Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Verordnung gegen Verzerrungen im Binnenmarkt durch Subventionen aus Drittstaaten

Verfasst von

Ricarda Völker

Derzeit besteht eine Regelungslücke in Bezug auf drittstaatliche Subventionen, die den Begünstigten insbesondere beim Erwerb von in der EU tätigen Unternehmen, bei der Teilnahme an öffentlichen Vergabeverfahren oder bei sonstigen Investitionen in der EU einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschaffen. Solche Subventionen unterliegen nicht den europarechtlichen Vorschriften des Beihilferechts, des Kartellrechts oder der Fusionskontrolle. Um diese Regelungslücke zu schließen, hat die EU-Kommission am 5. Mai 2021 einen Vorschlag für eine neue Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen veröffentlicht. Der Entwurf ist das Ergebnis zahlreicher Konsultationen mit Interessenträgern und baut auf dem Weißbuch aus Juni 2020 auf. Bis zum 22. Juli 2021 können noch Rückmeldungen zu dem Vorschlag gegeben werden.

Nachfolgend stellen wir die wichtigsten Bestandteile des Vorschlags der EU-Kommission dar.

Anwendungsbereich

Begriff der drittstaatlichen Subvention

Die Definition des Begriffs der drittstaatlichen Subvention ist der der Beihilfe im EU-Beihilferecht nachgebildet. Als drittstaatliche Subvention wird jede finanzielle Zuwendung, die direkt oder indirekt von einem Drittstaat gewährt wird, einem Unternehmen mit wirtschaftlicher Tätigkeit in der EU einen Vorteil verschafft und selektiv ist, eingeordnet. Drittstaatliche Subventionen können beispielsweise in Form zinsloser Darlehen, unbegrenzter Garantien, steuerlicher Vorzugsbehandlungen, Exportbeihilfen oder als direkte Zuschüsse gewährt werden.

Ähnlich der Regelungen im EU-Beihilferecht zu de-minimis-Beihilfen sollen nach dem Vorschlag der EU-Kommission drittstaatliche Subventionen unter 5 Mio. EUR innerhalb von drei Steuerjahren in der Regel nicht unter die Verordnung fallen.

Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit in der EU

Eine wirtschaftliche Tätigkeit in der EU wird u.a. auch dann angenommen, wenn ein Unternehmen ein anderes Unternehmen in der EU aufkauft oder mit diesem fusioniert oder wenn ein Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen teilnimmt. Hierneben werden aber auch andere Marktsituationen, wie bspw. Greenfield-Investments, von der Verordnung erfasst.

Anmeldepflicht

Zusammenschlüsse

Wenn Subventionen im Zusammenhang mit einem Zusammenschluss mehrerer Unternehmen gewährt werden und der EU-Umsatz des erworbenen Unternehmens mindestens 500 Mio. EUR und die innerhalb der letzten drei Kalenderjahre erhaltenen Subventionen mindestens 50 Mio. EUR betragen, ist das Unternehmen verpflichtet, den Zusammenschluss bei der EU-Kommission anzumelden.

Bis zum Abschluss der Prüfung durch die EU-Kommission besteht ein Durchführungsverbot. Hiervon kann durch das Unternehmen eine Freistellung beantragt werden, die jederzeit, auch vor der Anmeldung der Maßnahme oder nach Abschluss des Rechtsgeschäfts, beantragt und erteilt werden kann.

Öffentliche Vergabeverfahren

Ebenso müssen im Zusammenhang mit Angeboten bei einem öffentlichen Vergabeverfahren die innerhalb der letzten drei Jahre erhaltene Subventionen gegenüber der ausschreibenden Stelle angegeben werden. Wenn der geschätzte Auftragswert der Ausschreibung mindestens 250 Mio. EUR beträgt, handelt es sich um eine anmeldepflichtige Ausschreibung. Die ausschreibende Stelle muss die Meldung an die EU-Kommission weiterleiten. Bis zum Abschluss der Prüfung gilt ein Durchführungsverbot.

Kommt ein Unternehmen der Verpflichtung eine Maßnahme anzumelden nicht nach, kann die EU-Kommission Geldbußen verhängen und die Maßnahme prüfen, als wäre eine Anmeldung erfolgt.

Von Amts wegen eingeleitete Prüfung

Für sonstige Sachverhalte, z.B. Greenfield-Investments, besteht keine Anmeldepflicht. Die EU-Kommission kann diese aber auf eigene Initiative prüfen oder Ad-hoc-Anmeldungen verlangen.

Befugnisse der EU-Kommission

Auf Grundlage der neuen Verordnung wird die EU-Kommission befugt sein, finanzielle Zuwendungen von Behörden aus Drittstaaten für in der EU tätige Unternehmen zu überprüfen.

Die Prüfung wird sich dabei aus einer Vorprüfung und einer eingehenderen Prüfung bei ersten Hinweisen auf eine Wettbewerbsverzerrung zusammensetzen.

Prüfungsschwerpunkte sind das Vorliegen einer drittstaatlichen Subvention und die sich daraus ergebende Wettbewerbsverzerrung. Für letzteres hat die EU-Kommission Kategorien von Maßnahmen definiert, die besonders geeignet sind, Wettbewerbsverzerrungen hervorzurufen. Hierzu zählen beispielweise Subventionen zugunsten von notleidenden Unternehmen. Im Übrigen sind die Höhe und der Zweck der Subvention sowie die Situation des betreffenden Unternehmens und der Markt, auf dem das Unternehmen tätig ist, entscheidend. Wird eine potenzielle Wettbewerbsverzerrung festgestellt, erfolgt eine Abwägung der positiven und negativen Auswirkungen der Maßnahmen.

Auf Grundlage der Prüfung kann die EU-Kommission den Unternehmen verschiedene Abhilfemaßnahmen auferlegen. Neben der Rückzahlung der drittstaatlichen Subvention, der Veräußerung bestimmter Vermögenswerte und dem Abbau von Kapazitäten kommt auch das Verbot eines bestimmten Marktverhaltens in Betracht. In Fällen angemeldeter Maßnahmen kann die EU-Kommission den Zusammenschluss beziehungsweise die Vergabe des Auftrags untersagen.

Fazit

In bestimmten Bereichen drängen immer mehr Unternehmen aus Ländern außerhalb der EU mit finanzieller Unterstützung aus Drittstaaten in den Markt. Daher besteht ein großes Bedürfnis der EU-Kommission, den Bereich potenziell wettbewerbsverzerrender drittstaatlicher Subventionen zu regeln. Dies wird auch daran deutlich, dass für die Umsetzung der Verordnung die Schaffung von 145 Vollzeitstellen vorgesehen ist.

Durch die weiten Zugriffsrechte der EU-Kommission legt die neue Verordnung das Fundament, Wettbewerbsverzerrungen, die durch drittstaatliche Subventionen in unterschiedlichen Zusammenhängen auftreten, effektiv begegnen zu können. Dies dürfte dabei nicht nur Unternehmen aus China und den USA betreffen, die nach dem Impact Assessment Report der EU-Kommission zu den Drittländern mit den meisten Subventionen zählen. Auch Großbritannien wird, vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen, nach dem Brexit im Verhältnis zur EU ein Drittstaat werden und damit in den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung fallen.

Neben den Vorteilen geht mit der neuen Verordnung eine gesteigerte Komplexität u.a. für die M&A-Praxis aber auch für ausschreibende Stellen einher. Letztere müssen bei öffentlichen Ausschreibungen die Gewährung etwaiger drittstaatlicher Subventionen abfragen und die entsprechenden Meldungen der Unternehmen an die EU-Kommission weiterleiten.

Derzeit bleibt abzuwarten, ob die Verordnung wie vorgeschlagen erlassen wird.