Gesellschaftsrecht

Das FüPoG II kommt – und was es mit sich bringt

Verfasst von

Dr. Karl Küpper

Mit dem „Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhaben von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ hat der Bundestag am 11.6.2021 nunmehr den Nachfolger des „FüPoG I“ beschlossen, der an die bisherige, positive Entwicklung, den Anteil von Frauen in Führungspositionen großer Unternehmen zu fördern, anknüpfen will.

Das am 25.6.2021 vom Bundesrat gebilligte Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) sieht erstmals ein gesetzliches Mindestbeteiligungsgebot von Frauen und Männern in Vorständen börsennotierter und mitbestimmter Gesellschaften vor und führt einige Änderungen bezüglich der Zielgrößenfestlegung ein – insbesondere die Festlegung auf eine null Prozent Quote wird fortan erschwert.

Dieser Blogbeitrag befasst sich mit den zentralen gesetzlichen Änderungen, die das FüPoG II für die Privatwirtschaft mit sich bringen wird und skizziert die Folgen für die Praxis. Dies soll namentlich anhand des Beispiels der Aktiengesellschaft illustriert werden.

Hintergrund

Durch die Einführung des „Erste Führungspositionen-Gesetz“ (FüPoG I) im Jahre 2015, das u.a. erstmals einen rechtlich verbindlichen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent für Aufsichtsräte börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Gesellschaften vorschrieb (vgl. § 96 II AktG), hat es eine positive Entwicklung hinsichtlich des Frauenanteils in ebensolchen Aufsichtsräten gegeben. So ist der Frauenanteil in Aufsichtsräten erfasster Unternehmen von 23 Prozent im Jahr 2015 auf 34 Prozent im Jahr 2019 gestiegen.

Zwar ist seit der Einführung des FüPoG I auch ein gewisser Trend bei der Beteiligung von Frauen in Führungspositionen zu beobachten – so hat etwa seit diesem Jahr bei 22 von 25 im DAX gelisteten Unternehmen mindestens eine Frau einen Vorstandsposten inne. Gleichwohl ist der Frauenanteil in Vorständen börsennotierter Unternehmen von 6 Prozent im Jahr 2015 auf lediglich 10 Prozent im Jahr 2019 gestiegen. Genau an dieser Problematik möchte nun das FüPoG II anknüpfen.

Die Änderungen im Einzelnen

  1. Vorstand

Die wichtigsten Neuerungen bezüglich des Vorstandes im Aktienrecht betreffen § 76 AktG. Im neu kodifizierten Absatz 3a findet sich von nun an das neu eingeführte Mindestbeteiligungsgebot. Dieses sieht vor, dass der Vorstand einer paritätisch mitbestimmten, börsennotierten Aktiengesellschaft, der aus mehr als drei Mitgliedern besteht, künftig zwingend mindestens eine Frau und einen Mann als Mitglied haben muss (sog. Geschlechterquote).

Wird ein Vorstandsmitglied unter Verstoß gegen dieses Beteiligungsgebot bestellt, ist dessen Bestellung nichtig.

Von dieser Regelung würden derzeit 66 Unternehmen betroffen sein, von denen aktuell 24 keine Frau im Vorstand haben.

Zu beachten bleibt, dass die neue Regelung nur dann greift, wenn die betroffene Aktiengesellschaft (i.) börsennotiert ist, (ii.) der gesetzlichen Mitbestimmung unterliegt und (iii.) der Vorstand aus mehr als drei Mitgliedern besteht. Diese Voraussetzungen müssen also kumulativ vorliegen. Für letztere ist im Übrigen der tatsächliche Ist-Bestand an Mitgliedern maßgeblich und nicht ein davon abweichender Wert in der Satzung.

Jedoch muss die neue gesetzliche Pflicht nicht unmittelbar umgesetzt werden – das entsprechend geänderte EGAktG sieht eine Übergangsfrist vor, nach der das Mindestbeteiligungsgebot erst für Bestellungen von Vorständen gelten soll, die ab Beginn des achten auf das Inkrafttreten des FüPoG II folgenden Kalendermonats erfolgen. Bestehende Mandate sollen zudem bis zu ihrem jeweils vorgesehenen Ende wahrgenommen werden können.

Ferner gilt gem. § 111 V 7 AktG-E die Pflicht zur Zielgrößenvorgabe nach § 76 IV AktG-E für den Vorstand dann nicht, wenn der Vorstand bereits dem Mindestbeteiligungsgebot gemäß § 76 IIIa AktG-E unterliegt. Hierfür müssen die oben aufgeführten Voraussetzungen des § 76 IIIa AktG-E jedoch kumulativ vorliegen.

  1. Führungspositionen n-1 und n-2

Auch die Führungspositionen in den beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstandes werden vom FüPoG II erfasst. So muss bei Gesellschaften, die börsennotiert sind oder der Mitbestimmung unterliegen, künftig neben der Vorgabe der Zielgrößen des Frauenanteils auch die angestrebte Anzahl der Frauen enthalten sein, § 76 IV 2 AktG-E. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bis dato häufig nur ein Frauenanteil in Prozent angegeben wurde, ohne dass eine konkrete Anzahl festgelegt werden musste. Durch diesen Zusatz soll erreicht werden, dass nur noch solche Prozentzahlen für die geplante Zielgröße gewählt werden, welche angesichts der Besetzungszahl eine volle Person ergeben würden. Prozentangaben, die vormals keine volle Person ergaben, laufen also damit künftig ins Leere.

Bezüglich einer Zielgrößenvorgabe von null Prozent wird durch das FüPoG II nun eine besondere Begründungspflicht kodifiziert. Seit Einführung des FüPoG I haben ca. 70 Prozent der Unternehmen, die unter dessen Anwendungsbereich fielen, ihre Zielgröße mit null Prozent angesetzt. Diese Schwäche hat der Gesetzgeber erkannt und tritt dem nunmehr durch den Zusatz der Begründungspflicht in §§ 76 IV 3, 4 AktG-E entgegen. So müssen künftig folgende kumulative Anforderungen neben der Begründung an sich erfüllt sein, damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wahl einer Zielgrößenvorgabe von null Prozent zulässig wären:

  • die Begründung muss ausführlich die Erwägungen darlegen, die der Vorstand seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, § 76 IV 4 AktG-E;
  • die Erwägungen, die der Vorstand zur Zielgrößenfeststellung anstellt, müssen wiedergabefähig zu protokollieren sein, damit sie in der Erklärung zur Unternehmensführung veröffentlicht werden können. Somit wird die Begründung zum Gegenstand der Berichtspflichten i.S.d. §§ 289f II Nr. 4, 289 IV HGB-E im Lagebericht.
  1. Aufsichtsrat

Die neuen Pflichten des Vorstands treffen auch den Aufsichtsrat. So wird die Verpflichtung zur Vorgabe von Zielgrößen für den Frauenanteil bei börsennotierten Aktiengesellschaften oder solchen, die der Mitbestimmung unterliegen, auch auf den Aufsichtsrat erweitert, indem diese in § 111 V 2 AktG-E aufgenommen wird. So müssen die Zielgrößen für den Aufsichtsrat die jeweils angestrebte Anzahl der Frauen und den angestrebten Frauenanteil am jeweiligen Gesamtgremium beschreiben. Ferner wird auch hier eine besondere Begründungspflicht bei einer Zielgrößenvorgabe von null Prozent etabliert. Dabei gelten dieselben Voraussetzungen wie beim Vorstand, da es sich bei § 76 IV und § 111 V AktG um Parallelvorschriften handelt.

In entsprechender Weise werden die soeben beschriebenen Neuerungen für Vorstände und Aufsichtsräte ebenfalls für die börsennotierte SE (dualistisch und monistisch) sowie für die Geschäftsführung und den Aufsichtsrat bestimmter Formen mitbestimmter GmbHs eingeführt.

Ausblick

Die neuen Regelungen des FüPoG II, zuvorderst die Einführung einer gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in Vorständen, die dem FüPoG II unterliegen, wird die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen mit einiger Wahrscheinlichkeit weiter vorantreiben. Der Kreis der Gesellschaften, die unter den Anwendungsbereich fallen werden, ist nicht zu vernachlässigen und könnte Signalwirkung auch für nicht börsennotierte Gesellschaften haben. Insoweit kann festgestellt werden, dass der Regelungsgehalt gegenüber dem FüPoG I insgesamt wirksam erweitert wurde.

Der Gesetzesentwurf zeigt jedoch auch Schwächen – so sieht dieser zwar beispielsweise eine besondere Begründungspflicht bei einer Zielgrößenwahl von null Prozent vor, berücksichtigt jedoch nicht den Fall der Festlegung einer Quote, die unwesentlich höher liegt. Zwar müssen die Zielgrößen die für die jeweilige Führungsebene angestrebte Anzahl der Frauen und den angestrebten Frauenanteil an der jeweiligen Führungsebene beschreiben, jedoch kann dadurch auch bei größeren Gremien die Quote von nur einer Frau festgelegt werden, ohne dass es einer besonderen Begründung bedarf.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie schnell der neue Gesetzesentwurf Fuß fassen und von den betroffenen Gesellschaften mitgetragen wird. Es ist zu erwarten, dass ähnlich wie nach Einführung des FüPoG I im Jahr 2015, nach Gesetzeseinführung und dem Verstreichen einiger Zeit eine qualifizierte Evaluierung zur Wirksamkeit der tatsächlichen Auswirkungen des FüPoG II durchgeführt werden wird, um den Einschlag in Wirtschaft und Gesellschaft zu messen und daraus Rückschlüsse für zukünftige Änderungen des Gesetzes zur Förderung der Gleichberechtigung für Frauen und Männer in der Wirtschaft ziehen zu können. Die Ergebnisse dieser Studie können mit Spannung erwartet werden.