BGH: Mietkürzung bei coronabedingter, behördlich angeordneter Geschäftsschließung individuell zulässig
Der BGH hat die Möglichkeit zur Kürzung der Miete bei coronabedingten, behördlich angeordneten Geschäftsschließungen im gewerblichen Mietrecht bestätigt. Allerdings komme keine pauschale Kürzung in Betracht. Diese habe vielmehr unter Berücksichtigung aller Umstände zu erfolgen, die das konkrete Mietobjekt betreffen.
Mit Urteil vom 12. Januar 2022 (Az. XII ZR 8/21) hat der Bundesgerichtshof (BGH) in dem Streit um coronabedingte Mietkürzungen zwischen Mietern und Vermietern für klare(re) Verhältnisse im gewerblichen Mietrecht gesorgt. Grundsätzlich hat ein gewerblicher Mieter, der seine Geschäftsräume aufgrund behördlicher Anordnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie schließen musste, einen Anspruch auf Herabsetzung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB.
Wenngleich die Veröffentlichung der Urteilsgründe noch aussteht, lässt eine ausführliche Pressemitteilung des obersten Zivilgerichts bereits jetzt die wesentlichen Inhalte der Entscheidung erkennen. Demnach spricht sich der BGH – unter Ablehnung einer Mietminderung wegen eines Mangels der Mietsache nach § 536 Abs. 1 S.1 BGB – ausdrücklich für eine Anwendbarkeit von § 313 Abs. 1 BGB aus. Eine Sperrwirkung des Art. 240 § 2 EGBGB (Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen aus Anlass der Corona-Pandemie) verneint der BGH mit dem Argument, dass die Norm entsprechend ihrem Wortlaut und Sinn und Zweck lediglich das Kündigungsrecht des Vermieters beschränke, aber keine Aussage zur Höhe der geschuldeten Miete treffe.
Bei den unterinstanzlichen Gerichten und in der Literatur hatte vor allem die Frage, wann konkret für einen Mieter das Festhalten am Vertrag (un)zumutbar ist, für viel Diskussionsstoff gesorgt. Der BGH sorgt – zumindest teilweise – für Klarheit und betont, dass bei einer coronabedingten Geschäftsschließung im Rahmen der Prüfung der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls, die das konkrete Mietverhältnis betreffen, erforderlich sei.
Nach Ansicht des BGH handele es sich bei der COVID-19-Pandemie um ein allgemeines Lebensrisiko, das, ohne ausdrückliche vertragliche Regelung, weder in den Risikobereich des Mieters noch des Vermieters falle. Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer staatlich angeordneten Betriebsschließung erlitten habe, müssten daher im Rahmen einer gerechten Risikoverteilung zwischen beiden Vertragsparteien Berücksichtigung finden. Eine Pauschalregelung zur Kürzung der Miete, wie sie beispielsweise die Vorinstanz unter Anwendung einer 50:50-Quote vorgenommen hatte, lehnt der BGH ab. Vielmehr nimmt er unter Einbeziehung der normativen Wertungen des § 313 Abs. 1 BGB eine Abwägung im konkreten Einzelfall vor.
In diese Abwägung seien zugunsten des Mieters vor allem Umsatzeinbußen einzubeziehen, die ihm während der Zeit der Geschäftsschließung entstanden sind. Hierbei – und das ist neu – hebt der BGH ausdrücklich hervor, dass es allein auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen etwaigen Konzernumsatz ankomme. Letzterer dürfe also nicht in die Abwägung einbezogen werden. Überdies hat der BGH festgehalten, dass der Anspruch auf Mietanpassung keine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters voraussetze. Im Übrigen finden auch solche Maßnahmen Berücksichtigung, die der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu mindern.
Zur Vermeidung einer Überkompensierung des Mieters seien zu seinen Lasten alle finanziellen Vorteile in die Abwägung einzubeziehen, die er aus Leistungen Dritter, etwa staatliche Hilfsgelder, aber auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung erlangt hat. Außer Betracht zu bleiben hätten hingegen staatlich gewährte Darlehen, da sie die erlittenen Umsatzeinbußen im Ergebnis nicht endgültig kompensierten. Schließlich seien bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen.
Wie erwartet, hat der BGH das Urteil des OLG Dresden aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.
Im Ergebnis bringt das BGH-Urteil – wenngleich der konkrete Inhalt mit der Veröffentlichung der Entscheidungsgründe noch abzuwarten bleibt – bezüglich einzelner Fragen die gewünschte Rechtsklarheit. Die Abwägung im Einzelfall wird dennoch mitunter schwierig und komplex bleiben. Ziel muss deshalb sein, gemeinsam mit Mietern und Vermietern individuelle Lösungen zu erarbeiten, die unter Abwägung aller Umstände, soweit sie das konkrete Mietobjekt betreffen, eine bestmögliche Einzelfallgerechtigkeit schaffen. Dies kann natürlich auch bereits durch entsprechende vertragliche Regelungen im Mietvertrag selbst geschehen.
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