Finanzierung von Sport- und Freizeitinfrastrukturen nach Art. 55 AGVO
In unserer alltäglichen Praxis haben wir es häufig mit der Finanzierung von Sport- bzw. Freizeitinfrastrukturen in folgender Sachverhaltskonstellation zu tun: Ein kommunales Unternehmen betreibt ein öffentliches Schwimmbad. Der Betrieb ist defizitär, weil die Betriebskostendeckung bei Erhebung sozialverträglicher Einnahmenregelmäßig nicht möglich und die Erhöhung von Eintrittsgeldern bei gleichzeitig flächendeckendem Angebot in Erfüllung sozialpolitischer Aufgaben ausgeschlossen ist Betriebsverluste werden entweder durch einen Ergebnisabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft (oft Kommune selbst oder kommunale Stadtwerke) oder aber durch Gewinne ausgeglichen, die das kommunale Unternehmen in anderen Sparten, z.B. Energie- und Wasserversorgung, generiert. Recht unproblematisch liegt in den meisten Fällen eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV auf der Hand. Die Herausforderung besteht vielmehr in der EU-beihilfenrechtskonformen Ausgestaltung der Finanzierung.
Viele Kommunen greifen dabei auf die bekannte und bewährte DAWI-Betrauung zurück. Als DAWI werden in Kennerkreisen die sog. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse abgekürzt. Zu DAWI gehört auch der Betrieb einer Sportstätte bzw. eines Schwimmbades. Die DAWI-Betrauung setzt dabei die Begründung des Vorliegens einer DAWI voraus. Insoweit steht nicht in Frage, dass ein öffentlich betriebenes Schwimmbad mit sozialverträglichen Eintrittspreisen dem öffentlichen Interesse dient. Schwimmen ist gesundheitsfördernd und das Schwimmenlernen rettet Leben. Schwieriger sind jedoch die Begründung und der Nachweis eines Marktversagens. Um dies rechtssicher zu bewerkstelligen, ist grundsätzlich eine Marktanalyse erforderlich. Diese ist zeit- und kostenintensiv. Daher wird für die Begründung und den Nachweis des Marktversagens häufig auf Indizien zurückgegriffen, aus denen sich sein Vorliegen ableiten lässt.
Eine Alternative zur DAWI-Betrauung ist die Rechtfertigung der Beihilfen auf Grundlage des Art. 55 AGVO. Die Voraussetzungen des Art. 55 AGVO sind eindeutig und bei ihrem Vorliegen ist eine rechtssichere Rechtfertigung gegeben. Die Anmeldeschwellen
– € 30 Mio. für Investitionsbeihilfen bei einem Gesamtinvestitionsvolumen von max. € 100 Mio. und
– € 2 Mio. für Betriebsbeihilfen pro Jahr (allerdings nur bei Sportinfrastrukturen, nicht aber bei multifunktionalen Freizeitinfrastrukturen)
sind nach unserer Praxiserfahrung in vielen Fällen ausreichend, um den Finanzbedarf der Infrastruktur zu decken. Bei defizitärem Schwimmbadbetrieb erlaubt Art. 55 AGVO eine 100%-Förderung von Investitionen. Auch ist der Aufwand der nach der AGVO erforderlichen Veröffentlichung (AGVO-Anmeldung) ist regelmäßig begrenzt.
Als weitere Begründungsalternative wird in der Praxis vielfach die „lokale Bedeutung“ ins Spiel gebracht, mit der die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels ausgeschlossen wird. Diese von der EU-Kommission entwickelte Entscheidungspraxis hat für den Bereich des Schwimmbadbetriebes insbesondere durch die Entscheidung zum Freizeitbad Dorsten (N258/2000) an Popularität gewonnen. Sie steht jedoch derzeit noch im Widerspruch zu der bisherigen Entscheidungspraxis der europäischen Gerichte. Danach ist weder die Begrenztheit einer Tätigkeit auf eine bestimmte Region noch die verhältnismäßig geringe Beihilfensumme oder Größe des betreffenden Unternehmens geeignet, die Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels auszuschließen (EuGH, C-280/00, Rn. 77 und 81 – Altmark Trans). Ob die europäischen Gerichte diese Rechtsprechung aufrechterhalten oder ob sie sich der Praxis der EU-Kommission anschließen werden, bleibt abzuwarten. Am 24. Oktober 2017 wurde gegen die Entscheidung der Europäischen Kommission SA. 45220 – Slovenia – Alleged aid in favour of Komunala Izila d.o.o. Nichtigkeitsklage bei dem europäischen Gericht eingereicht (T-728/17 – Marinvest and Porting/Kommission). Mit dem 3. Und 4. Klagegrund wird die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission zur „lokalen Bedeutung“ angegriffen. Die Klägerinnen verweisen in ihren Klagegründen auf die bisherige Rechtsprechungspraxis der europäischen Gerichte. Die Kommission habe die Tatbestandsmerkmale „Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten“ und „Verzerrung bzw. drohende Verzerrung des Wettbewerbs“ falsch ausgelegt. Sie weisen auf die Binnenmarktrelevanz hin, weil die Begünstigte eine Tochtergesellschaft einer in Italien ansässigen Gesellschaft ist.
Das Urteil in dieser Sache steht noch aus. Wir werden Sie umgehend informieren, sobald das Verfahren abgeschlossen und das Urteil kommuniziert werden kann. Bis dahin bliebt es bei den Risiken, die die Annahme einer solchen Tatbestandslösung zur Folge hat. Unter Vorsorgegesichtspunkten sollte daher u.E. weiterhin auf die DAWI-Betrauung oder Art. 55 AGVO als Rechtfertigungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden, um die Vereinbarkeit der Finanzierung mit dem EU-Beihilfenrecht nicht zu gefährden.