Gesellschaftsrecht

Keine Durchsetzbarkeit des Anspruchs des Sonderprüfers einer Aktiengesellschaft gegen Organmitglieder auf Aufklärungen und Nachweise nach § 145 Abs. 2 AktG

Verfasst von

Dr. Michael Zenker

Das OLG München hat im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens (Beschluss vom 4. November 2019, Az.: 7 W 1118/19) als Beschwerdeinstanz zu der Frage Stellung genommen, inwiefern ein von der Hauptversammlung nach § 142 AktG bestellter Sonderprüfer gerichtlich die Aufklärungs- und Nachweisrechte des § 145 Abs. 2 AktG durchsetzen kann.

Hintergrund

Nach § 142 Abs. 1 AktG kann die Hauptversammlung zur Prüfung u.a. „von Vorgängen bei der (…) Geschäftsführung“ einen Sonderprüfer bestellen. Der Vorstand hat nach § 145 Abs. 1 AktG dem Sonderprüfer zu gestatten, die Bücher und Schriften der Gesellschaft sowie die Vermögensgegenstände zu prüfen. Ferner kann der Sonderprüfer nach § 145 Abs. 2 AktG von den Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats alle Aufklärungen und Nachweise verlangen, welche die sorgfältige Prüfung der Vorgänge notwendig macht.

Unklar ist jedoch, ob und inwiefern die Rechte des Sonderprüfers nach § 145 Abs. 1 und Abs. 2 AktG gerichtlich durchsetzbar sind. Während die herrschende Ansicht im Schrifttum – jenseits eines möglichen Zwangsgeldverfahrens nach § 407 Abs. 1 AktG gegen Mitglieder des Vorstand – eine gerichtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche des Sonderprüfers auf Einsicht und Prüfung (vgl. § 145 Abs. 1 AktG) sowie der (flankierenden) Aufklärungs- und Nachweisrechte nach § 145 Abs. 2 AktG bislang verneinte, hatte das OLG München – soweit ersichtlich als bislang erstes Obergericht – nunmehr im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu dieser Frage Stellung zu nehmen.

Der Entscheidung lag (verkürzt) folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Hauptversammlung der Gesellschaft bestellte den Antragsteller zum Sonderprüfer zur Untersuchung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Wandlung von Optionsrechten in Aktien der Gesellschaft einschließlich der Gewährung einer Kompensationszahlung. Der Antragsteller verlangte von dem Vorstand der Gesellschaft Auskünfte und (konkret bezeichnete) Nachweise sowie einen Termin zur Prüfung von Geschäftsunterlagen. Nachdem dieses Ansinnen durch den Vorstand zurückgewiesen wurde, regte der Antragsteller bei dem zuständigen Registergericht die Festsetzung eines Zwangsgelds gegen den Vorstand an.

Ferner forderte der Antragssteller den Antragsgegner, ein Mitglied des Aufsichtsrats der Gesellschaft, auf, ihm ebenfalls näher beschriebene Unterlagen zu übermitteln und für eine Befragung durch den Sonderprüfer zur Verfügung zu stehen. Nachdem diesem Ansinnen nicht nachgekommen wurde, machte der Antragsteller seinen Anspruch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend.

Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung lehnte das Landgericht München I ab. Der dagegen erhobenen sofortige Beschwerde des Antragstellers half das Landgericht nicht ab, so dass das OLG München zu entscheiden hatte.

Entscheidung

Das OLG München wies die gegen die landgerichtliche Entscheidung erhobene sofortige Beschwerde zurück und entschied, wie zuvor das Landgericht München I (Beschluss vom 10. September 2019: Az.: 5 HK O 11537/19), dass eine gerichtliche Geltendmachung der Aufklärungs- und Nachweisrechte des Sonderprüfers nach § 145 Abs. 2 AktG nicht in Betracht komme. Dabei schloss sich das OLG München der Argumentation des Landgerichts an, wonach die unmittelbare gerichtliche Durchsetzung der Aufklärungs- und Nachweisrechte des Sonderprüfers aus systematischen Gründen ausscheide. Das Landgericht führte insbesondere aus, dass die Rechtstellung des Sonderprüfers nicht mit derjenigen eines besonderes Vertreters nach § 147 Abs. 1 AktG vergleichbar sei, dem ein eigenes, auch im Wege einer einstweiligen Verfügung durchsetzbares Auskunftsrecht zugestanden wird. Auch das im Schrifttum teils als klagbar erwogene Auskunftsrecht des Abschlussprüfers nach § 320 HGB rechtfertige – trotz vergleichbarer Rechtstellung  von Sonderprüfer und Abschlussprüfer (vgl. den Verweis auf § 323 HGB in § 144 AktG) –  nicht die Einräumung der Möglichkeit einer klageweisen Durchsetzung des Anspruchs nach § 145 Abs. 2 AktG.

Zusätzlich führt das OLG München aus, dass der Gesetzgeber die Rechte des Sonderprüfers nach § 145 Abs. 1 und 2 AktG als „stumpfes Schwert“ ausgestaltet habe, was keiner Korrektur durch die Rechtsprechung bedürfe, denn: Durch die fehlende pflichtwidrige Mitwirkung von Vorstand und Aufsichtsrat an einer wirksam beschlossenen Sonderprüfung werde belegt, dass diese Organe „etwas zu verbergen“ hätten. Damit werde der Zweck der Sonderprüfung zumindest indirekt erfüllt.

Selbst wenn man dies anders beurteilen wollte, fehlt es nach Ansicht des OLG München auch an einem Verfügungsgrund. Insbesondere erschließt sich dem Gericht nicht, warum eine Auswertung der begehrten Unterlagen nicht auch noch nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens erfolgen könne.

Praxishinweis

Auch wenn sich die Entscheidung des OLG München unmittelbar nur mit der gerichtlichen Durchsetzung von Aufklärungs- und Nachweisrechten gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern beschäftigt, lässt sich der Begründung der Entscheidung entnehmen, dass die fehlende gerichtliche Durchsetzbarkeit des Anspruchs auch gegenüber Mitgliedern des Vorstands besteht. Die Entscheidung bestätigt somit die im Schrifttum vorherrschende Auffassung, dass der Sonderprüfer gegenüber Vorstandmitgliedern und Mitgliedern des Aufsichtsrats seine Aufklärungs- und Nachweisrechte nach § 145 Abs. 2 AktG nicht unmittelbar gerichtlich durchzusetzen vermag.

In der Praxis dürfte die fehlende unmittelbare Durchsetzbarkeit der Aufklärungs- und Nachweisrechte jedoch nicht dazu führen, dass Organmitglieder dies als Freibrief begreifen, Auskunftsverlangen von Sonderprüfern zu ignorieren. Im Falle von Mitgliedern des Vorstands verbleibt zunächst die Möglichkeit, dass die zuständigen Gerichte ein Zwangsgeld nach § 407 Abs. 1 AktG verhängen können. Zudem verhalten sich Organmitglieder, die sich berechtigten Auskunftsverlangen verweigern, pflichtwidrig und setzen sich so der Gefahr von Schadensersatzansprüchen aus.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass der Sonderprüfer über das Ergebnis der Prüfung schriftlich zu berichten hat (§ 145 Abs. 6 Satz 1 AktG). Für den Fall, dass prüfungsgegenständliche Vorgänge nicht vollständig durch den Sonderprüfer aufgeklärt werden konnten – etwa weil sich die Organmitglieder an der Aufklärung nicht beteiligen – ist dieser Umstand offenzulegen und zu begründen. Diese fehlende Mitwirkung (und somit der Umstand, dass die Organe ggf. etwas zu „verbergen“ haben) wird der nächsten Hauptversammlung nach Bestellung des Sonderprüfers, deren Tagesordnung den Bericht des Sonderprüfers zum Gegenstand zu haben hat (vgl. § 145 Abs. 6 Satz 5 AktG), nicht verborgen bleiben.  Zudem begründet die Pflicht zur Einreichung des Prüfungsberichts zum Handelsregister gemäß § 145 Abs. 6 Satz 3 AktG für die betroffenen Organmitglieder zusätzliche „unliebsame“ Publizität ihrer fehlenden Mitwirkung.

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