Vorsicht Haftung: Risiken für das Management während der Sanierung
Die Sanierung eines Unternehmens ist eine Phase, in der das Management nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rechtlich vor besonderen Herausforderungen steht. Die gesetzlichen Anforderungen an die Geschäftsleitung verschärfen sich in der Krise erheblich. Fehler können zu einer persönlichen Haftung führen, die existenzbedrohend sein kann. Im Folgenden werden die wichtigsten Haftungsrisiken für das Management während der Sanierung unter besonderer Berücksichtigung der maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften dargestellt. Abschließend folgt eine Handlungsempfehlung.
Ergänzend verweisen wir auf unseren Beitrag zum Thema „Pflicht zur Krisenfrüherkennung für die Geschäftsleitung“.
Haftungsrisiken im Überblick und gesetzliche Grundlagen
Die zentralen Haftungsrisiken für das Management während der Sanierung ergeben sich unter anderem aus folgenden gesetzlichen Regelungen:
- Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO)
- Zahlungsverbot nach Insolvenzreife (§ 64 GmbHG a.F., § 15b InsO n.F.)
- Sorgfaltspflichten der Geschäftsleitung (§ 43 GmbHG, § 93 AktG)
- Steuerliche Haftung (§ 69 AO)
- Haftung für Sozialversicherungsbeiträge (§ 266a StGB, § 823 BGB)
- Arbeitsrechtliche Pflichten (KSchG, BetrVG, BGB)
Insolvenzverschleppung und Zahlungsverbot
Gemäß § 15a InsO ist die Geschäftsleitung verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber innerhalb von drei Wochen, einen Insolvenzantrag zu stellen. Die Frist beginnt mit dem objektiven Eintritt der Insolvenzreife. Eine verspätete Antragstellung kann zu einer zivilrechtlichen Haftung für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden, führen (§ 15b InsO, vormals § 64 GmbHG). Zudem drohen strafrechtliche Konsequenzen (§ 15a Abs. 4 u. 5 InsO, § 283, 283c, 266a StGB).
Das Zahlungsverbot nach Insolvenzreife ist strikt: Nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung dürfen grundsätzlich keine Zahlungen mehr geleistet werden, es sei denn, diese sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar (§ 15b Abs. 1 InsO) z. B. Zahlungen, die zur Erhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend erforderlich sind).
Verletzung von Sorgfaltspflichten
Die Geschäftsleitung muss die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden (§ 43 GmbHG, § 93 AktG). In der Krise steigen die Anforderungen: Es ist eine fortlaufende Überwachung der wirtschaftlichen Lage erforderlich. Entscheidungen müssen auf einer sorgfältigen Informationsbasis getroffen werden. Unterlassene oder fehlerhafte Krisenmaßnahmen können zu Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft oder Dritter führen.
Steuerliche Pflichten und Haftung
Nach § 69 AO haften die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft persönlich für nicht abgeführte Steuern, wenn sie deren Zahlung vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht bewirken. Gerade in der Krise ist die Versuchung groß, Steuerzahlungen aufzuschieben. Dies ist jedoch ein gravierender Haftungsfaktor, da die Finanzbehörden regelmäßig die persönliche Haftung der Geschäftsleitung prüfen.
Sozialversicherungsbeiträge und strafrechtliche Risiken
Die Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung ist nach § 266a StGB strafbar. Die Geschäftsleitung haftet zudem zivilrechtlich für nicht abgeführte Beiträge. In der Krise ist daher besonders darauf zu achten, dass Sozialversicherungsbeiträge neben Steuerverbindlichkeiten vorrangig gezahlt werden.
Arbeitsrechtliche Vorschriften
Auch während der Sanierung sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften, insbesondere das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), strikt einzuhalten. Fehler bei Massenentlassungen, Sozialplänen oder der Beteiligung des Betriebsrats können zu erheblichen Schadensersatzansprüchen führen.
Handlungsempfehlung für das Management
Um die Haftungsrisiken während der Sanierung zu minimieren, sollte das Management folgende Maßnahmen erwägen und konsequent umsetzen:
- Laufende Liquiditätsüberwachung: Führen Sie ein tagesaktuelles Liquiditätscontrolling ein, um jederzeit die Zahlungsfähigkeit und eine mögliche Überschuldung beurteilen zu können.
- Frühzeitige Insolvenzantragsprüfung: Prüfen Sie bei Anzeichen einer Krise unverzüglich, ob Insolvenzreife vorliegt. Ziehen Sie im Zweifel frühzeitig einen insolvenzrechtlich versierten Berater hinzu.
- Dokumentation: Dokumentieren Sie alle wesentlichen Entscheidungen, insbesondere solche, die in der Krise getroffen werden. Dies ist im Haftungsfall von zentraler Bedeutung.
- Priorisierung von Zahlungen: Zahlen Sie Steuern und Sozialversicherungsbeiträge stets vorrangig. Prüfen Sie Zahlungsverpflichtungen und vermeiden Sie Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife nicht mehr zulässig sind.
- Sorgfältige Kommunikation: Informieren Sie Gesellschafter, Aufsichtsorgane und – soweit erforderlich – Gläubiger und Arbeitnehmervertretungen transparent über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft und geplante Maßnahmen.
- Einbindung von Beratern: Ziehen Sie frühzeitig Rechtsanwälte, Steuerberater und ggf. Sanierungsexperten hinzu, um Fehler zu vermeiden und die Haftungsrisiken zu minimieren.
- Regelmäßige Schulungen: Sensibilisieren Sie das gesamte Managementteam regelmäßig für die besonderen Pflichten und Risiken in der Krise.
Fazit
Die Sanierung eines Unternehmens ist für das Management mit erheblichen persönlichen Haftungsrisiken verbunden. Die gesetzlichen Anforderungen, insbesondere aus der Insolvenzordnung, dem GmbH-Gesetz, der Abgabenordnung und dem Strafrecht, sind strikt und lassen wenig Spielraum. Es ist daher unerlässlich, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu überwachen, alle gesetzlichen Pflichten zu erfüllen und im Zweifel frühzeitig professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
Das Management sollte sich bewusst sein, dass in der Krise nicht nur das Wohl des Unternehmens, sondern auch die eigene persönliche Haftung auf dem Spiel steht. Eine proaktive, transparente und dokumentierte Vorgehensweise, die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben und die enge Zusammenarbeit mit erfahrenen Beratern sind die besten Mittel, um Haftungsrisiken zu minimieren und die Sanierung erfolgreich zu gestalten. Wer diese Grundsätze beherzigt, kann nicht nur das Unternehmen retten, sondern auch die eigene Position schützen.