Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Keine 100 Prozent Beitragsgarantie mehr in der betrieblichen Altersversorgung (bAV)?

Verfasst von

Dietmar Ketzer

Der Anlass

Anfang 2022 sinkt der Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung auf 0,25 Prozent, so dass nach Abzug von Kosten prognostisch nicht mehr 100 Prozent der eingezahlten Beiträge garantiert werden können.

In der betrieblichen Altersversorgung wirkt sich dies auf die versicherungsförmigen Durchführungswege (Pensionskasse, Direktversicherung sowie Pensionsfonds) und auf Direkt- und Unterstützungskassenzusagen mit versicherungsförmiger Rückdeckung aus.

Einige Versicherer bieten Neukunden bereits jetzt nur noch 80 Prozent-Garantien an, obwohl nicht abschließend geklärt ist, in welchen Finanzierungs- und Zusagearten dies rechtlich zulässig ist.

Ist eine solche „Unterfinanzierung“ aus arbeitsrechtlicher Sicht nicht zulässig, wird der Arbeitgeber im Leistungsfall die Differenz zur Beitragssumme aufgrund seiner Einstandspflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG aufzufüllen haben.

Neugestaltung von Versorgungszusagen

Zur Vermeidung von Arbeitgeberrisiken sollten für neu eintretende Arbeitnehmer die Versorgungszusagen – den vorliegenden Erkenntnissen entsprechend – an die Beitragsgarantie von unter 100 Prozent angepasst werden.

Dabei wird maßgeblich zwischen der arbeitgeberfinanzierten bAV und der bAV durch Entgeltumwandlung, sowie den konkreten Zusagearten Beitragszusage mit Mindestleistung oder beitragsorientierte Leistungszusage zu unterscheiden sein. Zu berücksichtigen ist ferner, dass tarifrechtliche Entgeltgleichheitsgebot.

Arbeitgeberfinanzierte bAV in Form der Beitragszusage mit Mindestleistung oder beitragsorientierte Leistungszusage

Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist es bei der Beitragszusage mit Mindestleistung jedenfalls, wenn diese eine reine Altersversorgungsleistung vorsieht, nicht zulässig, wenn die spätere Versorgungsleistung nicht den eingezahlten Beiträgen entspricht.

Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass mehrere große Lebensversicherer bereits jetzt in der Beitragszusage mit Mindestleistung keine Neuverträge mehr abschließen und sie für bereits bestehende Gruppenversicherungsverträge nur noch übergangsweise anbieten.

Bei der beitragsorientierten Leistungszusage besteht dagegen Spielraum. Sie wird in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG als Pflicht des Arbeitgebers definiert, bestimmte Beiträge in eine Anwartschaft auf Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung umzuwandeln.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG v. 30.08.2016 – 3 AZR 361/15) setzt die arbeitsrechtliche Qualifikation als beitragsorientierte Leistungszusage nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG voraus, dass

  • der Arbeitgeber sich verpflichtet, Beiträge bereitzustellen,
  • die zugesagten Leistungen sich aus diesen Beiträgen ableiten und
  • ein direkter Zusammenhang zwischen dem Finanzierungsbeitrag und der daraus resultierenden Leistung in der Weise gegeben sein muss, dass zum Zeitpunkt der Umwandlung unmittelbar feststeht, welche Anwartschaft auf künftige Leistungen die Arbeitnehmer durch die Beitragsumwandlung erwerben.

Über diesen Unmittelbarkeitszusammenhang hinaus, sind weder dem Gesetzestext noch der Entscheidung des BAG zu entnehmen, dass ein bestimmtes Garantieniveau erzielt werden muss.

Daher vertreten die unter Druck geratenen Lebensversicherer durchgehend, dass in der beitragsorientierten Leistungszusage ein Garantieniveau von unter 100 % der Beiträge zulässig ist, da für deren Vorliegen lediglich die eindeutige Bestimmbarkeit der zugesagten Leistung zum Umwandlungsstichtag als notwendig erachtet wird.

Das kann man auch anders sehen, wenn man auf die historische Entwicklung des BetrAVG abstellt. Ursprünglich gab es ausschließlich Leistungszusagen und beitragsorientierte Leistungszusagen. Dann folgte die Einführung der Beitragszusage mit Mindestleistung als eine schrittweise Risikominimierung zugunsten des Arbeitgebers. Diese Entwicklung hat der Gesetzgeber 2018 mit der Einführung der sogenannten reinen Beitragszusage fortgesetzt, die keinerlei Garantieleistungen mehr vorsieht.

So sehr die von der Versicherungswirtschaft vertretene pragmatische Begründung verfängt, so vermag diese doch nicht zu erklären, welche Untergrenze eine Garantie erfüllen muss, um die beitragsorientierte Leistungszusage von der reinen Beitragszusage abzugrenzen. An die vollständige Garantiefreiheit hat der Gesetzgeber zahlreiche Restriktionen geknüpft. Sie ist ausschließlich mit bestimmten Sicherungspuffern möglich und zudem in Durchführung und Steuerung unter die Schutzherrschaft der Tarifvertragsparteien gestellt. Es ist nicht ersichtlich, ab welcher Untergrenze diese Schutzmechanismen auch für eine beitragsorientierte Leistungszusage mit abgesenkter Garantie gefordert werden müssten oder ob sich abgesenkte Garantien und Garantiefreiheit sogar gegenseitig ausschließen.

Bisher hat das BAG diese Fragen nicht beantworten müssen. Das könnte sich ändern, wenn der Höchstrechnungszins für Lebensversicherungsunternehmen weiter abgesenkt wird und damit als Reflex auch Beitragsgarantien von weit unter 80 Prozent wahrscheinlich werden.

Entgeltumwandlung

Im Rahmen der Entgeltumwandlung ist die Frage in einem anderen Licht zu betrachten, denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG sind die abzuführenden Entgeltbestandteile in eine wertgleiche Versorgungsanwartschaft umzuwandeln. Dies hört sich zunächst nach einer Beitragsgarantie an.

Wertgleichheit ist allerdings gegeben, wenn der Wert der Versorgungsanwartschaft gleich den abgeführten Entgeltbestandteilen ist. Dabei ist nicht notwendigerweise auf die Garantieleistung abzustellen, vielmehr zahlen nach der Rechtsprechung des BAG auch Abschluss- und Verwaltungskosten sowie Risikobeiträge auf die Wertgleichheit ein.

Daher ist es naheliegend, dass abgesenkte Garantien vor allem dann akzeptiert werden können, wenn im Gegenzug zur Absenkung Chancen auf Überschüsse (neu) erschlossen werden. Diese werden in der Regel aus einer freieren Kapitalanlage des Lebensversicherers erwirtschaftet. Ob das BAG künftig eine Untergrenze ziehen wird bzw. die soziale Verantwortung zur Verteilung der Kapitalanlagerisiken – ganz oder teilweise – den Arbeitgebern auferlegen wird, bleibt abzuwarten.

Umwandlung von Tariflohn

Unabhängig von diesen Fragen ist bei der Einführung einer betrieblichen Altersversorgung über Entgeltumwandlung gesondert zu beachten, dass die Umwandlung von Tariflohn gem. § 20 Abs. 1 BetrAVG nur insoweit zulässig ist, als dies im Tarifvertrag vorgesehen ist.

Die Entgeltumwandlung in Produkte ohne Beitragsgarantie kann daher bei beiderseitiger Tarifbindung ausgeschlossen sein, wenn der Tarifvertrag entsprechende Einschränkungen enthält.

Praxishinweis

Arbeitgeber sind gut beraten, nicht jeder Beteuerung ihres Produktgebers zu abgesenkten Garantien und Untergrenzen zu glauben, sondern eine unabhängige Expertise einzuholen.

Auch bei der Entgeltumwandlung tun Arbeitgeber gut daran, sich unabhängig beraten zu lassen, wie wahrscheinlich mit der Garantieabsenkung einhergehende Ertragschancen sind und ob die Erträge auch tatsächlich dem Arbeitnehmer zukommen.