Gesellschaftsrecht

Nach dem LkSG und vor der CSDDD – welche Auswirkungen haben die angedachten Vorgaben im Bereich des Sustainable Corporate Governance auf Organpflichten im Rahmen des Gesellschaftsrechts?

Verfasst von

Dr. Thorsten Ehrhard

David Santa

Das EU-Parlament hat am 01.06.2023 einen Beschluss über die Ausrichtung zur EU-Lieferkettenrichtlinie (sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive, kurz CSDDD) gefasst. Bis zum Herbst 2023 sollen nun die Verhandlungen zwischen Parlament, Kommission und Rat über die finale Abstimmung der Richtlinie geführt werden. Die Regelungen werden – auf Grundlage der Beschlussfassung vom 01.06.2023 – zu einer Verschärfung der Sorgfaltspflichten in der Wertschöpfungskette führen und hieraus folgend den Nachjustierungsbedarf hinsichtlich bestehender Governance Strukturen sowie bestehender Compliance Management Systeme zur Folge haben.

Sorgfaltspflichten nach dem Entwurf der CSDDD

Bezugspunkt der Sorgfaltspflichten in der CSDDD wird die Wertschöpfungskette eines Unternehmens sein. Der Begriff der Wertschöpfungskette soll zum einen sowohl direkte sowie indirekte Geschäftsbeziehungen sowie zum anderen vor – und nachgelagerte Wertschöpfungsketten mit umfassen. Ausdrücklich umfasst sind nachgelagerte Wertschöpfungsketten nach dem Beschluss des EU-Parlaments vom 01.06.2023, die den Verkauf, den Vertrieb, den Transport, die Lagerung und die Abfallbewirtschaftung der eigenen Produkte durch Dritte betreffen.

Das EU-Parlament erweitere in seinem Beschluss vom 01.06.2023 die Liste der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Schützgüter um beispielsweise das Recht auf existenzsicherndes Einkommen für Selbstständige und Kleinbetriebe, die Erweiterung der Rechte der indigenen Völker, die Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasimmissionen des Pariser Abkommens, die Sicherung der biologischen Vielfalt sowie die Vermeidung der Verschmutzung der Meere.

Auf der Rechtsfolgenseite ist dem Entschluss des EU-Parlaments zu entnehmen, dass im Fall eines Verstoßes gegen die Sorgfaltspflichten, die sich auf die Sicherstellung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Schützgüter beziehen, ein Bußgeld-Höchstsatz von mindestens 5 % des Jahreskonzernumsatzes zu entnehmen. Zusätzlich soll der zivilrechtliche Haftungstatbestand der Richtlinie auf die Verletzung jeder Pflicht aus der Richtlinie ausgeweitet werden und von prozessualen Erleichterungen flankiert werden. Das Parlament fordert eine Verjährungsfrist von mindestens 10 Jahren sowie eine Prozessstandschaft für Gewerkschaften und NGOs sowie die Einführung von einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Auswirkungen des Entwurfs der CSDDD auf Organpflichten

Der Entwurf hat für sich betrachtet noch keine Auswirkungen auf unmittelbare Organpflichten oder von Unternehmensseite zu befolgende Vorgaben. Gegenwärtig treffen Unternehmen und damit auch Organe von Unternehmen im nationalen Bereich die Regelungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Die von dem EU-Parlament am 01.06.2023 beschlossene Fassung des Entwurfs der CSDDD weist eine große strukturelle Ähnlichkeit zu den bereits bestehenden Regelungen und Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes auf. Die vom Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz betroffenen Unternehmen können daher nach der Umsetzung der nationalen Vorgaben bei Inkrafttreten der gegenwärtig diskutierten Regelungen des Entwurfs der CSDDD ihre Lieferketten-Compliance punktuell nachschärfen. Im Interesse der Vermeidung zivilrechtlicher Haftung wird eine entsprechende Nachschärfung empfehlenswert sein. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die Arbeitnehmer- und Umsatzschwellen des Anwendungsbereichs für EU-Unternehmen nach dem Entwurf der CSDDD sowie für Unternehmen nach dem Recht eines Drittstaats im Vergleich zu den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes stark herabgesetzt werden wird und zudem der Unternehmensbegriff extensiver ausgestaltet werden soll und neben Kapitalgesellschaften auch Personengesellschaften wie die OHG oder die KG erfassen soll. Eine Zurechnung zur obersten Konzerngesellschaft wird nach dem Entwurf des CSDDD in der Beschlussfassung des EU-Parlaments vom 01.06.2023 ebenso wie dies bereits nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz bekannt ist – auch auf Ebene der Corporate Sustainability Due Diligence Directive geregelt werden.

Für die Pflichten der Organwalter eines Unternehmens gilt es, die weitere Entwicklung und insbesondere die Umsetzungsverpflichtungen in Bezug auf den Entwurf der CSDDD aktiv und eng zu begleiten, um die eigenen Gesellschaften auf die Ziele der Nachhaltigkeit hin bereits frühzeitig auszurichten und vorzubereiten