Private Investor Test: Kehrtwende im Fall Real Madrid gegen die EU-Kommission
Im Jahr 2016 hatte die EU-Kommission gegenüber Spanien angeordnet, von Real Madrid Beihilfen in erheblicher Höhe zurückzufordern, nachdem sie zu dem Schluss kam, dass der Fußballverein unrechtmäßige Beihilfen von der Stadt Madrid erhalten hatte. Hintergrund war eine Entschädigungszahlung der Stadt Madrid an Real Madrid, nachdem im Rahmen mehrerer Grundstücktransaktionen eine bereits vereinbarte Grundstückstransaktion noch gescheitert war.
Die Stadt Madrid zahlte in diesem Zusammenhang im Jahr 2011 rund 22,7 Mio. € an Real Madrid. Die EU-Kommission kam in ihrem Beschluss zu dem Ergebnis, dass ein vergleichbarer privater Investor (sog. Market Economy Operator) Real Madrid jedoch lediglich 4,3 Mio. € gezahlt hätte, was dem Marktwert des Grundstücks entsprochen habe. Entsprechend musste Real Madrid der Stadt Madrid 18,4 Mio. € zurückzahlen. Die EU-Kommission kritisierte dabei außerdem, dass sich die Stadt Madrid nicht wie ein privater Investor verhalten habe, da sie keine Rechtsberatung hinzugezogen hatte, um zu bewerten, ob eine Entschädigungszahlung überhaupt notwendig gewesen wäre. Nach Auffassung des EuG hätte ein privater Investor keine Vereinbarung geschlossen, deren rechtliche Konsequenzen nicht im Vorhinein ordnungsgemäß festgestellt sind.
Überraschenderweise kam das Gericht der Europäischen Union (EuG) in seinem Urteil vom 22. Mai 2019 (T-791/16) nun zu dem Schluss, dass die Rückforderungsanordnung nicht rechtmäßig sei. Zur Begründung führt das EuG an, dass die Bewertung der EU-Kommission nicht umfassend genug gewesen sei. Ursächlich sei hier, dass bei der Bewertung der Entschädigungszahlung ausschließlich das in Rede stehende Grundstück „B-32“ betrachtet worden sei, allerdings u.a. weitere Grundstückstransaktionen zwischen Stadt Madrid und Real Madrid die Bewertung der Zahlung ebenfalls beeinflusst haben könnten.
Gleichzeitig wies das EuG darauf hin, dass die Bewertung der EU-Kommission im Rahmen des „Market Economy Operator Tests“ für das Grundstück B-32 plausibel gewesen sei. Sie brachte dabei zum Ausdruck, dass die Annahmen des Tests die Verhaltensweise eines üblichen privaten Investors nachvollziehbar abbilden müssen. Dies sei bei der von der Stadt Madrid an Real Madrid gezahlte Summe von 22,7 Mio. € nicht der Fall gewesen, da hier die maximal mögliche Rendite eines Investors zugrunde gelegt worden sei. Das Kriterium des marktwirtschaftlich handelnden privaten Investors sei nicht darauf gerichtet, die maximale Profitabilität zu ermitteln, sondern ob ein mit der staatlichen Stelle vergleichbarer privater Investor unter Berücksichtigung der Gesamtumstände die Investition getätigt hätte.
Der Fall unterstreicht, dass die öffentliche Hand die Gewährung von Mitteln an Betreiber von Sportinfrastrukturen frühzeitig prüfen sollte. Dies gilt beispielsweise im Fall von Grundstückstransaktionen, Gewährung von Darlehen oder Zuschüssen zum Ausbau von Infrastrukturen (Stadien, Hallen, Trainingsgelände, etc.). Mithilfe eines Market Economy Operator Tests kann vor dem Entschluss zur Umsetzung einer Kapitalmaßnahme die Gewährung von unrechtmäßigen Beihilfen ausgeschlossen werden. Ohne eine sachgerechte EU-beihilfenrechtliche Bewertung drohen anderenfalls auch Jahre später die vollständige Rückzahlung der Mittel durch den Beihilfeempfänger. Wenn diese Mittel jedoch bereits verwendet und somit nicht mehr zur Verfügung stehen, kann eine solche Rückzahlungsforderung nicht selten existenzgefährdend sein.
Sollten Sie eine vergleichbare Maßnahme planen bzw. durchführen, stehen wir Ihnen zur Beantwortung der Frage, ob und wann ein Market Economy Operator Test notwendig ist, gerne als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die Finanzierung von Sport- und Freizeitinfrastrukturen sowie die Durchführung eines Market Economy Operator Tests haben wir auch bereits in früheren Blog-Beiträgen behandelt:
Die Kapitalwertmethode – Anwendung betriebswirtschaftlicher Analysen im EU-Beihilfenrecht
Finanzierung von Sport- und Freizeitinfrastrukturen nach Art. 55 AGVO