EFTA-Prüfverfahren eröffnet: Beihilfenrechtliche Prüfung des Betriebs der Straßenbeleuchtung
Die EFTA-Aufsichtsbehörde (nachfolgend: EFTA) hat ein beihilfenrechtliches, förmliches Prüfverfahren gegen Norwegen wegen der Finanzierung des Betriebs der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in der Gemeinde Bergen eröffnet. Die Behörde prüft, ob die Gemeinde einem überwiegend kommunal gehaltenen Unternehmen, welches die Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in Bergen betreibt und wartet, unzulässige Beihilfen gewährt hat. Das EFTA-Prüfverfahren kann erhebliche Auswirkungen auf deutsche Kommunen und Kommunalunternehmen nach sich ziehen, weil die Entscheidungspraxis der jeweiligen für Beihilfesachen zuständigen Institutionen der EFTA und der EU vielfach eine wechselseitige Rechtserkenntnisquelle ist.
In Norwegen sind die Kommunen für die Finanzierung und den Betrieb der öffentlichen Straßenbeleuchtung zuständig. Die Gemeinde Bergen hat die BKK bzw. eine ihrer Tochtergesellschaften (nachfolgend im Ganzen: BKK) ohne Ausschreibung mit dem Betrieb und der Wartung der öffentlichen Straßenbeleuchtung in Bergen beauftragt. BKK ist ein kommunales Unternehmen, an dem die Gemeinde Bergen sowie weitere norwegische Gemeinden und ein großes staatliches Unternehmen beteiligt sind. Die BBK ist Eigentümerin von einem Großteil der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur in Bergen.
Auf die Beschwerde eines Wettbewerbers hin untersucht die EFTA verschiedene Maß-nahmen der Gemeinde Bergen: Erstens hat die EFTA Zweifel daran, dass die Vergütung für den Betrieb und die Wartung angemessen sei. Zweitens hat die Gemeinde auf eigene Kosten 12.000 LED- Lampenfassungen beschafft und BBK zur Verfügung gestellt. BKK hat damit die alten Fassungen in der Straßenbeleuchtungsinfrastruktur ersetzt. Drittens soll die Gemeinde die Investitionskosten der BKK für die öffentliche Straßenbeleuchtung übernommen haben.
Rechtliche Rahmenbedingungen des Beihilfenrechts
Ebenso wie in den EU-Mitgliedsstaaten sind in den EFTA-Mitgliedstaaten Norwegen, Island und Lichtenstein Beihilfen im Grundsatz verboten. Vereinfacht gesagt ist eine Beihilfe jede staatliche Maßnahme, die ein Unternehmen wirtschaftlich begünstigt und dadurch den Wettbewerb zwischen Unternehmen in der EU verzerren kann. Die EFTA prüft die Einhaltung der beihilfenrechtlichen Regelungen und übt entsprechende Aufgaben wie die EU-Kommission aus. Dabei orientiert sich die EFTA an der Spruchpraxis der europäischen Gerichte und der EU-Kommission. In dem hier relevanten Sachverhalt prüft die EFTA vor allem, ob BKK überhaupt ein Unternehmen ist und ob BKK von der Gemeinde Bergen begünstigt wurde.
Vorteil zugunsten der BKK?
Notwendige Voraussetzung einer Beihilfe ist, dass sie einem Unternehmen gewährt wird. Ein Unternehmen ist jede Einheit, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Bestimmte hoheitliche Tätigkeiten, wie Polizei oder Feuerwehr, sind keine wirtschaftlichen Tätigkeiten. Auch andere Tätigkeiten wie die Revitalisierung öffentlicher Grundstücke durch Behörden hat die EU-Kommission als nicht wirtschaftliche Tätigkeiten eingeordnet. Die Finanzierung dieser Tätigkeiten unterliegt damit nicht dem Beihilfenrecht. Norwegen argumentiert, die BKK übe keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Es gebe keine privaten Abnehmer von Serviceleistungen für die Straßenbeleuchtungsinfrastruktur. Des-wegen sei die Tätigkeit auch nicht wirtschaftlich. Die EFTA ordnet demgegenüber die Tätigkeiten als wirtschaftlich ein. Auch auf Märkten, bei denen es nur öffentliche Abnehmer gebe, könne Wettbewerb zwischen den Unternehmen bestehen. Eine Tätigkeit bleibe auch dann wirtschaftlich, wenn die öffentliche Hand diese Tätigkeit aus Gemein-wohlinteresse beschaffe.
Des Weiteren prüft die EFTA, ob die Gemeinde die BKK durch die drei o.g. Maßnahmen begünstigt hat. Ein Unternehmen wird begünstigt, wenn es einen Vorteil erhält, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Ob eine Maßnahme ein Unternehmen bevorteilt, wird in einen sog. Market Economy Operator Test (MEOT) festgestellt. Bei diesem Test wird geprüft, ob sich die öffentliche Hand wie ein marktwirtschaftlich handelndes Unternehmen verhält. Der Test ist an die Spezifika der Transaktion anzupassen. Zum Beispiel gilt bei der Prüfung von Beschaffungsvorgängen der öffentlichen Hand der Private Purchaser Test; bei Investitionsentscheidungen der öffentlichen Hand gilt der Private Investor Test.
Die EFTA bezweifelt, dass der Servicevertrag von BKK mit der Gemeinde Bergen einem Private Purchaser Test standhält, ob der Vertrag also zu marktüblichen Bedingungen abgeschlossen wurde. Die EFTA hält die zwischen der Gemeinde und BKK vereinbarte Vergütung für den Betrieb und die Wartung im Vergleich zu anderen ihr bekannten Ver-gütungen für ungleich höher.
In der Differenz könne eine Beihilfe liegen. Die Gemeinde Bergen macht geltend, dass die BKK auf der Grundlage ihrer Eigentümerstellung anderen Unternehmen den Zugang zu der öffentlichen Straßenbeleuchtungsinfrastruktur verweigert habe. Sie habe deshalb kein anderes Unternehmen mit dem Betrieb und der Wartung beauftragen können. Wegen dieser Monopolstellung habe die Gemeinde keine besseren Konditionen durchsetzen können. Der vergleichsweise hohe Preis sei damit marktüblich. Die EFTA hat diese Begründung bisher nicht akzeptiert, sondern verlangt weitere Nachweise.
Die EFTA bezweifelt auch, dass ein privater Einkäufer die 12.000 LED-Fassungen für die Infrastruktur der BKK finanziert hätte. Die Gemeinde Bergen macht geltend, dass sie durch die neuen Fassungen ihre Stromkosten senken könne. Die EFTA ist zwar bereit, dieses Ziel anzuerkennen. Allerdings habe Norwegen auch bei diesem Punkt bisher versäumt, aussagekräftige Unterlagen zur Marktüblichkeit vorzulegen. Schließlich bezweifelt die EFTA, dass ein privater Einkäufer die Investitionskosten für die Finanzierung der LED-Fassungen übernommen hätte.
Bewertung
Ob Norwegen die EFTA dadurch abschütteln kann, dass es den Betrieb der öffentlichen Straßenbeleuchtung zur nicht wirtschaftlichen Tätigkeit erklärt, erscheint äußerst fraglich. Auch anderen Tätigkeiten, die überwiegend oder ausschließlich von öffentlichen Auftraggebern in Anspruch genommen werden (z. B. Entwicklung von Wehrmaterial), hat die EU-Kommission bisher nicht ihre Wirtschaftlichkeit abgesprochen. Damit ist das Prüfverfahren in Norwegen auch ein wichtiges Signal für Kommunen in Deutschland. Ähnlich wie in Norwegen sind auch in Deutschland die Kommunen für die öffentliche Straßenbeleuchtung zuständig. Und auch in Deutschland beauftragen Gemeinden häufig (kommunale) Unternehmen ohne Ausschreibung. Die Beauftragung ohne Ausschreibung mag zwar mit dem Inhouse-Privileg oder durch die Tatsache, dass lediglich ein Unternehmen über die entsprechenden Eigentumsrechte (z. B. an den Verteilerschränken, Trafostationen etc.) verfügt, gerechtfertigt sein. Sieht der Auftraggeber aber von der Durchführung eines Vergabeverfahrens ab (das sich in der Regel bestens für den Nachweis der Marktüblichkeit eignet), muss er die Marktüblichkeit von Vertragsbedingungen durch andere Methoden nachweisen. Geeignet ist hier insbesondere ein Benchmarking, an dem sich die Vergütung zu orientieren hat. Auch andere Standardbewertungsmetho-den kann die Gemeinde heranziehen, z. B. zur Ermittlung der Kapitalrendite einer Investition.
Die EFTA wird in den nächsten Monaten den Sachverhalt sehr genau prüfen. Am Ende kann sie Norwegen dazu verpflichten, dafür zu sorgen, dass die Gemeinde unzulässige Beihilfen samt einer Verzinsung für den Zeitraum ihrer unzulässigen Gewährung zurückverlangt. Das kann erhebliche Auswirkungen auf das Unternehmen haben. Das Ver-fahren bedeutet für Kommunen und ihre Unternehmen in Deutschland, dass diese ge-nau darauf achten sollten, dass sie die Marktüblichkeit ihrer Vergütung jederzeit nachweisen können. Auch in Deutschland ist keine Gemeinde davor gefeit, dass sich ein Wettbewerber bei der EU-Kommission über die Bedingungen beschwert, zu denen staatliche Stellen Direktaufträge vergeben.