Gesellschaftsrecht

Doppelmandate im Konzern – Doppelte Chancen, doppelte Risiken?

Verfasst von

Dr. Georg Haas

Lukas Schmidt

Doppelmandate sind ein etabliertes und praxisübliches Instrument der Konzernsteuerung. Regelmäßig sind Vorstände bzw. Geschäftsführer der Konzernobergesellschaft zugleich Mitglieder der Geschäftsleitung oder des Aufsichtsrats von Tochtergesellschaften.

Derartige Doppelmandate tragen dem Bedürfnis nach einer gesellschaftsübergreifenden Lenkung eines Konzerns sowie der effektiven Umsetzung der Konzernziele in ggf. zahlreichen Tochterunternehmen Rechnung. Insbesondere in Spartenkonzernen oder Konzernen, bei denen nicht selbst operativ tätige Holdinggesellschaften an der Spitze stehen, werden vielfach Mitglieder der Konzernleitung zugleich als Mitglieder der Geschäftsleitung von Tochtergesellschaften eingesetzt.

Je nach konkreter Ausgestaltung bieten sich mannigfaltige Möglichkeiten zur effektiven und kostengünstigen Konzernintegration durch den Einsatz einer einzelnen Person an verschiedenen Stellen innerhalb des Konzerns, sowohl für die Weitergabe und Umsetzungen von Entscheidungen „von oben nach unten“ als auch den Informationsfluss „von unten nach oben“.

In der Praxis werfen Doppelmandate regelmäßig eine Reihe von Rechts- und Gestaltungsfragen auf, die wir im Folgenden skizzieren.

Rechts- und Konzernierungsform der beteiligten Gesellschaften

Eine entscheidende Weichenstellung bedeutet im ersten Schritt die Rechtsform der beteiligten Gesellschaften und die Form der Konzernierung.

Dies gilt insbesondere für die Rechtsform der Tochtergesellschaft. Bei der GmbH sind die Geschäftsführer grundsätzlich den Weisungen der Gesellschafter unterworfen (§ 37 GmbHG) und damit eine Einflussnahme auch im Wege von Doppelmandaten in weitem Umfang zulässig. Hingegen hat der Vorstand der Aktiengesellschaft diese unter eigener Verantwortung zu leiten (sog. Leitungsautonomie, § 76 AktG), was der Einflussnahme „von oben“ vergleichsweise enge Grenzen setzt.

Gleiches gilt für die Konzernierungsform. Im sog. Vertragskonzern, der durch einen Beherrschungsvertrag zwischen herrschendem und beherrschtem Unternehmen begründet wird, ist das herrschende Unternehmen berechtigt, dem Vorstand des beherrschten Unternehmens hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft Weisungen zu erteilen (§ 308 AktG). Demgegenüber darf im sog. faktischen Konzern, also im Falle der Beherrschung ohne Beherrschungsvertrag, das herrschende Unternehmen seinen Einfluss nicht dazu benutzen, die abhängige Gesellschaft zu veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, dass die Nachteile ausgeglichen werden (§ 311 AktG). 

Gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit und arbeitsvertragliche Umsetzung

Die Besetzung von Geschäftsführungs- oder Vorstandspositionen innerhalb von Ober- und Untergesellschaften eines Konzerns mit derselben Person ist gesellschaftsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Für das (strengere) Aktienrecht folgt die generelle Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten folgt aus einem Umkehrschluss aus § 88 Abs. 1 S. 2 AktG, wonach ein Vorstandsmitglied ohne Einwilligung des Aufsichtsrats nicht Mitglied des Vorstands oder Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft sein darf.

Hingegen wird das Anstellungsverhältnis unterschiedlich geregelt. Teilweise wird lediglich ein Anstellungsvertrag mit der Muttergesellschaft geschlossen, also aus der Sicht der Tochtergesellschaft ein Drittanstellungsvertrag, teilweise erhält das Geschäftsleitungsmitglied nur einen Anstellungsvertrag mit der Tochtergesellschaft und damit aus der Sicht der Muttergesellschaft einen Drittanstellungsvertrag. In der Praxis dominieren bei den Doppelmandaten aber die Fälle, in denen sowohl von der Tochtergesellschaft als auch von der Muttergesellschaft jeweils ein Anstellungsvertrag mit dem Doppelmandatsträger geschlossen und die Zahlung der Vergütung aus dem einen Vertrag auf den Vergütungsanspruch aus dem anderen Dienstvertrag angerechnet wird. Auch gegen den Abschluss von zwei Anstellungsverträgen bestehen in den Doppelmandatsfällen keine grundsätzlichen Bedenken.

Allerdings ist in der Praxis bei Beteiligung von Aktiengesellschaften eine Reihe von Gesichtspunkten zu beachten, damit die Aufsichtsräte beider Gesellschaften ihre Pflichten aus der ihnen zugewiesenen Personalkompetenz erfüllen. Häufig wird die Vergütung aus den Anstellungsverträgen nur von einer der Gesellschaften geleistet und der von der anderen Gesellschaft zu zahlende Teil im Innenverhältnis erstattet. Für den Abschluss einer solchen Erstattungsvereinbarung ist für beide Gesellschaften nach § 112 AktG jeweils der Aufsichtsrat zuständig.

Personalunion und Interessenkollisionen

Doppelmandatsträger sind in zwei Pflichtenkreise eingebunden und haben die Interessen zweier Gesellschaften zu vertreten, die sich im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen innerhalb des Konzerns diametral entgegenstehen können.

Bei der GmbH ist die Gefahr von Interessenkollisionen aufgrund des Weisungsrechts der Gesellschafter geringer; gleiches gilt für den Vertragskonzern aufgrund des Weisungsrechts aus dem Beherrschungsvertrag. Hingegen haben die Vorstände im faktischen (Aktien-)Konzern ihre jeweiligen Gesellschaften nach § 76 AktG eigenverantwortlich zu leiten und ausschließlich deren Interessen zu vertreten. Vorstände einer abhängigen Gesellschaft sind im faktischen Konzern nicht an Weisungen der herrschenden Obergesellschaft gebunden.

Hierbei kann sich der Doppelmandatsträger nicht einfach für die Interessen einer der beiden Gesellschaften entscheiden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigt die Pflichterfüllung innerhalb eines Unternehmens keinesfalls die Pflichtverletzung gegenüber dem anderen Unternehmen. Demzufolge hat das Vorstandsmitglied stets nur die Interessen derjenigen Gesellschaft zu verfolgen, die es gerade vertritt.

Ein gesetzliches Stimmverbot kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Hingegen sollte der Doppelmandatsträger stets die Möglichkeit der Stimmenthaltung als Instrument zur Auflösung von Interessenkonflikten in Betracht ziehen. In der Praxis empfiehlt sich regelmäßig eine abgestufte Vorgehensweise, bei der in Abhängigkeit von der Schwere des Interessenkonflikts Maßnahmen bis hin zur vollständigen Nichtteilnahme an Abstimmungen samt vorbereitender Meinungsbildung in Betracht kommen. Können wiederholt auftretende, schwerwiegende Konflikte nicht vermieden werden, sollte die Niederlegung eines der Mandate in Erwägung gezogen werden.

Die Feststellung und Auflösung des Interessenkonflikts obliegt stets dem Doppelmandatsträger selbst. Ein Kriterium für die Schwere des Interessenkonflikts kann die wirtschaftliche Bedeutung für eine oder beide der beteiligten Gesellschaften sein.

Haftungsrisken durch Doppelmandate

Doppelmandate bergen eine Reihe von (zusätzlichen) Haftungsrisiken, derer sich der Doppelmandatsträger bewusst sein sollte.

Auf der Hand liegt zunächst die Erweiterung des Haftungsrisikos durch die Organstellung bei zwei Gesellschaften. In diesem Zusammenhang ist insbesondere bei divergierenden Interessen der beteiligten Gesellschaft fraglich, ob die sog. Business Judgment Rule (vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG) zugunsten des Doppelmandatsträgers greift. Denn aufgrund des Doppelmandats ist die Entscheidung regelmäßig nicht „frei von Sonderinteressen“, sodass die Haftungsprivilegierung nicht greift.

Hinzu treten im faktischen Konzern die Regelungen zur Nachteilszufügung (§§ 311 ff. AktG). Bei der Umsetzung von Vorgaben der herrschenden Gesellschaft hat der Doppelmandatsträger stets zu prüfen, (i) ob die jeweilige Entscheidung nachteilig für das beherrschte Unternehmen ist und (ii) falls ja, ob sichergestellt ist, dass hierfür ein Ausgleich erfolgt oder jedenfalls das herrschende Unternehmen hierzu bereit und nach aller Voraussicht in der Lage sein wird.

Auch in diesem Zusammenhang ist der Doppelmandatsträger persönlichen Haftungsrisiken ausgesetzt. So haftet er der Untergesellschaft bei der Umsetzung von nachteiligen Anweisungen nach § 93 Abs. 2 AktG unmittelbar und zudem in seiner Rolle als gesetzlicher Vertreter der Obergesellschaft gem. § 317 Abs. 3 AktG als Gesamtschuldner für unausgeglichene Nachteile.

Der Spagat zwischen Verschwiegenheits- und Informationspflichten

Weiteres Konfliktpotential entsteht für Doppelmandatsträger vor dem Hintergrund, dass sie vertrauliche Informationen, insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geheim zu halten haben, die ihnen im Rahmen ihrer Tätigkeit bekannt worden sind. Sofern diese Informationen Interessen der jeweils anderen Gesellschaft betreffen, kollidiert diese Geheimhaltungspflicht mit den Auskunfts- und Informationspflichten als Ausprägung der jeweiligen Loyalitätspflicht.

Dieser Spagat ist dahin aufzulösen, dass wohl jedenfalls dann eine Informationsweitergabe an die herrschende Gesellschaft zulässig ist, wenn sie für die beherrschte Gesellschaft vorteilhaft ist, oder ein Ausgleich erfolgen kann. Vor dem Hintergrund der Strafbarkeit des Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht nach § 404 Abs. 1 AktG sollte in jedem Fall eine genaue Prüfung des Einzelfalls erfolgen.