UmRuG: Neuerungen im grenzüberschreitenden und nationalen Umwandlungsrecht
In Kürze wird das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRuG) in Kraft treten. Es muss nur noch ausgefertigt und veröffentlicht werden. Damit setzt der Gesetzgeber die EU-Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen um (EU 2019/2121, „UmwRL“). Der EU-Gesetzgeber hatte für die Umsetzung eine Frist bis zum 31. Januar 2023 gesetzt. Nachfolgend werden die wesentlichen Neuerungen dargestellt.
Systematik des Umwandlungsgesetzes
Das sog. Baukastenprinzip des Umwandlungsgesetzes (UmwG) bleibt unverändert. Für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel wurde ein neues Sechstes Buch geschaffen. Die bisherigen Bestimmungen zu grenzüberschreitenden Verschmelzungen in §§ 122a - 122m UmwG wurden umgegliedert und zusammen mit den neuen Vorschriften einheitlich in den §§ 305 ff. UmwG geregelt.
Soweit die Neuregelungen keine Spezialregelungen enthalten, wird für grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel auf die jeweiligen Vorschriften zu innerdeutschen Umwandlungen verwiesen (§§ 305 Abs. 2, 320 Abs. 2, 333 Abs. 2 UmwG). Für grenzüberschreitende Spaltungen und Formwechsel finden sich im Gesetz viele Verweise auf das Recht der grenzüberschreitenden Verschmelzung (u.a. §§ 324, 327, 328, 329, 337, 341 UmwG).
Wie vom EU-Gesetzgeber vorgegeben, sind die Neuerungen bei den grenzüberschreitenden Umwandlungsmaßnahmen auf Kapitalgesellschaften beschränkt. Einzige Ausnahme bildet § 306 Abs. 1 Nr. 2 UmwG, der dem ehemaligen § 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG entspricht. Diese Vorschrift, wonach Personenhandelsgesellschaften mit in der Regel nicht mehr als 500 Arbeitnehmern als übernehmende Gesellschaft an einer grenzüberschreitenden Verschmelzung teilnehmen können, war bereits Ende 2018 in das UmwG eingefügt worden, um im Zuge des Brexit weitere Umwandlungsmöglichkeiten zu eröffnen. Diese Regelung wurde durch das UmRuG inhaltlich nicht geändert.
Grenzüberschreitende Spaltung und grenzüberschreitender Formwechsel
Das UmwG enthält nun in §§ 320 ff. erstmals Regelungen zur Umsetzung grenzüberschreitender Spaltungen und Formwechsel. Wie schon bisher bei den grenzüberschreitenden Verschmelzungen regelt das UmwG nur die deutsche Seite der grenzüberscheitenden Umwandlungsmaßnahme, d.h. für den außerdeutschen Teil ist auf das jeweils anwendbare Recht im betroffenen EU/EWR-Mitgliedstaat abzustellen.
Während die UmwRL sich auf die Umsetzung grenzüberschreitender Spaltungen zur Neugründung beschränkt, hat sich der deutsche Gesetzgeber entschieden, auch die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme zuzulassen (§ 320 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Er schränkt dies allerdings auf folgende Fälle ein: Im Fall der Spaltung einer inländischen Gesellschaft zur Aufnahme dürfen die an der Spaltung beteiligten Gesellschaften jeweils nicht mehr als 400 Arbeitnehmer beschäftigen, im Fall der Spaltung einer ausländischen Gesellschaft zur Aufnahme durch eine inländische Gesellschaft dürfen die Gesellschaften jeweils nicht mehr als vier Fünftel der Zahl der Arbeitnehmer beschäftigen, die für eine Mitbestimmung nach dem Recht des Staates maßgeblich sind, dem die übertragende Gesellschaft unterliegt (§ 332 UmwG). Die Relevanz und Anwendung dieser Vorschriften in der Praxis werden davon abhängen, ob auch der jeweils andere EU/EWR-Mitgliedstaat eine grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme zulässt. Soweit ersichtlich, sind die meisten anderen EU/EWR-Mitgliedstaaten mit der Umsetzung der UmwRL im Hintertreffen.
Die Regelungen zum grenzüberschreitenden Formwechsel in §§ 333 ff. UmwG und den entsprechenden Vorgaben der UmwRL waren erforderlich geworden, weil der Europäische Gerichtshof in mehreren Entscheidungen zur Niederlassungsfreiheit, zuletzt in der Rechtssache „Polpud“ (Urt. V. 12.10.2017, C-106/16), solche Umwandungsmaßnahmen für zulässig erachtet hat. Mit dem Inkrafttreten des UmRuG wurde die Rechtsprechung kodifiziert und es besteht nun Klarheit, wie solche grenzüberschreitenden Formwechsel (technisch) umzusetzen sind.
Novellierung der Vorschriften zum Schutz der Gläubiger und Arbeitnehmer
Die UmwRL macht diverse Vorgaben, wie der Schutz der Gläubiger im grenzüberschreitenden Umwandlungsverfahren auszugestalten ist. Entsprechende Regelungen finden sich u.a. in § 314 UmwG für die Verschmelzung, auf die bei Spaltungen und Formwechsel jeweils verwiesen wird. Der Gläubiger einer übertragenden Gesellschaft kann verlangen, dass ihm Sicherheit geleistet wird für Forderungen, die vor der Bekanntmachung des Verschmelzungsplans entstanden, aber im Zeitpunkt der Bekanntmachung noch nicht fällig geworden sind. Die Erfüllung dieser Forderungen muss durch die Verschmelzung gefährdet sein. Im Streitfall muss er diese Voraussetzungen gegenüber dem Gericht glaubhaft machen. Bei innerdeutschen Umwandlungen bleibt es dabei, dass die Ansprüche gegenüber der Gesellschaft im Nachhinein geltend gemacht werden müssen (§ 22 UmwG). § 341 Abs. 2 UmwG begründet für grenzüberschreitende Formwechsel eine besondere Zuständigkeit deutscher Gerichte.
Die Rechte der Gläubiger und Arbeitnehmer werden bei grenzüberschreitenden Umwandlungen ins Ausland zudem dadurch geschützt, dass das deutsche Registergericht vor Ausstellung der Umwandlungsbescheinigung prüfen muss, ob Anhaltspunkte für missbräuchliche oder betrügerische Zwecke vorliegen, worunter im Einzelfall auch die gezielte Entziehung oder Umgehung von Arbeitnehmerrechten fallen kann (§§ 343 Abs. 3, 329, 316 Abs. 3 UmwG).
Neu ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Gesetz für die Ausstellung dieser Bescheinigung eine Frist von 3 Monaten festsetzt (§§ 316 Abs. 1, 343 Abs. 1 UmwG), was grenzüberschreitende Umwandlungen zu einem langwierigen Verfahren machen kann.
Es bleibt, wie schon bisher bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung dabei, dass der von den Gesellschaften aufzustellende Bericht bei der grenzüberschreitenden Umwandlung sich auch an die Arbeitnehmer richtet. Neu ist, dass die Gesellschaften nun auch gesonderte Berichte für Anteilsinhaber und Arbeitnehmer erstellen dürfen (§§ 337, 324, 309 Abs. 3 UmwG). Der Bericht für die Arbeitnehmer ist nicht erforderlich, wenn die an der Verschmelzung beteiligte Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan angehören (§ 309 Abs. 6 Satz 3 UmwG).
Weitere Schutzvorschriften für Arbeitnehmer ergeben sich aus dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG), dass bereits am 31. Januar 2023 in Kraft getreten ist und auch auf die UmwRL zurückgeht. Parallel mit diesem Gesetz wurde das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) an die Vorgaben der UmwRL angepasst.
Änderungen im Spruchverfahren
Bisher konnten nur die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers im Spruchverfahren einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen, wenn aus ihrer Sicht das Umtauschverhältnis nicht angemessen war. Jetzt können dies auch die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers (§ 15 UmwG).
Im Spruchverfahren gilt nun Anwaltszwang (§ 5a Spruchverfahrensgesetz, SpruchG).
§ 11a SpruchG erlaubt dem Gericht nun ausdrücklich eine sog. „mehrheitskonsensuale Schätzung“. Dies war bis dato streitig. Das Gericht darf im Rahmen seiner Schätzung der angemessenen Kompensation als Indiz nun auch den Umstand berücksichtigen, dass sich Antragsgegner, der gemeinsame Vertreter sowie eine Mehrheit von Antragstellern, die mindestens 90 Prozent des von sämtlichen Antragstellern gehaltenen Grund- oder Stammkapitals umfasst, auf einen bestimmten Betrag geeinigt haben.
Weitere Änderungen auch bei innerdeutschen Umwandlungsmaßnahmen
§ 72a UmwG ermöglicht es Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien (KGaA), erforderliche Anpassungen der Wertverhältnisse übertragender oder übernehmender Gesellschaften durch die Ausgabe zusätzlicher Aktien auszugleichen. Bisher war dies nur im Rahmen einer baren Zuzahlung (§ 15 UmwG) möglich. Die zusätzlich zu gewährenden Aktien können durch eine Kapitalerhöhung gegen Sacheinlage geschaffen werden (§ 72b UmwG). Für den Erwerb der Aktien durch die anspruchsberechtigten Aktionäre ist von der übernehmenden Gesellschaft ein Treuhänder zu bestellen (§ 72b Abs. 3 UmwG).
Die genannten Vorschriften gelten auch für den Formwechsel in eine Aktiengesellschaft oder KGaA (§ 248a UmwG).
Verschmelzungsbericht und -prüfung sind nicht mehr erforderlich, soweit ein an der Verschmelzung beteiligter Rechtsträger nur einen Anteilsinhaber hat (§§ 9 Abs. 2, 8 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 UmwG) oder wenn sich bei der Verschmelzung von Schwestergesellschaften alle Anteile des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers in der Hand desselben Rechtsträgers befinden (§§ 9 Abs. 2, 8 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1.b) UmwG). Die bisher schon geltende Ausnahme von diesem Erfordernis für sog. Aufwärtsverschmelzungen (Tochter- auf Muttergesellschaft) bleibt bestehen (§§ 9 Abs. 2, 8 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1.a) UmwG).
Diese Erleichterungen gelten, mit wenigen Ausnahmen, entsprechend für Spaltungen (§ 125 UmwG).
Neu ist zudem, dass bei einer Ausgliederung zur Aufnahme nunmehr auf eine Kapitalerhöhung bei der aufnehmenden Gesellschaft verzichtet werden kann, wie bisher schon bei der Ab- und Aufspaltung zur Aufnahme.
Nachtrag: Das Gesetz ist am 1. März 2023 in Kraft getreten.