Außenwirtschaftsrecht – EU-Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in Kraft getreten
Die Bundesregierung hatte zuletzt mit Wirkung zum 29. Dezember 2018 die Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) über den Erwerb deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren weiter verschärft. Nunmehr hat auch der Europäische Gesetzgeber erstmals einen rechtlichen Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der EU in Kraft gesetzt.
Die Debatte um eine ausreichende Kontrolle von Investitionen von Akteuren aus Nicht-EU-Staaten, insbesondere aus China, ist nicht auf Deutschland und seinen Hochtechnologie-Sektor beschränkt, sondern findet seit einigen Jahren auch verstärkt auf EU-Ebene statt.
Zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichem Wachstum sind ausländische Direktinvestitionen in der EU nach wie vor erwünscht. Dennoch haben insbesondere verschiedene Investments im Infrastrukturbereich einiger EU-Mitgliedstaaten den EU-Organen Anlass dazu gegeben, über eine verstärkte Kontrolle von strategischen Investitionen ausländischer Akteure im Unionsgebiet nachzudenken.
Investitionskontrolle durch die Europäische Union?
Das Ergebnis dieser Überlegungen ist die Verordnung (EU) 2019/452 vom 19. März 2019 zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union, die am 10. April 2019 in Kraft getreten ist. Die Regelungen der Verordnung gelten ab dem 11. Oktober 2020, um Unternehmen und Behörden ausreichend Zeit zur Einstellung auf den neuen Rechtsrahmen zu gewähren. Ein eigenständiges europäisches Investitionskontrollverfahren – etwa nach Vorbild des EU-Beihilfenrechts – wird durch die Verordnung jedoch nicht geschaffen. Die Verordnung lässt vielmehr die nationalen Regelungen zur Investitionskontrolle in den Mitgliedstaaten grundsätzlich unberührt und soll diese lediglich ergänzen.
Regelungen zu Kooperation und Informationsaustausch
Kern der Verordnung sind verschiedene Mechanismen zu Kooperation und Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission hinsichtlich geplanter bzw. getätigter ausländischer Direktinvestitionen. Wird z.B. in Deutschland eine geplante Transaktion vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) überprüft, muss das BMWi dies künftig der Kommission und den übrigen Mitgliedstaaten mitteilen und entsprechende Informationen bereitstellen. Wenn nun ein anderer Mitgliedstaat der Auffassung ist, diese Transaktion könne seine Sicherheit und öffentliche Ordnung beeinträchtigen, so kann er hierzu begründete Kommentare an das BMWi (und gleichzeitig an die Kommission) richten. Ist die Kommission der Ansicht, dass die betreffende Transaktion die Sicherheit und öffentliche Ordnung in mehr als einem Mitgliedstaat beeinträchtigen könnte, so kann sie künftig eine Stellungnahme an das BMWi richten oder zusätzliche Informationen anfordern. Das BMWi muss diese Kommentare bzw. Stellungnahmen dann im Rahmen seiner Prüfung angemessen berücksichtigen. Die Letztentscheidung über die Zulässigkeit einer geplanten Transaktion verbleibt jedoch auch nach der neuen EU-Verordnung bei den jeweils zuständigen nationalen Behörden, in Deutschland somit beim BMWi.
Berücksichtigung des Unionsinteresses
Bemerkenswert ist dabei ferner, dass die Verordnung im Ansatz auch ein genuines Unionsinteresse im Bereich der Investitionskontrolle formuliert. Ist die Kommission nämlich der Auffassung, dass eine Direktinvestition mit Blick auf Sicherheit und öffentliche Ordnung Projekte oder Programme von Unionsinteresse beeinträchtigen könnte, kann sie ebenfalls eine Stellungnahme an den betreffenden Mitgliedstaat richten, in dem die Investition geplant ist bzw. abgeschlossen wurde. Der Mitgliedstaat hat dieser Stellungnahme umfassend Rechnung zu tragen und der Kommission eine Erklärung abzugeben, wenn er deren Stellungnahme nicht nachkommt. Zu den Projekten oder Programmen von Unionsinteresse im Sinne der Verordnung gehören u.a. die Transeuropäischen Energienetze (TEN-E), das Transeuropäische Verkehrsnetz (TEN-T), die Transeuropäischen Netze im Bereich der Telekommunikation, die Europäischen Programme über globale Satellitennavigationssysteme (Galileo und EGNOS) etc.
Praktische Folgen
Im Ergebnis bedeutet dies, dass Investitionen in deutsche Unternehmen von Akteuren aus Nicht-EU-Staaten zwar auch künftig durch das BMWi anhand des deutschen Außenwirtschaftsrechts beurteilt werden. Jedoch wird der rechtliche Rahmen durch die neuen Mechanismen der EU-Verordnung komplexer. Dies wird voraussichtlich zu längeren Verfahrensdauern vor dem BMWi führen. Entsprechende Ankaufsbemühungen ausländischer Investoren sollten daher noch frühzeitiger auf ihre außenwirtschaftsrechtlichen Erfordernisse geprüft werden.
Dazu wird in der Praxis insbesondere eine Vorabprüfung gehören, ob die betreffende Transaktion Auswirkungen in mehreren EU-Mitgliedstaaten haben kann bzw. einen substantiellen Infrastrukturbezug hat. Wenn dies der Fall ist, sollten die von der Verordnung vorgegebenen Informationsbestandteile bereits frühzeitig zusammengestellt werden, damit etwaige Auskunftsersuchen zeitnah beantwortet werden können. Da es die Parteien der Transaktion dann nicht mehr nur mit dem BMWi, sondern letztlich auch mit der Kommission bzw. Behörden anderer EU-Mitgliedstaaten zu tun haben, wird dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen der betroffenen Unternehmen künftig noch eine größere Bedeutung zukommen. Art und Umfang der Übersendung angefragter Informationen ist daher in besonderem Maße zu prüfen, gegebenenfalls in Abstimmung mit dem BMWi. Letztlich wird für die Spanne zwischen Signing und Closing einer Transaktion, in der eine außenwirtschaftsrechtliche Prüfung typischerweise stattfindet, somit grundsätzlich mehr Zeit eingeplant werden müssen.