Kürzung der Mietzahlungspflicht aufgrund coronabedingter Geschäftsschließungen im gewerblichen Mietrecht
Am 1. Dezember 2021 hat der 12. Zivilsenat des BGH im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Sache XII ZR 8/21 erstmals seine (zunächst vorläufige) Rechtsauffassung zur Reduzierung der Mietzahlungspflicht im gewerblichen Mietrecht bei coronabedingten Geschäftsschließungen geäußert. Der Senat will sein Urteil am 12. Januar verkünden.
In der mündlichen Verhandlung, an dem nur 11 Prozessbeobachter teilnehmen durften und PwC Legal einen der Plätze „ergattert“ hatte, stellte der Senat fest, dass eine Reduzierung der Mietzahlungspflicht aufgrund von Mängelgewährleistungsrechten sowie (anrechenbarer) Ansprüche aus dem Allgemeinen Schuldrecht im Regelfall bereits an den Tatbestandvoraussetzungen derselben scheitert. In Betracht käme indes ein Anspruch auf Vertragsanpassung aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 Abs. 1 BGB. Insbesondere eine Sperrwirkung durch das in Art. 240 § 2 EGBGB angelegte Kündigungsmoratorium gegenüber jeglichen Reduzierungs- bzw. Anpassungsansprüchen sieht der Senat hier nicht als gegeben.
Der Vorsitzende Richter Hans-Joachim Dose machte in der mündlichen Verhandlung deutlich, dass die Frage, ob den Parteien ein Festhalten am Vertrag zumutbar sei, nicht durch eine Pauschalbetrachtung geklärt werden könne. Vielmehr bedürfe es einer umfassenden Betrachtung des Einzelfalles, welche nicht nur die beiderseitigen Interessen berücksichtige, sondern ebenfalls staatliche Ausgleichsmaßnahmen wie etwa Überbrückungshilfen und sonstige relevanten Umstände des Einzelfalls einbeziehe. Vor diesem Hintergrund müsse der Fall vermutlich an das OLG Dresden zurückverwiesen werden. Dieses habe zu pauschal entschieden, dass eine Kürzung der Miete um 50 Prozent angemessen wäre. Vorerst offen gelassen hat der BGH damit in der Verhandlung, welche sonstigen Umstände des Einzelfalls er als relevant einstuft. In der Rechtsprechung wird insbesondere die Frage uneinheitlich beantwortet, ob im Online-Handel erzielte Umsätze in die Betrachtung mit einfließen, ebenso wie im Konzern der jeweiligen Mietgesellschaft erzielte Umsätze. Hier erhofft man sich eine klare Antwort im Urteil.
Eine klare Zuordnung der pandemiebedingten Geschäftsschließungen in die Risikosphäre einer der beiden Vertragsparteien wird also nicht getroffen. Gleichsam ist eine 50:50-Regelung zu pauschal. Die Äußerungen des 12. Zivilsenats lassen eins vermuten: Im Falle der Corona-Pandemie gibt es in gewerblichen Mietverhältnissen weder Gewinner noch Verlierer.
Dies zeigt umso deutlicher, wie wichtig die Implementierung entsprechender mietvertraglicher Regelungen in der Zukunft ist. Unserer Auffassung nach sind Mieter und Vermieter mehr als nur vertraglich gebundene Parteien: Beide wirtschaften mit dem Mietobjekt und sind daher auf ein gedeihliches Zusammenarbeiten angewiesen, gerade weil hoheitliche Maßnahmen im Rahmen der Pandemie nicht nur der Risikosphäre des Mieters oder Vermieters allein zugeordnet werden können.
Wir empfehlen daher, nicht nur bei neuen Mietverträgen etwaige Klauseln zu implementieren, die Fälle (pandemiebedingter) behördlicher Schließungen regeln, sondern auch eine umfassende Prüfung bestehender Mietverträge durchzuführen, um eventuelle Lücken zu schließen und den Interessen beider Parteien – insbesondere zu mehr Flexibilität und Transparenz – gerecht zu werden.