Distressed M&A in der Rechtsberatung
In Zeiten anhaltender wirtschaftlicher Unsicherheiten rücken M&A-Aktivitäten von sanierungsbedürftigen oder insolventen Unternehmen (sog. „Distressed M&A“) in den Fokus von Gesellschaftern, Geschäftsführern, Investoren und Insolvenzverwaltern. Für spezialisierte Finanzinvestoren und für strategische Investoren können Krisenfälle besondere Marktchancen zum Ausbau des eigenen Portfolios beinhalten. Für die in Schieflage geratenen Unternehmen kann der Einstieg eines Investors den Erhalt des Unternehmens und eines Großteils der Arbeitsplätze, für Gläubiger und Gesellschafter die Rettung von großen Teilen ihres investierten Kapitals bedeuten.
Aktivitäten in Bezug auf Distressed M&A können – genauso wie die damit verbundenen Herausforderungen – vielfältig sein. Die folgende Übersicht soll den vorgenannten Personengruppen (wie auch sonstigen Interessierten) einen ersten Überblick über Risiken und Chancen von Distressed M&A verschaffen.
Share Deal – in der Regel das Mittel der Wahl vor Stellung eines Insolvenzantrags
Im Vorfeld einer drohenden Insolvenz ist der Share Deal regelmäßig das Mittel der Wahl, da der Asset Deal das Risiko der sog. Folgeinsolvenz der in wirtschaftliche Schieflage geratenen Verkäufergesellschaft hätte. Im Fall der Folgeinsolvenz wären die Übertragungen der Vermögensgegenstände auf den Käufer vom Insolvenzverwalter anfechtbar und die Kaufpreiszahlung wäre eine Insolvenzforderung, die mit einer ggf. niedrigen Quote bedient würde – ein unbedingt zu vermeidendes „Worst-Case-Scenario“.
Im Falle eines Share Deals erfolgt der Verkauf der Beteiligung an einer Gesellschaft. Es findet lediglich ein Wechsel auf der Gesellschafterebene statt. Die Rechte und Pflichten der Gesellschaft bleiben von dem Anteilskauf (grundsätzlich) unberührt. Damit übernimmt der Käufer die Risiken, die mit den Rechtsbeziehungen der Zielgesellschaft (einschließlich der Rechte und Verbindlichkeiten) einhergehen. Man denke etwa an Altlasten, Rechtsstreitigkeiten, belastete Vermögenswerte und Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen der Gesellschaft, die der (neue) Gesellschafter – wirtschaftlich besehen – als Teil des Gesamtpaketes „Zielgesellschaft“ übernimmt.
Befindet sich die Zielgesellschaft selbst oder als Teil einer Unternehmensgruppe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, kann angenommen werden, dass sich die vorgenannten Risiken bereits ganz oder teilweise realisiert haben oder sich in naher Zukunft realisieren könnten. Für den Investor stellt sich der Erwerb der Anteile an einer (sanierungsbedürftigen) Zielgesellschaft deshalb als ein Paket aus Chancen und Risiken dar. Insbesondere im Wege einer rechtlichen Due Diligence können Risiken, die sich aus den Rechtsbeziehungen der Zielgesellschaft ergeben, bereits vor Abschluss des Anteilskaufvertrages identifiziert und – je nach Verhandlungsposition und Situation der Zielgesellschaft – im Anteilskaufvertrag (etwa im Wege von Gewährleistungen und/oder Freistellungen) adressiert werden.
Sollten sich die Beteiligten für eine Distressed M&A-Struktur in Form eines Share Deals entscheiden, ist eine Legal Due Diligence-Prüfung für den Käufer von besonderer Bedeutung, und zwar sowohl, wenn es um die Identifizierung von Risiken als auch, wenn es um die Aufstellung des Geschäftsplans für die Zukunft geht. Für den Verkäufer und Insolvenzverwalter wiederum ist die erfolgreiche Beendigung der Legal Due Diligence ein bedeutsamer Schritt zur Durchführung der Transaktion.
Wir verfügen über herausgehobene Erfahrung im Bereich Distressed M&A und bieten Ihnen eine professionelle rechtliche Beratung mit einem lösungsorientierten und pragmatischen Ansatz im Einklang mit den rechtlichen Erfordernissen und Ihren Zielvorstellungen (sei es aus Sicht eines Käufers, eines Verkäufers oder eines Insolvenzberaters).
Asset Deal – die traditionelle Struktur beim Kauf aus der Insolvenz
Der Erwerb von ausgewählten Vermögenswerten der Zielgesellschaft im Wege eines Asset Deals ist der traditionelle Weg des Unternehmenskaufs aus der Insolvenz. Der Asset Deal aus der Insolvenz ermöglicht – innerhalb gewisser rechtlicher Grenzen – für Erwerber und Insolvenzverwalter ein „Cherry Picking“, also den Erwerb lediglich der gewünschten Unternehmensteile unter Zurücklassen der Schulden und der unerwünschten Unternehmensteile. Auf Arbeitnehmerseite findet die Strukturierung häufig noch vor der übertragenden Sanierung durch den Insolvenzverwalter statt, der hier weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten hat.
Insolvenzverwalter führen den Verkaufsprozess in aller Regel als strukturiertes Bieterverfahren durch, um für Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung nachvollziehbare und vergleichbare Angebote präsentieren zu können. Der Zeitrahmen ist dabei eher knapp bemessen und Datenumfang und -qualität hängen stark davon ab, was der Insolvenzverwalter vorgefunden hat. Aber nicht nur extrem schlanke Prozesse sind im Markt zu beobachten. Wir haben gemeinsam mit Insolvenzverwaltern auch bereits Vendor Due Diligence / Fact Books für die potenziellen Bieter erstellt oder auch in Dual Track Verfahren von Insolvenzplan und übertragender Sanierung gearbeitet.
Auf Bieterseite besteht nicht nur die Herausforderung, mit engem Zeitplan und teilweise schwacher Datenlage umzugehen. Hinzu kommt, dass Insolvenzverwalter weder bereit noch in der Lage sind, umfangreiche Garantien abzugeben und für einen längeren Zeitraum für Garantien und Freistellungen zu haften. Dieses Defizit beim Kauf aus der Insolvenz muss der Käufer in Erwerbsstruktur und Kaufpreis berücksichtigen. Hinzu kommt, dass in Unternehmensgruppen, insbesondere aber nicht nur aufgrund bestehender Unternehmensverträge, durch bestimmte strukturelle Maßnahmen im Zuge eines Verkaufs aber auch infolge bereits zuvor angelegter Risiken, für einen Käufer verheerende steuerliche Folgen eintreten können. Genau hierfür bieten wir mit unserem multidisziplinären Ansatz aus Rechts-, Finanz- und Steuerberatung genau die Expertise, die ein Erwerbsinteressent benötigt.
Anteilserwerb im Rahmen eines Restrukturierungs- oder Insolvenzplans
In den letzten Jahren wird die Sanierung notleidender Unternehmen mittels eines Restrukturierungs- oder Insolvenzplans immer beliebter. Dabei wird von allen Beteiligten gemeinschaftlich ein Sanierungskonzept entwickelt, welches von den Gläubigern genehmigt und vom Insolvenzgericht bestätigt werden muss. Die gerichtliche Entscheidung hat rechtsgestaltende Wirkung und kann etwa den (Teil-)Erlass von Verbindlichkeiten, einen Debt-to-Equity-Swap oder einen Kapitalschnitt vorsehen. Seit Inkrafttreten des Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetzes (StaRUG) im Jahr 2021 ist eine derartige Plansanierung auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens möglich.
Wie bei einem Share Deal bleibt die rechtliche Identität des Unternehmens bei der Sanierung mittels Restrukturierungs- oder Insolvenzplan erhalten. Das hat etwa den Vorteil, dass öffentlich-rechtliche Genehmigungen sowie Vertragsverhältnisse mit Lieferanten und Kunden aufrechterhalten bleiben, soweit in dem Restrukturierungs- bzw. Insolvenzplan nichts Abweichendes geregelt wird. Überdies kann für Sanierungserträge, die sich durch den (Teil-)Erlass von Verbindlichkeiten im Rahmen des Restrukturierungs- bzw. Insolvenzplans ergeben, vielfach Steuerfreiheit erlangt werden. Umgekehrt tritt der Investor anders als beim Asset Deal in die Risiken des laufenden Geschäftsbetriebs ein. Um den Investor vor bösen Überraschungen zu schützen, ist eine sorgfältige Prüfung der möglichen Risiken im Rahmen einer rechtlichen Due Diligence dringend anzuraten.
Zusammenfassung
Die vorstehende Übersicht über die Risiken und Chancen von Distressed M&A zeigt, dass eine rechtliche Beratung (gerade auch in der Planungs- bzw. Planungsphase) mit klarer Identifizierung von Risiken und Strukturierung der Aktivitäten einen beträchtlichen Mehrwert für alle Beteiligten eröffnet. So hat etwa ein Investor bzw. Käufer – als Pendant zu den Risiken – auch beträchtliche Chancen wirtschaftlicher Wertschöpfung. Gesellschafter und Geschäftsführer (wie auch Insolvenzverwalter) können durch eine effiziente Planung und rechtliche Beratung rechtliche Risiken (frühzeitig) identifizieren, Lösungswege und Alternativen erarbeiten und gegeneinander abwägen und im besten Fall eine Insolvenz abwenden oder zumindest den Interessen der (Insolvenz-)Gläubiger (und damit auch den Interessen des Unternehmens) bestmöglich Rechnung tragen.
Die besonderen Herausforderungen, die mit Distressed M&A einhergehen, sind uns bestens geläufig. Als erfahrene Berater in Bezug auf Distressed M&A-Transaktionen stehen wir, das Legal Deals Team der PricewaterhouseCoopers Legal AG Rechtsanwaltsgesellschaft („PwC Legal Deals“), Ihnen gerne jederzeit mit unserer rechtlichen Beratung zur Seite. Angefangen von der Planung bis zur konkreten Umsetzung etwaiger Maßnahmen decken wir sämtliche rechtlichen Beratungsfelder in Bezug auf Distressed M&A ab, um für unsere Mandanten bestmögliche Ergebnisse zu erzielen.
Durch unsere enge Zusammenarbeit mit den Kolleg:innen aus dem Bereich Business Recovery Services (BRS) der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft („PwC Deutschland“) besteht im Zusammenhang mit unserer rechtlichen Beratung auch stets die Möglichkeit, unseren Mandantinnen und Mandanten einen effizienten Zugang zu sonstigen (insbesondere betriebswirtschaftlichen) Beratungsleistungen zu eröffnen. Zu denken ist etwa an Sanierungsgutachten oder eine Turnaround-Beratung. Die „kurzen Wege“ für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit sind insbesondere vor dem Hintergrund bedeutsam, dass M&A Prozesse in der Insolvenz in der Regel unter einem deutlich erhöhten Zeitdruck durchlaufen werden müssen – häufig innerhalb von drei Monaten.
Sollten Sie Aktivitäten im Bereich Distressed M&A erwägen, stehen wir, als Deals/M&A-Experten von PwC Legal Deals, Ihnen gerne zur Seite.