Hasspostings in Sozialen Netzwerken – welche Pflichten kommen auf Telemedienanbieter und Telekommunikationsanbieter zu?
In den letzten beiden Jahren geriet die Diskussion um Hass und rechtsextreme Hetze in sozialen Netzwerken vermehrt in den Mittelpunkt der Politik und Justiz. Es wurde ein neues Maß an Drohungen, Beschimpfungen und Beleidigungen in sozialen Netzwerken wahrgenommen. Zuletzt offensichtlich geworden unter anderem durch die Vorgeschichte der Anschläge auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 und das derzeit laufende Strafverfahren vor dem dortigen Landgericht.
Dem wollte der Gesetzgeber entgegentreten – und muss nun nachbessern. Die nun vorzunehmenden Weichenstellungen haben rechtliche Auswirkungen auf verschiedene Beteiligte, betroffen sind vor allem Telemedienanbieter und Telekommunikationsanbieter.
Der Entwurf des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) sieht in seiner Gesamtheit Maßnahmen zur intensiveren wie auch sogleich effektiveren Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vor.
Dreh- und Angelpunkt ist die Verpflichtung sozialer Netzwerke, dem Bundeskriminalamt (BKA) als Zentralstelle bestimmte strafbare Inhalte zu melden, welche in den sozialen Netzwerken durch eine Beschwerde von Nutzern oder anderen Personen bekannt geworden sind. Implementiert werden soll diese Pflicht im bestehenden Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetz-ungsgesetz – NetzDG). Zu melden seien insbesondere Morddrohungen, Volksverhetzung und ähnliche Delikte. Kommt ein Betreiber eines Telemediendienstes der Verpflichtung zur Errichtung eines solchen Meldesystems nicht nach, so soll hierfür ein Bußgeld verhängt werden können.
Zur effektiven Strafverfolgung sei es außerdem notwendig, dass die Tatverdächtigen identifiziert und Beweise gesichert werden können. Voraussetzung hierfür ist eine Klarstellung in der Strafprozessordnung, dass die Erhebung von Nutzungs- und Bestandsdaten bei den Telemediendiensten unter den gleichen Voraussetzungen wie bei den Telekommunikationsdienstleistern möglich sein muss. Zur Gewährleistung einer validen Datengrundlage wird im Telemediengesetz (TMG) eine Pflicht verankert, wonach die Telemediendienste den gleichen Auskunftsverpflichtungen unterliegen wie sie bereits für Telekommunikationsdienste bestehen. Das Paket komplettiert eine Änderung des Bundeskriminalamtgesetzes (BKAG), die dem BKA insoweit eine Zentralstellenaufgabe zuschreibt.
Dieser Gesetzentwurf mit den genannten Änderungen bezogen auf die Meldungen von Hasspostings und ähnlichen strafrechtlich relevanten Äußerungen wurde am 18. Juni 2020 vom Bundestag und am 3. Juli 2020 vom Bundesrat beschlossen. Das Gesetz gegen Hasskriminalität und Rechtsextremismus ist noch nicht in Kraft getreten und befindet sich zum momentanen Zeitpunkt zur Ausfertigung beim Bundespräsidenten, der freilich wegen verfassungsrechtlicher Bedenken seine Unterschrift bislang nicht gesetzt hat.
Aus dem politischen Umfeld gab es bereits während des parlamentarischen Verfahrens verschiedene Verlautbarungen, dass die durch den Gesetzentwurf angeleiteten Neuregelungen mit dem Grundgesetz nicht im Einklang stünden. Wasser auf ihre Mühlen bekommen haben diese Bedenken durch einen zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. des Ersten Senats v. 27. Mai 2020 – 1 BvR 1873/13 u. a. –, Bestandsdatenauskunft II), der das bestehende System der Bestandsdatenauskunft im Telekommunikationsgesetz (TKG) sowie in verschiedenen Sicherheitsgesetzen beanstandet und für weitestgehend verfassungswidrig erklärt hat. Die im TKG und den Sicherheitsgesetzen normierten Regelungen für eine Abfrage von Bestandsdaten seien nicht ausreichend an verfassungsrechtlich notwendige Voraussetzungen geknüpft, was nicht genüge, um den Eingriff unter anderem in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG zu rechtfertigen.
Die gegen die Bestandsdatenauskunft im TKG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Argumente gelten weitestgehend auch für das durch den unter I. beschriebenen Gesetzentwurf, soweit dieser ein Meldesystem mit verschiedenen Pflichten und Rechten zwischen Telemediendienstbetreiber und BKA vorsieht. Insofern fehlt es vor allem an hinreichenden Hürden für die Übermittlung und auch – auf der anderen Seite – für die Verarbeitung durch das BKA. Insbesondere sind hier nicht nur bloße Bestandsdaten betroffen, sondern gleichsam auch Inhalts- bzw. Nutzungsdaten, die tendenziell seitens des Staates stärker zu schützen sind. Zwar besteht durchaus ein Rechtfertigungsgrund, strafbare Inhalte zu melden – jedoch liegt zu diesem Zeitpunkt ein bloßer Verdacht einer strafbaren Handlung vor, für dessen Ermittlung bestimmte Nutzungsdaten (die gleichwohl nach dem Gesetzentwurf übermittelt werden sollen) nicht notwendig sein dürften.
Ob der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung noch zur Ausfertigung gelangt, ist offen. Deutlich ist jedoch, dass die damit verbundenen rechtlichen Zweifel, ohne eine entsprechende Anpassung kaum noch aus der Welt zu schaffen sein werden. Hierfür wird bereits seit längerem ein sogenanntes Zwei-Stufen-Verfahren beziehungsweise ein Quick-Freeze-Verfahren vorgeschlagen, das die bisherigen rechtlichen Mängel weitestgehend ausräumen soll. Modus eines solchen Verfahrens wäre es z. B. (vgl. Bäcker, Rechtsgutachten im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, S. 20), dass die im Streit stehenden Nutzungsdaten durch die Telemedienanbieter nicht direkt und vollständig an das BKA übermittelt werden, sondern zunächst an den jeweiligen Telekommunikationsanbieter. Dem BKA werde nur der Sachverhalt, das Hassposting selbst übermittelt. Der Telekommunikationsanbieter könne sodann verpflichtet werden, die Identität des Nutzers zu ermitteln und dieses Bestandsdaten sodann dem BKA auf Anfrage zu übermitteln, so dass eine vorherige Verdachtsprüfung nicht mehr notwendig sei.
Absehbar ist bereits, dass Telemedienanbieter künftig verpflichtet sind an einem Meldeverfahren teilzunehmen, sei es nun direkt an das BKA oder über die Vermittlerfunktion des Telekommunikationsdienstleisters bei der Schaffung eines Quick-Freeze-Verfahrens. Dieses Verfahren muss zum einen rechtssicher ausgestaltet sein – insbesondere mit Blick auf Belange des Schutzes personenbezogener Daten –, aber andererseits auch zur effektiven Kooperation mit den Sicherheitsbehörden geeignet sein. Für Telekommunikationsdienstleister könnte die Inanspruchnahme bei einem solchen zweistufigen Verfahren dazu führen, dass sie zunächst gewissermaßen als „Datentreuhänder“ fungieren. Entsprechende Vorkehrungen können und sollten die Verantwortlichen bereits jetzt treffen. Dazu gehört insbesondere die Definition von Übertragungspflichten konkret bezogen auf die jeweils betriebene und unterstützte Plattform. Ferner gilt es, hier auch aus technischer Sicht, eine Lösung zur Umsetzung der kommenden Übermittlungspflichten vorzubereiten. Schließlich sollte sich auch die öffentliche Hand auf die neuen Pflichten einstellen – und in einem ersten Schritt die von ihr betriebenen kritischen Plattformen identifizieren und rechtlich einordnen. Nicht zuletzt stellt sich die Frage sowohl für Telemedien- wie auch für Telekommunikationsbetreiber wie mit Anfragen von Sicherheitsbehörden umzugehen ist, bei denen eine valide, rechtlich angeleitete Abruflage möglicherweise fehlt.
Die Experten der PwC Legal verfügen über langjährige Erfahrung auf dem Gebiet des Telekommunikations-, Telemedien- und des damit verbundenen öffentlichen Sicherheitsrechts und können Sie hierbei kompetent unterstützen. Sprechen Sie uns bei Fragen diesbezüglich gerne an.