Unvereinbarkeit selektiver Steuervorteile mit dem EU-Beihilfenrecht: EuG bestätigt die Fiat-Entscheidung der EU-Kommission, Starbucks-Klage ist erfolgreich
Die Entscheidungen der EU-Kommission
Mit den Beschlüssen SA.38375 (Fiat) und SA.38374 (Starbucks) aus den Jahren 2015 und 2016 stellte die EU-Kommission fest, dass Luxemburg Fiat Finance and Trade („Fiat“) und die Niederlande Starbucks Manufacturing EMEA BV („Starbucks“) beihilfenrechtswidrige Steuervergünstigungen gewährt haben. In beiden Fällen sei der Steuerbetrag, den das Unternehmen entrichten musste, durch einen von der betreffenden nationalen Steuerbehörde erteilten Steuervorbescheid künstlich verringert worden.
- Fiat mit Sitz in Luxemburg erbringt Finanzdienstleistungen für andere Unternehmen des Fiat-Konzerns in Europa. Nach Auffassung der EU-Kommission wurden die von Fiat gezahlten Steuern durch die Schätzung einer wesentlich geringeren als tatsächlichen Eigenkapitalausstattung sowie einer weit niedrigeren als marktüblichen Vergütung um das zwanzigfache künstlich gesenkt.
- Die EU-Kommission entscheid, dass die von Starbucks gezahlten Steuern künstlich gesenkt worden seien. Die durch Starbucks an das zur Starbucks-Gruppe gehörende britische Unternehmen Alki gezahlten Lizenzgebühren seien nicht gerechtfertigt, da sie nicht den Marktwert widerspiegelten. Hierdurch würden die steuerbaren Gewinne von Starbucks gesenkt. Darüber hinaus werde die Steuergrundlage von Starbucks durch einen stark überhöhten Preis, den es der schweizerischen Starbucks Coffee Handel SARL für grüne Kaffeebohnen zahlt, ungerechtfertigterweise verringert. Durch diese Maßnahmen sei die Steuerlast des Unternehmens seit 2008 um 20 – 30 Mio. € gesenkt worden.
Die Entscheidung des Europäischen Gerichts
Hinsichtlich Fiat bestätigte das Europäische Gericht – EuG (Az.: T‑755/15 and T‑759/15, Urteil vom 24. September 2019) die Entscheidung der EU-Kommission. Insbesondere bestätigte das EuG die Sichtweise, dass im Falle steuerlicher Maßnahmen für die Annahme eines selektiven Vorteils die Position des Adressaten infolge der Anwendung der fraglichen Maßnahme mit seiner Position in Abwesenheit der fraglichen Maßnahme und nach den normalen Steuerregeln verglichen werden muss.
Im streitgegenständlichen Steuervorbescheid wurden für konzerninterne Transaktionen von Fiat Preise angesetzt, die Marktbedingungen nicht entsprechen. Hierdurch wurde die Steuergrundlage entgegen dem geltenden Fremdvergleichsgrundsatz verringert und entsprach damit nicht den gewöhnlich geltenden Steuerregeln. Somit erhielt Fiat nach Auffassung des EuG hierdurch einen beihilfenrechtswidrigen selektiven Vorteil.
Dagegen war die Klage gegen die Entscheidung der EU-Kommission zu Starbucks (Az.: T‑760/15 and T‑636/16, Urteil vom 24. September 2019) erfolgreich. Wie auch in der Entscheidung zu Fiat stellte der EuG zunächst fest, dass eine steuerliche Maßnahme einen selektiven Vorteil beinhalte, wenn die Maßnahme dem Adressaten eine günstigere Rechtsposition verschafft, als das im Falle der gewöhnlich für ihn geltenden steuerlichen Regelungen der Fall wäre. Ob der Steuervorbescheid für Starbucks dem Unternehmen eine solche günstigere Rechtsposition verschafft, habe die EU-Kommission nicht hinreichend nachgewiesen. Zwar enthalte der streitgegenständliche Steuervorbescheid bei der Berechnung der Steuerlast und der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes methodologische Mängel. Dem EuG zufolge ergebe sich aus diesen methodologischen Mängeln jedoch nicht zwingend, dass Starbucks eine ungerechtfertigte Verringerung der Steuerlast und somit einen beihilfenrechtswidrigen selektiven Vorteil erlangt habe.
Fazit
Die beiden Entscheidungen zeigen, dass die EU-beihilfenrechtliche Bewertung steuerlicher Maßnahmen stark im Fokus der EU-Kommission und der europäischen Gerichte stehen und diese weiterhin beschäftigen wird. Die Entscheidungslinie der EU-Kommission in diesem Bereich ist konstant und wird auch vom EuG bestätigt. Der Fall Starbucks zeigt aber auch, dass nicht jedweder (methodologischer) Fehler zur Aufhebung der Kommissionsentscheidung führt. Die Entscheidungen zeigen jedoch ein weiteres Mal, wie wichtig es ist, bei steuerlichen Gestaltungen die beihilfenrechtliche Komponente nicht aus dem Blick zu verlieren.