Gesellschaftsrecht

Covid-19: Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfindung in Krisenzeiten

Die Verbreitung des Corona-Virus hat Auswirkungen auf sämtliche Lebensbereiche. In der Öffentlichkeit soll nunmehr ein Verbot für Ansammlungen von mehr als zwei Personen gelten. Aber auch im geschäftlichen Bereich sind die Auswirkungen enorm. Wichtig ist aber, dass die Organe von Unternehmen handlungsfähig bleiben und dringend erforderliche Maßnahmen wie Kurzarbeit, Neu- und Anschlussfinanzierungen, Kapitalerhöhungen und Ähnliches beschließen und genehmigen können.

Im Folgenden geben wir Hinweise, wie Geschäftsleitungen, Aufsichtsräte, Gesellschafter und Aktionäre bei der gesellschaftsrechtlichen Sitzungs- und Entscheidungsarbeit Präsenzsitzungen vermeiden können und dennoch handlungsfähig bleiben.

Vorstand und Geschäftsführung
Hat die Aktiengesellschaft einen mehrgliedrigen Vorstand, so sind Vorstandsmitglieder gem. § 77 Abs. 1 S. 1 AktG nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Der Vorstand darf somit nur handeln, wenn alle Mitglieder der Maßnahme ausdrücklich oder konkludent zugestimmt haben. Die Willensbildung erfolgt durch einstimmigen Beschluss. Formvorschriften bestehen allerdings nicht. Eine Beschlussfassung ist daher auch mündlich, telefonisch, in virtueller Konferenz, per E-Mail möglich. Beschlüsse, die in Vorstandssitzungen gefasst werden, bedürfen auch keiner Protokollierung.

Einzelheiten sind regelmäßig in einer Geschäftsordnung für den Vorstand geregelt.

Für Maßnahmen, die wegen Gefahr im Verzug keinen Aufschub dulden, hat das AktG keine besonderen Regelungen getroffen. Abwesende und auch nicht erreichbare Vorstandsmitglieder dürfen deshalb ausnahmsweise übergangen werden. Sie sind jedoch umgehend nachträglich zu unterrichten und können noch widersprechen, solange Durchführung der Maßnahme aussteht.

Auch in der GmbH steht die Führung der Geschäfte den Geschäftsführern mangels abweichender Regelung im Gesellschaftsvertrag gemeinschaftlich und gleichberechtigt zu (Gesamtgeschäftsführung). Das entspricht der Situation bei der Aktiengesellschaft. Beschlüsse der Geschäftsführer sind somit einstimmig zu fassen. Eine Form ist für sie nicht erforderlich. Wie bei der Aktiengesellschaft ist eine Beschlussfassung mündlich, telefonisch, in virtueller Konferenz sowie per E-Mail möglich. Falls ein Geschäftsführer bei der Beschlussfassung abwesend ist, kann er seine Stimme nachträglich formlos abgeben.

Aufsichtsrat
Der Aufsichtsrat entscheidet durch Beschlussfassung. Das AktG erlaubt, dass abwesende Aufsichtsratsmitglieder dadurch an der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen können, dass sie schriftliche Stimmabgaben durch andere Aufsichtsratsmitglieder oder statutarisch zur Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung berechtigte Personen überreichen lassen. Der Stimmbote darf keinen eigenen Entscheidungsspielraum haben. Das Schriftformerfordernis erweist sich allerdings gerade als unflexibel.

Daneben sieht das AktG vorbehaltlich einer näheren Regelung durch die Satzung oder Geschäftsordnung schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse vor, wenn kein Mitglied diesem Verfahren widerspricht. Erlaubt ist somit jede Beschlussfassung ohne Sitzung, neben der schriftlichen Beschlussfassung und der Telefonkonferenz auch die Beschlussfassung im Wege der Video- oder Internetkonferenz und der Zuschaltung einzelner Aufsichtsratsmitglieder per Video. Dies gilt auch für die „Pflichtsitzungen“ des Aufsichtsrats (wobei dies für die sog. Bilanzsitzung nach § 171 Abs. 1 S. 2 AktG aufgrund der Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers im juristischen Schrifttum nicht final geklärt ist).

Auch hier gilt, dass das Verfahren der Beschlussfassung ohne Sitzung regelmäßig durch Satzung oder Geschäftsordnung des Aufsichtsrats näher geregelt ist.

Wie auch bei anderen Aufsichtsratssitzungen, sind den Aufsichtsratsmitgliedern sämtliche Informationen für eine sorgfältige Entscheidungsfindung – fristgerecht – zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang besteht kein Unterschied zu Präsenzsitzungen.

Hauptversammlungen
Die Coronakrise und die bundesweiten Verbote, größere Versammlungen abzuhalten, fallen mitten in die Hauptversammlungssaison der Dax-Konzerne. Einige Konzerne wie Continental und Daimler und haben ihre Aktionärstreffen bereits auf unbestimmte Zeit verschoben. Wichtige Entscheidungen, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedürfen, wie Kapitalmaßnahmen oder Umwandlungen, können derzeit nicht getroffen werden. Zudem erfordert auch die Festsetzung von Dividenden einen Beschluss der Hauptversammlung.

Die Hauptversammlung ist zwar bei entsprechender Satzungsgestaltung online durchführbar, allerdings ist das Angebot eines Präsenztreffens derzeit noch verpflichtend. Nicht möglich ist bislang die „virtuelle Hauptversammlung“, bei der die Versammlung nicht mehr an einem physischen Versammlungsort stattfindet, da das AktG im Grundsatz immer noch von einer Präsenz-Hauptversammlung in einem physischen Versammlungsraum ausgeht. Das AktG eröffnet nur die Möglichkeit einer Teilnahme “im Wege elektronischer Kommunikation” (§ 118 Abs. 1 S. 2 AktG).

Mit einem Gesetzentwurf, über den die Bundesregierung zusammen mit anderen Maßnahmen gegen die Covid-19-Pandemie beschließen lassen will, sollen nunmehr Erleichterungen im Aktienrecht für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und Europäische Aktiengesellschaften (SE) greifen: So sollen etwa die Vorstände von Aktiengesellschaften auch ohne entsprechende Regelung in ihren Satzungen beschließen können, die Hauptversammlung ohne physische Präsenz als virtuelle Hauptversammlung abzuhalten. Darüber hinaus wird die Ladungsfrist für Hauptversammlungen von bislang 30 auf 21 Tage verkürzt. Abstimmungen sollen auch ohne Präsenz der Aktionäre durchgeführt werden können. Damit will die Bundesregierung die Voraussetzungen dafür schaffen, dass (börsennotierte) Gesellschaften trotz des aktuellen Lockdowns bei unternehmensstrategischen Fragen handlungsfähig bleiben.

Auch für Genossenschaften und Vereine sind Erleichterungen geplant.

Zu beachten bleibt aber, dass jeder Beschluss der Hauptversammlung durch eine über die Verhandlung notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden ist. Erleichterungen gelten bei nichtbörsennotierten Gesellschaften. Hier reicht eine vom Vorsitzenden des Aufsichtsrats zu unterzeichnende Niederschrift aus, soweit keine Beschlüsse gefasst werden, für die das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit (z.B. Satzungsänderungen) bestimmt.

Gesellschafterversammlungen

  • 48 Abs. 2 GmbHG räumt die Möglichkeit ein, von der Abhaltung einer formalen Gesellschafterversammlung abzusehen und gleichwohl Beschlüsse zu fassen. Allerdings ist erforderlich, dass sich die Gesellschafter untereinander zumindest über diese Form der Beschlussfassung einig sind. Weiterhin ist für präsenzlose Beschlüsse der Gesellschafter zumindest Schriftform erforderlich oder Textform, wenn alle Gesellschafter für den Beschlussantrag stimmen.

Aufgrund der weitgehenden Satzungsfreiheit besteht allerdings die Möglichkeit, weitere Erleichterungen vorzusehen. Die Satzung kann die Formerfordernisse des Abs. 2 erleichtern und insbesondere fernmündliche Abstimmung – entweder im Rundruf oder als Telefonkonferenz – zulassen.

Auch hier bietet der aktuelle Gesetzesentwurf Erleichterungen: Abweichend von § 48 Abs.2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden.

Besonderheiten gelten für Gesellschafterbeschlüsse, die notariell zu beurkunden sind – etwa gem. § 53 Abs. 2 S. 1 GmbHG Satzungsänderungen. Die einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Beurkundungserfordernisse sehen aber – anders als verschiedene zivilrechtliche – eine gleichzeitige Anwesenheit aller Beteiligten nicht vor. Die Beteiligten können daher ihre schriftlichen Abstimmungserklärungen zwecks Beurkundung beim Notar einreichen.

Datensicherheit
Ein wesentlicher Aspekt für die Durchführung von Vorstands- und Geschäftsführungs- oder Aufsichtsratssitzungen, ist das Thema Datensicherheit. Jedenfalls für Hauptversammlungen wird in puncto Datensicherheit die Einhaltung des „jeweiligen Stands der Technik“ gefordert. Um eine Manipulation der Hauptversammlung zu verhindern, muss die von der Gesellschaft bereitgestellte Technik gewährleisten, dass die online auszuübenden Mitverwaltungsrechte nur von den Aktionären ausgeübt werden können. Aber auch für Beschlüsse von Geschäftsleitung und Aufsichtsrat wird man verlangen müssen, dass technische Vorkehrungen getroffen werden, die Schutz gegen ein unbefugtes Eindringen in das System bieten.