Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Critical Raw Materials Act: Eine Strategie zur Sicherung der europäischen Rohstofflieferketten

Verfasst von

Kerstin Rohde

Die EU-Kommission legte dem Europäischen Parlament am 16.03.2023 einen Verordnungsentwurf für einen Critical Raw Materials (CRM)-Act (COM(2023) 160 final) vor. Flankiert wird der Entwurf von der Mitteilung für eine sichere und nachhaltige Versorgung mit kritischen Rohstoffen zur Unterstützung des doppelten Überganges („Twin Transition“) (COM(2023) 165 final).

Ziel des CRM-Act (wir berichteten: https://legal.pwc.de/de/news/fachbeitraege/critical-raw-materials-act-foerderung-der-umsetzung-strategisch-wichtiger-vorhaben) ist die Gewährleistung einer sicheren, diversifizierten, bezahlbaren und nachhaltigen Versorgung der EU mit kritischen Rohstoffen. Um dies zu erreichen, sieht der Entwurf u.a. die folgenden Regelungen vor:

Rohstoffklassifizierung

Der Entwurf differenziert in Kapitel 2 zwischen den sog. „strategischen Rohstoffen“, die für strategische Sektoren, wie u.a. die Net-Zero- und digitale Industrie von entscheidender Bedeutung sind, und den sog. „kritischen Rohstoffen“, bei deren Import Europa stark von Drittländern, insbes. China abhängig ist.

Nachhaltigkeit

Ein wesentlicher Baustein des CRM-Act ist die Herstellung einer Rohstoff-Kreislaufwirtschaft (siehe Kapitel 5). Hierzu soll u.a. der rechtliche Rahmen in der EU verbessert werden, um die Gewinnung und Nutzung sekundärer Rohstoffe zu fördern und (finanzielle) Anreize für die Rückgewinnung und das Recycling von Rohstoffen zu schaffen.

Strategic Projects

Von der EU-Kommission als strategisch wichtig eigeordnete, sog. „Strategische Projekte“ (siehe Kapitel 3) sollen von vereinheitlichten und schnelleren Genehmigungsprozessen sowie einem erleichterten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten profitieren. Gemäß Art. 5 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs sind strategische Projekte solche, die u.a. einen bedeutsamen Beitrag zur Sicherheit der Versorgung der Union mit strategischen Rohstoffen leisten und insbes. nachhaltige Produktionsprozesse einsetzen.

Beihilferechtlicher Rahmen

Anders als die Mitteilung der EU-Kommission zum EU-Chips-Act (wir berichteten: https://legal.pwc.de/de/news/fachbetraege/eu-chips-halbleiterstrategie-der-eu-kommission-aus-beihilfenrechtlicher-perspektive) enthält weder die Mitteilung zum CRM-Act noch der Verordnungsentwurf beihilferechtliche Leitplanken. Vielmehr verweist die EU-Kommission in Kapitel 3 auf den bestehenden beihilferechtlichen Rahmen. Dies wird zur Zeit vor allem die Regelungen des Temporary Crisis and Transition Framework erfassen („TCTF“) (wir berichteten https://legal.pwc.de/de/news/fachbeitraege/dritte-aenderung-des-befristeten-krisenrahmens-tctf-hohe-foerderungen-fuer-schluesselsektoren-moeglich).

Abschnitt 2.8 des TCTF erfasst Vorhaben zur Herstellung oder Rückgewinnung von kritischen Rohstoffen, die für die Produktion der klimaneutralen Ausrüstung, also Batterien, Solarpaneele, Windturbinen, Wärmepumpen, Elektrolyseure und Ausrüstung für die Abscheidung, Nutzung und Speicherung von CO2 oder ihrer Schlüsselkomponenten erforderlich sind. Diese Vorhaben haben aus Sicht der EU-Kommission strategische Bedeutung für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Sie können auf der Grundlage des Artikels 107 Abs. 3 lit. c AEUV als mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden.

Gemäß Erwägungsgrund 85 des TCTF müssen sie dazu u.a. folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Der Mitgliedstaat muss unter dem TCTF eine Beihilferegelung notifizieren und diese von der EU-Kommission genehmigen lassen.
  • Beihilfefähig sind Investitionskosten für alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte.
  • Die Förderung darf 15% der förderfähigen Kosten nicht überschreiten sowie max. € 150 Mio. pro Unternehmen (Gruppenebene) und Mitgliedstaat betragen. Dieser maximal zulässige Beihilfebetrag kann auf 20% und max. € 200 Mio. erhöht werden, wenn das Projekt in einem C-Fördergebiet angesiedelt ist und auf 35% und max. € 350 Mio., wenn das Projekt in einem A-Fördergebiet liegt.
  • Die Beihilfe muss spätestens bis zum 31.12.2025 gewährt werden.

In Ausnahmefällen kann die EU-Kommission auch Einzelbeihilfen für die oben benannten Vorhaben genehmigen, wenn diese ansonsten außerhalb der EU umgesetzt würden. Erwägungsgrund 86 des TCTF enthält insoweit eine sog. „Matching-Clause“. Das Vorhaben darf mit dem Betrag gefördert werden, der erforderlich ist, um die Subvention für eine ähnliche Investition außerhalb des EWR, z.B. in den USA, auszugleichen, jedoch begrenzt auf:

  • die Finanzierungslücke, d.h. den Kostennachteil, der sich aus einem Vergleich der Investition innerhalb des EWR mit der Investition außerhalb des EWR inkl. der möglichen Subvention ergibt
  • und nicht mehr als 100% der förderfähigen Kosten der Investition.

Der Mitgliedstaat muss prüfen, welche Risiken konkret bestehen, dass das betreffende Vorhaben außerhalb des EWR verwirklicht wird. Hierzu muss der Beihilfeempfänger stichhaltige Nachweise für die Subvention liefern, die er aller Wahrscheinlichkeit für ein ähnliches Vorhaben von einem Drittstaat erhalten würde. Zusätzlich muss das betreffende Vorhaben zumindest zu einem signifikanten Teil in einem Fördergebiet in einem Mitgliedstaat durchgeführt werden. Wie im Fall des Erwägungsgrundes 85 muss die Beihilfe bis zum 31.12.2025 gewährt werden.

Monitoring

Wie auch der Chips-Act sieht der CRM-Act die Entwicklung und Einführung von Überwachungsmechanismen vor, um Lieferengpässe entlang der Wertschöpfungskette rechtzeitig zu erkennen und um möglichen Engpässen z.B. durch die Koordinierung eines gemeinsamen Rohstofflagers entgegenzuwirken (siehe Kapitel 4 des Verordnungsentwurfs).

Ausblick

Bevor die vorgeschlagene Verordnung erlassen wird und in Kraft tritt, muss sie vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union erörtert und gebilligt werden. Der Vorschlag zum CRM-Act wird zusammen mit der Netto-Null-Industrie-Verordnung der EU vorgelegt, die darauf abzielt, die Entwicklung der wichtigsten CO2-neutralen oder Netto-Null-Technologien in der EU zu forcieren, damit die EU über sichere, nachhaltige und wettbewerbsfähige Lieferketten für saubere Energie zur Verwirklichung ihrer Klima- und Energieziele verfügt.