(Un-)Zulässigkeit des Ausschlusses eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus der GmbH ohne sachlichen Grund
Mit der Frage der Zulässigkeit des Ausschlusses eines Gesellschafter-Geschäftsführers ohne sachlichen Grund hatte sich jüngst das OLG München in seinem Urteil vom 13. Mai 2020 (Az: 7 U 1844/19) zu befassen.
Hintergrund
Der Gesellschafter-Geschäftsführer in einer GmbH ist immer wieder Gegenstand von Gesellschafterstreitigkeiten und diesbezüglicher (höchstrichterlicher) Judikatur.
Solange der Geschäftsführer seine Leitungsbefugnisse zur Zufriedenheit seiner Mitgesellschafter wahrnimmt, ergeben sich selten Reibungspunkte. Das Blatt wendet sich oft aber schnell, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer von den übrigen Gesellschaftern als Geschäftsführer abberufen wird. Es stellt sich die Frage, wie der weitere Verbleib des nunmehr dann „nur noch“ Gesellschafters in der Gesellschaft ausgestaltet werden, oder ob er gar gänzlich aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann.
Der in Rede stehende Gesellschafter-Geschäftsführer war mit 16 weiteren Gesellschaftern an einer GmbH beteiligt. Seine Beteiligung entsprach dabei 25% des gesamten Stammkapitals der GmbH.
In einer zwischen den Gesellschaftern bestehenden Gesellschaftervereinbarung war ein aufschiebend bedingtes Angebot des Gesellschafter-Geschäftsführers enthalten, seine Beteiligung in jedwedem Falle der Beendigung seiner Organstellung oder seines Dienstverhältnisses an die Gesellschaft zu verkaufen oder einen Dritten abzutreten. Anfang 2018 wurde er freigestellt, sein Geschäftsführerdienstvertrag wurde zu Ende September ordentlich gekündigt. In einer sich anschließenden Gesellschafterversammlung beschlossen die 16 anderen Gesellschafter auf Grundlage der Gesellschaftervereinbarung sowie der Satzung der Gesellschaft den Erwerb der Geschäftsanteile des Gesellschafter-Geschäftsführers durch die Gesellschaft.
Entscheidung
Der Gesellschafter-Geschäftsführer hat sich hiergegen – mit Erfolg – zur Wehr gesetzt.
Zur Begründung der Entscheidung verwies das OLG München auf die Rechtsprechung des BGH, die solche gesellschaftsvertragliche Regelungen nach § 138 Abs. 1 BGB für nichtig hält, die es Gesellschaftern einer GmbH erlauben, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2005, Az.: II ZR 173/04) ). Dasselbe gilt für schuldrechtliche Regelungen, die neben dem Gesellschaftsvertrag vereinbart werden, wie etwa Gesellschaftervereinbarungen.
Hinauskündigungsklauseln, die den Ausschluss eines Gesellschafters ohne sachlichen Grund erlauben, sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nichtig, § 138 Abs. 1 BGB (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. September 2005, Az.: II ZR 173/04). Ein freie Ausschlussmöglichkeit sei danach nicht nur willkürlich, sondern könne von Gesellschaftern als Hürde wahrgenommen werden, ihre Rechte in Gesellschafterversammlungen auszuüben und sie somit indirekt in der Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte und Pflichten einschränken. Dies führe in der Konsequenz zu einer unzulässigen Einschränkung des Kernbereichs der Mitgliedschaft.
Ein sachlicher Grund für die freie Ausschlussmöglichkeit kann sich jedoch auch aus den Umständen des Einzelfalles ergeben. Unter Umständen kann der sachliche Grund wohl auch in der Rückkaufs- und Abtretungsvereinbarung liegen. Dies jedoch nur dann, wenn dem Geschäftsführer einer GmbH eine Minderheitsbeteiligung eingeräumt wird, die als Zugabe zu seiner Geschäftsführerstellung zu verstehen ist (etwa zwecks Erfolgsmotivation bzw. Bindung an die Gesellschaft, vgl. BGH, Urteil vom 19. September 2005, Az.: II ZR 173/04).
In dem hier zu entscheidenden Fall des OLG München war davon im Lichte der Beteiligungshöhe (25% des Stammkapitals) allerdings nicht auszugehen. Infolgedessen war der Ausschließungsbeschluss, welcher auf der nichtigen Satzungs- und Gesellschaftervereinbarungsregelung beruhte, ebenfalls als sittenwidrig und nichtig zu werten (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 29. April 2014, Az.: II ZR 216/13, Rn. 10).
Praxishinweis
Für die Praxis ist das Urteil von Bedeutung, da es manifestiert, dass eine Beteiligung ab 25% des Stammkapitals regelmäßig zu einer Unwirksamkeit einer Hinauskündigungsklausel eines (geschäftsführenden) Gesellschafters gemäß § 138 Abs. 1 BGB führen wird. Damit sind auch auf solchen Regelungen beruhende Beschlüsse nicht nur anfechtbar, sondern ebenfalls sittenwidrig und nichtig. Gerade im Kontext von Gesellschaftsgründungen sowie Venture Capital Beteiligungen ist daher im Hinblick auf Regelungen zum Founder Vesting die Rechtsprechung zu Hinauskündigungsklauseln zu beachten.
Im Zusammenhang mit dem Inhalt des vorliegenden Urteils könnte an die Heilungsvorschrift des § 242 Abs. 2 AktG gedacht werden: Danach sind auch nichtige Satzungsänderungsbeschlüsse nach drei Jahren ab Eintragung im Handelsregister als rückwirkend gültig zu betrachten. Die Vorschrift findet nach herrschender Ansicht auch auf eine GmbH Anwendung. Die praktische Relevanz der Vorschrift für Fälle von Herauskündigungsklauseln ist jedoch fraglich, da in der Regel damit zu rechnen sein wird, dass sich betroffene Gesellschafter (-Geschäftsführer) unmittelbar gegen den Ausschließungsbeschluss zur Wehr setzen werden. Denn selbst wenn die zugrundeliegende Satzungsregelung gemäß § 242 Abs. 2 AktG (analog) geheilt wäre, läge in dem Beschluss selbst wohl immer noch ein Verstoß gegen Minderheits- und Kernbereichsrechte des betroffenen Gesellschafters. Der Ausschließungsbeschluss wäre damit zumindest anfechtbar.