Pitch auf Augenhöhe
PwC-Studie: Rechtsabteilungen und Kanzleien profitieren von objektiver Mandatierung
- 54 % der befragten Unternehmen verfügen über Panels ausgewählter Anwält:innen oder Kanzleien.
- 74 % der Befragten beraten sich vor einer Mandatierung mit Kolleg:innen.
- 45 % der Unternehmen bieten ein standardisiertes Auswahlverfahren an.
- Für 95 % der Top-Entscheider:innen sind Referenzen das wichtigste Auswahlkriterium.
Vergabe von Rechtsberatung sollte nach objektiveren Kriterien erfolgen
Die COVID-19-Krise und die Digitalisierung treiben die Rechtsabteilungen deutscher Unternehmen verstärkt dazu an, Mandate zur Rechtsberatung durch externe Kanzleien kostenbewusster zu erteilen – bei konstant hohen Qualitätsansprüchen. Zugleich erhöhen immer kompliziertere Produkte und gesetzliche Bestimmungen den Bedarf an kompetenter Rechtsberatung. Entscheider sollten sich bei der Mandatsvergabe stärker an objektiven ökonomischen Gesichtspunkten orientieren – zumal es Legal-Tech-Lösungen immer einfacher machen, Rechtsdienstleistungen nach sachlichen Kriterien zu beurteilen.
Dies sind die Kernergebnisse der Studie „Pitch auf Augenhöhe“, für die die PricewaterhouseCoopers Legal Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsgesellschaft (PwC Legal) insgesamt 62 Unternehmen befragt hat. Mit einem Anteil von 14,5 Prozent stellen Banken und Sparkassen die am stärksten vertretene Branche dar, gefolgt vom Dienstleistungssektor (12,9 Prozent), IT/Telekommunikation (11,3 Prozent) und Automotive (9,7 Prozent).
Die Studie betont: Durch mehr Ausschreibungen und Wettbewerb können Unternehmen ihre Verhandlungsposition verbessern. Dabei sollten interne Reibungsverluste bei der Mandatierung möglichst gering sein. Ein „Pitch auf Augenhöhe“ wird das vertraute Vier-Augen-Gespräch zwischen Mandanten und Kanzleien zunehmend ablösen, so die Studienautoren.
Unternehmen setzen immer häufiger auf Kanzlei-Panels
In mehr als acht von zehn Unternehmen (84 Prozent) beauftragt die Geschäftsleitung externe Sozietäten. Stärkster Treiber ist das Topmanagement. Folglich sind Vorstände bzw. Geschäftsführungen an fast allen Mandatsvergaben beteiligt (92 Prozent), in mehr als vier von zehn Fällen (42 Prozent) entscheiden sie direkt darüber. Weitere Treiber sind die Unternehmensziele (64 Prozent), und mehr als die Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) nennt etablierte Regelungen, etwa Gesetze oder Betriebsvereinbarungen.
Panels für Anwält:innen oder Kanzleien finden immer größere Verbreitung. Fast die Hälfte der Unternehmen (54 Prozent) verfügt über eine solche Vorauswahl an Rechtsanwält:innen bzw. „Certified Law Firms“, deren Rechtsberatung sie laufend abrufen. Aber: Nur bei 28,6 Prozent dieser Unternehmen muss sich die Rechtsabteilung verbindlich an die Anwält:innen und Kanzleien des Panels halten.
In mehr als 70 Prozent der Unternehmen können Mandate zur Beratung freihändig vergeben werden. Sie sichern externen Kanzleien also meist keine Exklusivität zu – und bringen sich damit um Kostenvorteile.
Einkauf bleibt bei Mandatierung häufig außen vor
Während die Jurist:innen in Unternehmen besonderen Wert auf die Fachkompetenz externer Kanzleien und Anwält:innen legen, achtet der Einkauf beim Thema Rechtsberatung vor allem auf kostengünstige Angebote – aufgrund der unterschiedlichen Interessenslage ein oftmals spannungsgeladenes Verhältnis. Der PwC-Studie zufolge sind Einkauf beziehungsweise Procurement nicht einmal in jede zweite Mandatierung eingebunden (45 Prozent). Jeder dritte Befragte (34 Prozent) ist allerdings dafür, dass der Einkauf stärker in die Auswahl der Rechtsberatung einbezogen wird. Im Idealfall befruchten sich beide Seiten gegenseitig.
Viele Studienteilnehmer:innen finden, der Einkauf sollte bei Entscheidungen stärker einbezogen werden. Im Idealfall befruchten sich beide Seiten gegenseitig.
Referenzen, Reputation und Empfehlungen sind Top-Auswahlkriterien für Mandanten
Referenzen sind für Anwält:innen und Kanzleien das Verkaufsargument schlechthin. Fast alle befragten Topmanager:innen (94,9 Prozent) halten diese bei der Auswahl für wichtig bzw. sehr wichtig, dicht gefolgt von der Reputation mit 90 Prozent. Und nur wenig bleibt geheim: Drei Viertel der Entscheidungsträger:innen tauschen sich vor der Beauftragung einer Kanzlei mit anderen Unternehmen aus.
Bei ihren Entscheidungen gehen die knapp die Hälfte Rechtsabteilungen (47 Prozent) in drei Stufen vor. Zunächst bitten die Unternehmen beim sogenannten Screening eine engere Auswahl an Kanzleien um Angebote. Im Anschluss erhalten einige Kanzleien zur Präsentation ihrer Sozietät und ihres Leistungsspektrums eine Einladung („Pitch“). Im dritten Schritt erfolgt schließlich die konkrete Auswahl.
Ein zweites Auswahlgespräch integrieren allerdings noch rund ein Drittel der Befragten (35 Prozent). Pro Pitch beurteilen drei Viertel der Unternehmen dann höchstens drei Kanzleien – und listen genauso viele Panel-Kanzleien für jedes Rechtsgebiet.
Unternehmen wollen verständlicherweise ihren Aufwand mit begrenzter Teilnehmerzahl beim Pitch reduzieren. Dabei besteht die Gefahr, unbekanntere, aber leistungsstarke Anbieter von Rechtsdienstleistungen außer Acht zu lassen.
Nicht einmal die Hälfte der Unternehmen vergibt Mandate nach objektiven Kriterien
In aller Regel ist die Rechtsabteilung in die Vergabe von Mandaten zur rechtlichen Beratung involviert, wie mehr als acht von 10 der befragten Unternehmen (84 Prozent) angeben. Die Anwält:innen in Unternehmen sind zumeist auch für die Auswahl externer Kanzleien im Zuge eines Pitch-Verfahrens verantwortlich.
Allerdings haben bislang nur 45 Prozent der Unternehmen ein standardisiertes, objektives Auswahlverfahren etabliert. Und 50 Prozent der Befragten geben an, noch gar kein solches Prozedere festgelegt zu haben. Immerhin: Knapp 5 Prozent der Befragten planen ein solches Standard-Pitch-Verfahren. Am häufigsten erfolgt die Auswahl für die Beratung mittels Pitch-Prozess bei der Vergabe von Großprojekten (54 Prozent).
Ebenso auffällig: Auf Seiten der Anwält:innen und Kanzleien hat sich das Prinzip „One Face to the Customer“ noch nicht durchgesetzt. Nur knapp der Hälfte der Kanzleien (43,6 Prozent) bietet ihren Mandanten eine:n direkte:n Ansprechpartner:in.
Je besser die Strukturen und Prozesse in Unternehmen, desto klarer die Aufgabenbeschreibungen. So können externe Rechtsberater:innen auch bei komplexen Mandaten genauer kalkulieren.