Gesellschaftsrecht

Neues zur Haftung des Liquidators bei der GmbH: § 64 Satz 1 GmbHG mutiert auch nach Beendigung der Liquidation nicht zu einem Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB

Verfasst von

Dr. Thomas Wenninger, LL.M. (GWU)

Nachdem sich der BGH erst kürzlich mit der Haftung des GmbH-Geschäftsführers nach § 64 Satz 1 GmbHG auseinandergesetzt hat (siehe Blog-Beitrag vom 20. Dezember 2019), äußerte er sich mit Urteil vom 19. November 2019 (Az. II ZR 233/18) erneut zu diesem Thema. 

Hintergrund

Haben die Gesellschafter die Auflösung der GmbH beschlossen, schließt sich die Phase der Liquidation an. Aufgabe der Liquidatoren ist es, die laufenden Geschäfte der aufgelösten Gesellschaft zu beenden, die verbliebenen Verpflichtungen der Gesellschaft zu erfüllen, ausstehende Forderungen einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft in Geld umzusetzen (§ 70 GmbHG). Ein Liquidationserlös darf erst nach Ablauf des Sperrjahrs an die Gesellschafter verteilt werden (§ 73 Abs. 1 GmbHG). Wurde die Liquidation auf diese Weise abgeschlossen und wurde die Schlussrechnung gelegt, haben die Liquidatoren den Schluss der Liquidation zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Erst dann wird die Gesellschaft aus dem Handelsregister gelöscht (§ 74 Abs. 1 GmbHG).

Das Urteil des BGH vom 19. November 2019 (Az. II ZR 233/18) betraf nun eine Konstellation, in welcher ein Gläubiger, obgleich Inhaber einer rechtskräftig festgestellten Forderung gegen eine erloschene GmbH & Co. KG, deren einzige persönlich haftende Komplementärin die GmbH gewesen war, in der Liquidation der GmbH übergangen worden war. Nach Beendigung der Liquidation und Löschung der GmbH aus dem Handelsregister wandte sich der übergangene Gläubiger an den Liquidator, der zugleich Alleingesellschafter der aufgelösten GmbH gewesen war, und nahm ihn wegen seiner Forderung gegen die bereits beendete und aus dem Handelsregister gelöschte GmbH persönlich in Anspruch. Ein pikantes Detail bildete der Umstand, dass der Liquidator sich noch vor Beendigung der Liquidation eine Vergütung von rund EUR 28.000 aus dem Gesellschaftsvermögen genehmigt hatte.

Entscheidung

Das Berufungsgericht hatte dem Gläubiger gegen den Liquidator einen Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 71 Abs. 4, 64 Satz 1 GmbHG zugebilligt. Zwar sei an sich die GmbH Inhaberin des Anspruchs nach §§ 71 Abs. 4, 64 Satz 1 GmbHG. Nach Abschluss der Liquidation könnten übergangene Gesellschaftsgläubiger mittels § 823 Abs. 2 BGB indes unmittelbar einen Anspruch gegen den Liquidator geltend machen.

Der BGH erteilte diesen Überlegungen eine klare Absage, hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Der BGH führte aus, dass es sich bei § 64 Satz 1 GmbHG um keinen Deliktstatbestand, sondern um einen Ersatzanspruch sui generis (also eigener Art) handelt, welcher der Erhaltung der verteilungsfähigen Vermögensmasse der insolvenzreifen GmbH im Interesse der Gesamtheit ihrer Gläubiger dient. Es handele sich bei § 64 Satz 1 GmbHG hingegen nicht um ein Schutzgesetz im Interesse einzelner Gläubiger (so bereits BGH, Urteil v. 21. Mai 2019, Az. II ZR 337/17). Das gelte auch für den Zeitraum nach Abschluss der Liquidation. Der einzelne GmbH-Gläubiger kann sich deshalb nicht auf einen Verstoß des Liquidators gegen §§ 71 Abs. 4, 64 Satz 1 GmbHG berufen.

Ohne die besonderen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung von Ansprüchen nach Beendigung der GmbH zu verkennen, lehnte der BGH auch einen Anspruch des übergangenen Gläubigers gegen den ehemaligen Alleingesellschafter gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG analog ab, weil es sich bei dem Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG um einen Anspruch der Gesellschaft handelt, den ein Gesellschaftsgläubiger nicht aus eigenem Recht verfolgen kann.

Aus Sicht des BGH kann sich ein Schadensersatzanspruch des übergangenen Gläubigers gegen den Liquidator hingegen aus § 73 Abs. 3 GmbHG ergeben, weil es sich bei der Vergütung, welche sich der Liquidator genehmigt hatte, um eine verdeckte Ausschüttung an den Gesellschafter der aufgelösten GmbH und damit um einen Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG gehandelt habe. Nach der Löschung der GmbH aus dem Handelsregister sei der übergangene Gläubiger berechtigt, gestützt auf § 73 Abs. 3 GmbHG von dem Liquidator eine Leistung unmittelbar an sich zu fordern. Das ergebe sich aus einer Analogie zu §§ 268 Abs. 2 Satz 1, 93 Abs. 5 AktG und gelte jedenfalls dann, wenn keine weiteren übergangenen Gläubiger vorhanden sind (so bereits BGH, Urteil v. 13. März 2018, Az. II ZR 158/16). Daneben komme auch ein Schadensersatzanspruch des übergangenen Gläubigers gegen den Liquidator gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO in Betracht.

Praxishinweis

Mit dem Urteil vom 19. November 2019 hat der BGH seine Rechtsprechung gefestigt, dass es sich bei § 64 Satz 1 GmbHG nicht um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt. In Anbetracht des „scharfen Schwerts“ des § 64 Satz 1 GmbHG ist das eine erfreuliche Nachricht für Liquidatoren einer GmbH. Außerdem blieb der BGH seiner Linie treu, dass ein auf § 31 Abs. 1 GmbHG analog gestütztes Verfolgungsrecht von Gesellschaftsgläubigern nicht in Betracht kommt.

Die für die Haftung des Liquidators gegenüber übergegangenen Gläubigern anzuwendenden Vorschriften nach Beendigung der GmbH sind stattdessen § 73 Abs. 3 GmbHG und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 15a InsO. Nach Beendigung der GmbH kann der übergangene Gläubiger gestützt auf § 73 Abs. 3 GmbHG Leistung unmittelbar an sich verlangen, wenn keine weiteren übergangenen Gläubiger vorhanden sind.

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