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VG Frankfurt: Rückzahlungspflicht der BaFin für Bankenabgabe 2011–2014

Verfasst von

Julia Siebrecht

Dr. Michael Huertas

RegCORE Client Alert | Deutsche regulatorische Entwicklungen

Kurzüberblick

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat am 16. September 2025 (Az. 7 K 3685/24.F; 7 K 3686/24.F; 7 K 3705/24.F) entschieden, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die in den Jahren 2011-2014 erhobenen Beiträge zum Restrukturierungsfonds für Kreditinstitute an drei Banken („Bankenabgabe“) zurückzahlen muss.

Das Gericht sah den gruppenbezogenen Zweck der Sonderabgabe spätestens mit dem Auslaufen der Brückenfinanzierung zum Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) am 01.01.2024 als entfallen an. Es qualifizierte die Erhebung als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion, die nur zulässig ist, solange eine konkrete und fortdauernde gruppenbezogene Zweckbindung besteht. Da der Gesetzgeber keine neue Zweckbindung geschaffen habe, fehle es ab diesem Zeitpunkt an einer tragfähigen Rechtsgrundlage für die fortgesetzte Belastung. Die Bescheide seien daher aufzuheben und die Beiträge zu erstatten.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig; Berufung und Sprungrevision zum Hessischen VGH wurden wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.VG Frankfurt, Urteil vom 16.09.2025.Show Footnote

Zentrale Erkenntnisse

Das Gericht bejaht einen Anspruch auf das Wiederaufgreifen des Verfahrens, auf die Aufhebung der Beitragsbescheide und auf die Rückzahlung der in den Jahren 2011 bis 2014 erhobenen Beiträge. Es qualifiziert die Bankenabgabe rechtsdogmatisch als Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur zulässig ist, solange eine konkrete und fortdauernde gruppenbezogene Zweckbindung besteht.

Diese Zweckbindung ist mit dem Ablauf der Brückenfinanzierung zum Einheitlichen Abwicklungsfonds am 1. Januar 2024 entfallen, weil es an einer gesetzlichen Neuregelung fehlt. Eine zweckfreie Fortgeltung der Abgabe kommt daher nicht in Betracht. Die von der BaFin erhobene Verjährungseinrede weist die Kammer zurück, sodass Rückerstattungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2014 fortbestehen und grundsätzlich auch heute noch geltend gemacht werden können. Die Urteile sind nicht rechtskräftig und Rechtsmittel sind offen.VG Frankfurt/M.PM 17.09.2025.Show Footnote

Zentrale Überlegungen

Das Gericht knüpft stringent an die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts zu Sonderabgaben an. Eine Sonderabgabe ist nur so lange verfassungsrechtlich legitimiert, wie eine konkrete und fortdauernde gruppenbezogene Zweckbindung besteht und die Mittel gruppenadäquat verwendet werden. Nach Abschluss der nationalen Übergangsphase zum Einheitlichen Abwicklungsfonds in den Jahren 2016 bis 2023 fehlte es ab dem 1. Januar 2024 an einer gesetzlichen Neuentscheidung über den Verwendungszweck der zuvor erhobenen Beiträge.Single Resolution Board.Show Footnote Die Zweckbindung war damit entfallen, eine zweckfreie Fortgeltung der Abgabe kam nicht in Betracht.

In der Abwägung gibt die Kammer dem Interesse der beitragspflichtigen Institute an der Rückabwicklung den Vorrang vor dem Bestands- und Vertrauensschutz der Beitragsbescheide, da bei Sonderabgaben der Parlamentsvorbehalt und die strikte Zweckbindung besonders zu beachten sind. Praktisch bedeutsam ist außerdem, dass die Kammer die Verjährungseinrede verwirft. Rückerstattungsansprüche für die Jahre 2011 bis 2014 scheitern daher nicht an zeitlichen Hürden und können von betroffenen Instituten, je nach Bescheid- und Verfahrenslage, weiterhin geltend gemacht werden. Für die BaFin können daraus erhebliche Rückzahlungspflichten und organisatorische Belastungen entstehen.

Banken haben dadurch unter Umständen die Chance auf erhebliche Liquiditätszuflüsse, was gerade für kleinere Häuser von strategischer Bedeutung sein kann. Rechtspolitisch erhöht die Entscheidung den Druck auf den Gesetzgeber, Zweckbindungen von Sonderabgaben künftig zeitnah und eindeutig nachzujustieren, um verfassungsrechtliche Risiken und flächendeckende Rückerstattungen zu vermeiden.VG Frankfurt/M.PM 17.09.2025.Show Footnote

Ausblick

Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig und es ist mit Rechtsmitteln der BaFin zu rechnen. Eine Klärung durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof oder das Bundesverwaltungsgericht erscheint wahrscheinlich. Für Institute empfiehlt sich eine systematische Bestandsaufnahme der Beitragsbescheide aus den Jahren 2011 bis 2014, die Sicherung von Erstattungsansprüchen einschließlich Zinsen sowie, abhängig von der Risikoneigung, das Einleiten von Antrags- oder Klageverfahren.

Weitere Parallelklagen sind zu erwarten und die Breitenwirkung kann erhebliche Rückzahlungsvolumina auslösen, was die Aufsicht und den Bundeshaushalt spürbar belasten kann.

Rechtspolitisch steigt der Druck, zeitlich befristete Sonderabgaben frühzeitig und eindeutig gesetzlich nachzujustieren oder durch alternative, klar zweckgebundene Finanzierungsinstrumente zu ersetzen.

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