Quo vadis steuerlicher Querverbund? Steuerbegünstigung defizitärer Tätigkeiten von kommunalen Einrichtungen beschäftigt erneut den BFH
Der Bundesfinanzhof (BFH) wird sich in zwei mündlichen Verhandlungen am 16.12.2020 erneut mit dem steuerlichen Querverbund beschäftigen. Damit bekommt der BFH erneut die Chance, die Frage der Europarechtskonformität des steuerlichen Querverbunds dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen.
Hintergrund
Mit Vorlagebeschluss an den EuGH vom 13. März 2019 in der Sache I R 18/19 hatte der BFH bereits erhebliche Zweifel an der Europarechtskonformität der Steuerbegünstigung dauerdefizitärer Tätigkeiten der öffentlichen Hand geäußert (siehe unseren Blog-Beitrag vom 29.10.2019). Nach Auffassung des BFH sei der Ausschluss der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei Kapitalgesellschaften mit Dauerverlusten, die mehrheitlich der öffentlichen Hand gehören, eine rechtswidrige Beihilfe. Ob der EuGH diese Ansicht teilt, blieb zunächst weiterhin offen, da im vorgenannten Verfahren die Revision von den Parteien einvernehmlich zurückgenommen wurde, sodass der Vorlagebeschluss gegenstandslos geworden war.
Aktuelle Verfahren
FG Münster (Az. I R 50/17): Keine Verlustverrechnung bei Schulschwimmen
Die Klägerin im ersten vom BFH zu verhandelnden Verfahren (Az. I R 50/17 – FG Münster, 9 K 3847/15 K,F) ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, einer 100%-igen Tochtergesellschaft der Stadt. Neben der Energieversorgung zählt auch der Betrieb von Bädern für den öffentlichen Badebetrieb zum Gegenstand des Unternehmens. In den Streitjahren nutzte die Stadt die Bäder, um den Schülern ihrer kommunalen Schulen dort Schwimmunterricht zu erteilen. Hierdurch erzielte die Klägerin in den Streitjahren Verluste. Vom beklagten Finanzamt begehrt die Klägerin die Verrechnung der Verluste aus dem Schulschwimmen mit den übrigen betrieblichen Erträgen.
Dem tritt das Finanzamt entgegen. Die Nutzung der Bäder zum Zwecke des Schulschwimmens erfülle die Voraussetzungen von § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG. Danach sind Tätigkeiten, die als Dauerverlustgeschäfte Ausfluss einer Tätigkeit sind, die bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu einem Hoheitsbetrieb gehören, jeweils gesonderten Sparten zuzuordnen. Eine Verrechnung der Verluste aus dem Schulschwimmen mit den Erträgen aus den Versorgungsbetrieben sei unzulässig, da diese der nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 KStG gebildeten Sparte zuzuordnen seien.
Das FG Münster hat die Klage mit Urteil vom 26.04.2017 abgewiesen und sich der Ansicht des Finanzamts angeschlossen. Für die Beurteilung nach § 8 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 KStG sei es unerheblich, dass das Schulschwimmen in einem von einer Kapitalgesellschaft betriebenen Bad veranstaltet und von dieser für das Schulschwimmen ein Entgelt wie von fremden Dritten verlangt werde. Die Vorschrift stelle lediglich eine fiktive Betrachtung an, wie die Tätigkeit zu beurteilen wäre, wenn sie unmittelbar von der Kommune durchgeführt würde. Ob dies der Fall ist, wird der BFH nun klären müssen.
FG Münster (Az. I R 41/17): Hallenbad in Betriebsbereitschaft
In einem weiteren Verfahren (I R 41/17 – FG Münster, 10 K 2308/14 K,G,F) muss der BFH die Anwendbarkeit des steuerlichen Querverbunds bei einem nur in Betriebsbereitschaft vorgehaltenen und nicht für den Publikumsverkehr geöffneten Hallenbad beantworten.
Das Finanzamt machte geltend, ein steuerlich wirksamer Querverbund habe nicht bestanden, da wegen der Schließung des Hallenbads für den Publikumsverkehr die nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG erforderliche enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht nicht vorgelegen habe.
Dieser Auffassung hat sich das FG Münster angeschlossen. Seit der Schließung habe das Hallenbad keine wesentliche Bedeutung mehr für den Schwimmbetrieb als solchen gehabt. Der Standby-Betrieb des Hallenbades trage nicht in der Weise zum Geschäftszweck der Bädergesellschaft bei, dass hierüber eine Verflechtung von einigem Gewicht mit dem Betrieb der Klägerin hergestellt werden könne.
Der BFH wird demnach nun Stellung nehmen müssen, ob eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht i.S. des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG zwischen einem Versorgungsbetrieb und einer Bädergesellschaft über ein nur in Betriebsbereitschaft vorgehaltenes und nicht für den Publikumsverkehr geöffnetes Hallenbad hergestellt werden kann.
Fazit
In den zwei genannten Verfahren bekommt der BFH nun erneut die Gelegenheit, die Frage, ob es sich beim steuerlichen Querverbund um eine rechtswidrige Beihilfe handelt, dem EuGH vorzulegen. Ob er dies tatsächlich tut, hängt in erster Linie davon ab, ob er den Klägern in einem der Verfahren in ihrer Ansicht folgt, dass überhaupt der Fall eines steuerlichen Querverbunds vorliegt. Denn nur dann würde die für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH erforderliche Entscheidungserheblichkeit vorliegen.
Die Ungewissheit für Kommunen und ihre Eigengesellschaften bleibt also weiterhin bestehen. Mit jedem weiteren finanzgerichtlichen Verfahren über den steuerlichen Querverbund steigt das Risiko, dass der EuGH oder auch die Kommission über diese Frage wird entscheiden müssen. Damit sind erhebliche, möglicherweise auch rückwirkend eintretende finanzielle Auswirkungen nach wie vor nicht ausgeschlossen.