der Wegfall des Vorsteuerabzugs und eine eventuell nachteilige Verzinsung anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Alles weitere wird sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ergeben, die in ein bis zwei Monaten erwartet werden.