Gesellschaftsrecht

Die neue Börsenmantelaktiengesellschaft: SPACs nach deutschem Recht

Verfasst von

David Santa

Dr. Georg Haas

Am 14. Dezember 2023 wurde das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2023 I Nr. 354 vom 14.12.2023). Neben weiteren wichtigen gesellschaftsrechtlichen Neuerungen wie der Mehrstimmrechtsaktie und der Kryptoaktie (im Einzelnen hierzu unser Beitrag vom 8. Dezember 2023) führt das ZuFinG die Börsenmantelaktiengesellschaft ein, die das Modell der sog. Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) künftig nach deutschem Recht ermöglicht.

A. Überblick

SPACs sind insbesondere in den USA seit Jahrzehnten ein bekanntes und – abhängig von gesamtwirtschaftlichen und globalen Faktoren – beliebtes Instrument. Vor allem Niedrigzinspha-sen führten in der Vergangenheit zu einer starken Nachfrage nach SPACs. Weltweit nahm seit dem Jahr 2020 die Anzahl von SPACs stark zu, wobei sich der Fokus vermehrt auf erneuerbare Energien und Elektromobilität richtete.

Bei SPACs handelt es sich um Gesellschaften, die ausschließlich als Investitionsvehikel dienen. Sie verfügen über kein eigenes operatives Geschäft, sondern werden allein für den Zweck gegründet, an die Börse gebracht zu werden und dort Kapital einzusammeln. Anschließend wird eine vor oder nach dem Börsengang identifizierte Zielgesellschaft mithilfe der geschöpften Mittel erworben (sog. De-SPAC-Transaktion oder Zieltransaktion).

Der wesentliche Vorteil von SPACs besteht darin, dass ihr Börsengang weniger aufwändig und zeitintensiv ist als ein regulärer Börsengang der Zielgesellschaft. Den Investoren bietet das SPAC-Modell dahingehend Sicherheit, dass ihnen die geleisteten Einlagen in der Regel – zum Teil verzinst – zurückgewährt werden, falls die Akquisition einer operativen Gesellschaft durch die SPAC ausbleibt. Ferner bietet es die Möglichkeit, zu einem Zeitpunkt in das Investment einzusteigen, der sonst Private Equity Investoren vorbehalten sein dürfte. Für die Gesellschafter der zu erwerbenden Gesellschaft bietet die De-SPAC-Transaktion eine zusätzliche Möglichkeit für einen Exit.

B. Herausforderungen und Hindernisse der aktuellen Rechtslage

Bislang stand der Rechtsrahmen in Deutschland einer effizienten Nutzung des SPAC-Modells insbesondere aufgrund der strengen Regelungen des Aktienrechts entgegen.

Das deutsche Recht sieht für Aktiengesellschaften strenge Vorgaben für die Kapitalaufbringung- und -erhaltung vor. Nach § 36 Abs. 2 AktG ist das Grundkapital zur freien Verfügung des Vorstands einzuzahlen. Damit ist die bewährte Regelung bei SPACs, dass das im Börsengang eingesammelte Kapital bis zur Durchführung der De-SPAC-Transaktion auf ein Treuhandkonto zum risikolosen Marktzins angelegt wird, nach aktueller Rechtslage nicht abzubilden. Auch ein weiterer Hauptpfeiler des SPAC-Modells, die Rückzahlung der Investments im Falle des Ausbleibens der De-SPAC-Transaktion, steht in Widerspruch zum geltenden Recht. Denn nach § 57 Abs. 1 und 2 AktG ist die Rückzahlung der Einlagen sowie deren Verzinsung unzulässig.

C. Die Umsetzung der Börsenmantelaktiengesellschaft

Die Einführung der Börsenmantelaktiengesellschaft durch das ZuFinG erfolgt in den §§ 44-47b BörsG n.F.

1.    Besonderheiten der BMAG

In § 44 Abs. 1 BörsG n.F. wird die neue Börsenmantelgesellschaft zunächst definiert als „Gesellschaft zur Erreichung der eigenen Börsenzulassung.“ Der Rechtsformzusatz darf in allgemeinverständlicher Weise abgekürzt werden (z.B. BMAG, BöMAG). 

Der Unternehmensgegenstand der BMAG besteht sodann in der Verwaltung eigenen Vermö-gens sowie der Vorbereitung und Durchführung des Erwerbs einer nicht börsennotierten Zielgesellschaft mit operativem Geschäft (sog. „Zieltransaktion“). Es kann jeder Erwerbsvorgang inklusive Umwandlungsmaßnahmen gewählt werden, wobei mindestens drei Viertel der Anteile (Share Deal) oder das gesamte Vermögen (Asset Deal) erlangt werden müssen.

Die Einlagen (und ggf. Agio) müssen von einem Treuhänder (Notar oder Kreditinstitut) gehalten werden. Hingegen darf der Vorstand keinen Zugriff auf diese Mittel haben.

2.    Zieltransaktion

Der Vorstand hat vor Durchführung der Zieltransaktion einen Bericht zu erstellen, der die Zieltransaktion beschreibt und die Angemessenheit der Gegenleistung im Verhältnis zum Wert der Zielgesellschaft rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet.

Über die Durchführung der Zieltransaktion wird schließlich mit einem Quorum von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals entschieden.

Die Satzung der BMAG hat zwingend eine Satzungsregelung über die Frist zur Durchführung der Zieltransaktion zu enthalten, die zwischen 24 und 36 Monaten betragen darf. Die Frist beginnt mit dem Tag der Zulassung der Aktien zum Handel am regulierten Markt und kann durch satzungsändernden Beschluss jeweils um 12 Monate verlängert werden, solange die Frist insgesamt 48 Monate nicht übersteigt.

3.    Widerspruchs- und Andienungsrecht

Aktionäre, die der Durchführung der Zieltransaktion widersprochen haben, können innerhalb von zwei Monaten nach Beschlussfassung die Rückzahlung ihrer Einlagen (ggf. zzgl. Agio) von der BMAG verlangen.

Abweichend von gängigen SPAC-Modellen ist das Andienungsrecht der Aktionäre dahingehend beschränkt, dass nur Aktionäre, die der Durchführung der Zieltransaktion aktiv widersprochen (also ihren Widerspruch zur Niederschrift erklärt) haben, in den Genuss eines Andienungsrechts kommen. In anderen Jurisdiktionen ist der Widerspruch zum Teil keine Voraussetzung für die Ausübung eines Andienungsrechts. Der deutsche Gesetzgeber will damit und in Kombination mit dem für die Durchführung der Zieltransaktion erforderlichen Quorum von drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals sicherstellen, dass maximal ein Viertel des ursprünglich eingezahlten Grundkapitals aufgrund von Rückzahlungen abfließt.

4.    Beendigung der Börsenmantelaktiengesellschaft

Wenn eine Zieltransaktion durchgeführt wurde, wird die BMAG als ordentliche Aktiengesellschaft ausschließlich nach den Vorschriften des Aktiengesetzes fortgeführt (§ 47b Abs. 1 BörsG n.F.).

Sofern die Zieltransaktion nicht durchgeführt wurde, wird die BMAG aufgelöst und die Einlagen an die Aktionäre zurückgezahlt. Die Sperrfrist für die Vermögensverteilung ist insoweit von einem Jahr auf zwei Monate reduziert worden.

Alternativ kann für den Fall, dass die Zieltransaktion nicht durchgeführt wird, mit ¾-Mehrheit die Fortführung der BMAG als Aktiengesellschaft beschlossen werden. In diesem Fall ist ein Antrag auf Delisting zu stellen und den Aktionären, die der Fortführung als Aktiengesellschaft widersprochen haben, ein Kaufangebot zu unterbreiten. Dieses darf nicht unterhalb des Ausgabebetrags der Aktien (ggf. zzgl. Agio) liegen.

D. Ausblick

Die Regelung einer deutschen SPAC in Form der Börsenmantelaktiengesellschaft ist dem Gesetzgeber im Wesentlichen gelungen. Die Implementierung trägt dem Anleger- und Gläubiger-schutz unter Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Rechtsform angemessen Rechnung. Die Verzahnung mit dem Recht der ordentlichen Aktiengesellschaft erscheint zweckmäßig.

Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Hindernisse, die der Realisierung des SPAC-Modells in einer deutschen Rechtsform bislang entgegenstanden, überwiegend beseitigt hat und sich in der Ausgestaltung zwar eng an den bewährten SPAC-Modellen orientiert, jedoch mit vereinzelten Besonderheiten einen eigenen Weg gewählt hat.

Der Rechtsformzusatz als „Börsenmantelaktiengesellschaft“ ist hingegen vor dem Hintergrund der internationalen Bekanntheit und Geläufigkeit des Begriffs SPAC tendenziell misslungen. Es bleibt abzuwarten, ob die Rechtsform vom Markt angenommen wird oder ob weiterhin auf bewährte SPAC-Modelle anderer Jurisdiktionen zurückgegriffen wird.