• Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung soll die deutsche Investitionsprüfung an die Vorgaben der EU-Screening-Verordnung anpassen
  • Der Gesetzesentwurf sieht eine Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes vor; auch die Außenwirtschaftsverordnung soll geändert werden
  • Zu den Änderungen des Außenwirtschaftsgesetzes gehören eine Reduzierung des erforderlichen Gefährdungsgrades, eine Erweiterung des Prüfungsumfangs sowie eine Ausdehnung der schwebenden Unwirksamkeit von Investitionen

Bereits Ende des Jahres 2019 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) die Industriestrategie 2030 vorgestellt, die eine Anpassung des nationalen Investitionsprüfungsrechts an verändertes EU-Recht sowie weitere Änderungen des Außenwirtschaftsrechts zur Wahrung der technologischen Souveränität der deutschen Wirtschaft ankündigte.

Eine erste Konkretisierung haben diese geplanten Änderungen nunmehr durch den am 08. April 2020 vom Bundeskabinett beschlossenen Gesetzesentwurf für ein „Erstes Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes“ erfahren, der bereits am 21. April 2020 in den Bundestag eingebracht wurde. Dieser Gesetzesentwurf soll zwar ausdrücklich nur den ersten Schritt einer umfassenden Novellierung des Außenwirtschaftsrechts darstellen. Gleichwohl lässt sich diesem bereits entnehmen, welche Verschärfungen der deutschen Investitionskontrolle das BMWi konkret beabsichtigt.

Ausgangslage

Das BMWi kann den Erwerb von sowie die Beteiligungen an deutschen Unternehmen durch ausländische Investoren prüfen. Wesentliche Regelungen der deutschen Investitionsprüfung finden sich im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV). Bis zum Jahr 2009 beschränkte sich diese außenwirtschaftsrechtliche Erwerbs- und Beteiligungskontrolle auf besonders sicherheitsrelevante Industrien (sog. sektorspezifische Investitionskontrolle). Mit dem 13. Gesetz zur Änderung des AWG und der AWV wurden die bestehenden Kontrollbefugnisse auf alle Industriezweige ausgeweitet und damit eine sektorübergreifende Investitionskontrolle eingeführt. Ergebnis einer solchen Investitionsprüfung kann sowohl die Freigabe (ggf. unter Auflagen) als auch die Untersagung einer Investition sein.

EU-Screening-Verordnung

Innerhalb der Europäischen Union obliegt die Prüfung ausländischer Investitionen den einzelnen Mitgliedstaaten. Mit der EU-Verordnung 2019/452 (sog. EU-Screening-Verordnung), die bereits im April 2019 in Kraft getreten ist und im Oktober 2020 wirksam wird, hat die Prüfung innerhalb der Union jedoch einen rechtlichen Rahmen erhalten. Ziel ist eine verbesserte Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten untereinander sowie mit der EU-Kommission zur Wahrung der Sicherheit, der öffentlichen Ordnung und der strategischen Interessen Europas. Hierzu soll ein gegenseitiger Informationsaustausch eingerichtet werden, bei dem die EU-Kommission als Koordinator agieren wird.

Wesentlicher Inhalt des Gesetzesentwurfs

Der Gesetzesentwurf soll die Grundlagen der deutschen Investitionsprüfung im AWG an die Vorgaben der EU-Screening-Verordnung anpassen und diese sowohl effektiver als auch widerstandsfähiger ausgestalten.

Die wesentlichen Änderungen umfassen:

  1. Reduzierung des erforderlichen Gefährdungsgrades

Prüfmaßstab für eine Beschränkung oder Untersagung ausländischer Investitionen durch das BMWi ist bisher, ob der konkrete Erwerb oder die Beteiligung die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, das heißt, ob eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Der Gesetzesentwurf sieht eine Änderung dieses Prüfungsmaßstabes vor und lässt statt der bisher erforderlichen tatsächlichen Gefährdung eine voraussichtliche Beeinträchtigung (und damit einen wesentlichen geringen Gefährdungsgrad) genügen.

  1. Erweiterung des Prüfungsumfangs

Der Gesetzesentwurf erweitert zudem den Umfang der deutschen Investitionsprüfung. Denn zukünftig sollen nicht nur Beeinträchtigungen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit in Deutschland relevant sein, sondern auch solche anderer Mitgliedsstaaten oder von Projekten von Unionsinteresse.

  1. Schwebende Unwirksamkeit sämtlicher meldepflichtiger Investitionen

Die schwebende Unwirksamkeit des dem Erwerb zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts bis zum Abschluss der Investitionsprüfung soll auf alle meldepflichtigen Investitionen erstreckt werden. Bislang gilt dies nur für Transaktionen, die der sektorspezifischen Prüfung unterfallen. Dadurch soll das Risiko minimiert werden, dass bis zum Abschluss des Prüfverfahrens vom Erwerber genau die Maßnahmen bereits umgesetzt werden, deren sicherheitsrelevante Wirkung durch eine mögliche spätere Untersagung oder Beschränkung verhindert werden sollen.  Verstöße gegen die Vollzugsbeschränkungen sollen zudem zukünftig strafbewehrt sein.

Änderungen der AWV

Das BMWi hat bereits angekündigt, in einem zweiten Schritt auch die AWV ändern zu wollen. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurde dazu bereits am 28. April 2020 ein Referentenentwurf veröffentlicht, der sich auf kritische Erwerbe aus Drittstaaten im Gesundheitssektor konzentriert und verhindern soll, dass medizinisches Know-how und Produktionskapazitäten ins Ausland abfließen. Dabei geht es insbesondere um Übernahmen von deutschen Unternehmen, die Impfstoffe, Medikamente, medizinische Schutzausrüstung und andere Medizingüter zur Behandlung hochansteckender Krankheiten entwickeln, herstellen oder produzieren. Darüber hinaus stellt der Referentenentwurf in Übereinstimmung mit der EU-Screening-Verordnung klar, dass Investitionsprüfungsbehörden bei der Beurteilung, ob eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit besteht, weiterhin Faktoren berücksichtigen können, die mit der Person des Erwerbers zusammenhängen, insbesondere wenn dieser direkt oder indirekt von einem ausländischen Staat kontrolliert wird.

Weitere Änderungen der AWV wurden für Herbst 2020 angekündigt. Dabei soll es insbesondere darum gehen, die Investitionsprüfung für bestimmte kritische Technologien näher zu konkretisieren. Dazu soll ein Katalog kritischer Technologien definiert werden, der u.a. die Bereiche künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie erfassen soll.

Fazit und Ausblick

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzesentwurf inhaltlich noch überarbeitet wird und wann dieser vom Bundestag beschlossen wird. In ihm spiegelt sich aber bereits jetzt die seit längerem zu beobachtende Tendenz wider, den Anwendungsbereich der Investitionskontrolle stetig erweitern zu wollen. Zwar betonte das BMWi, dass die Stärkung des deutschen Investitionsprüfungsregimes mit Augenmaß sowie im Bewusstsein der Bedeutung ausländischer Direktinvestitionen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland erfolge; die Attraktivität Deutschlands als Investitionsstandort also nicht berührt werde. Welche tatsächlichen Auswirkungen die Novellierung auf die Investitionspraxis genau haben wird, ist jedoch noch unklar. Mögliche Implikationen sollten bei der Planung grenzüberschreitender Unternehmenstransaktionen daher bereits jetzt berücksichtigt werden.