Verbraucherdarlehen in der Krise – der gesetzliche Zahlungsaufschub in Zeiten von Corona
Mit dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ beabsichtigt der Gesetzgeber, die finanziellen Belastungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise für Verbraucher und Unternehmen abzufedern. Das Gesetz enthält befristete Änderungen im Zivilrecht, Insolvenzrecht und im Strafverfahrensrecht. Als besonders weitreichend stellen sich die am 1. April 2020 in Kraft getretenen vertragsrechtlichen Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie dar. Diese sehen unter anderem einen gesetzlichen Zahlungsaufschub bei Verbraucherdarlehensverträgen vor. Der Zahlungsaufschub stellt Kreditinstitute, die Verbraucherdarlehen ausgereicht haben, vor große Herausforderungen.
Die neuen Stundungsregelungen des COVID-19 Folgenabmilderungsgesetzes sind auf Verbraucherdarlehen anwendbar, die vor dem 15. März 2020 geschlossen wurden. Mit umfasst sind auch Immobilienkredite, die Verbraucher aufgenommen haben. Gestundet werden die Ansprüche des Kreditinstituts auf Rückzahlungs-, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden – jeweils für die Dauer von drei Monaten. Voraussetzung für den Zahlungsaufschub ist, dass der Verbraucher Einnahmeausfälle durch die COVID-19-Pandemie hat und diese dazu führen, dass die weitere Erbringung von Darlehenszahlungen den angemessenen Lebensunterhalt des Verbrauchers gefährden würde. Die Schwelle der maßgeblichen Einnahmeminderung ist nicht allgemein festgelegt, sondern vom konkreten Einzelfall abhängig. Der Darlehensnehmer ist diesbezüglich darlegungs- und beweispflichtig.
Nach Ablauf der Stundungsfrist sind die Darlehenszahlungen vertragsgemäß fortzusetzen. Damit gestundete und laufende Darlehensraten nicht zeitlich zusammenfallen und den Verbraucher doppelt belasten, wird der Darlehensvertrag um drei Monate verlängert. Die Fälligkeit der Zins- und Tilgungsleistungen wird im Übrigen insgesamt um drei Monate verschoben. Damit bleiben die ursprünglichen Zahlungsverpflichtungen erhalten, nur die Leistungstermine sind jeweils um drei Monate versetzt. Dieser Automatismus tritt jedoch nur ein, sofern die Parteien nichts Abweichendes hinsichtlich der Fortführung des Darlehensverhältnisses nach dem 30. Juni 2020 vereinbart haben.
Flankiert wird die gesetzliche Stundung von einem ebenfalls befristeten Kündigungsschutz, der es den Kreditinstituten verbietet, Verbraucherdarlehensverträge während der Zeit zwischen dem 1. April 2020 und 30. Juni 2020 verzugsbedingt zu kündigen. Das Kündigungsverbot gibt dem betroffenen Darlehensnehmer insoweit Sicherheit, dass sein Kredit in diesem Zeitraum nicht insgesamt zur Rückzahlung fällig gestellt und die eingeräumte Kreditsicherheit verwertet wird. In den Genuss des Kündigungsschutzes kommen nur diejenigen Verbraucher, die ihre Darlehensraten aufgrund von COVID-19 bedingten Einnahmeausfällen nicht mehr vertragsgemäß bedienen können.
Die gesetzliche Stundung und der Kündigungsschutz für Verbraucher sind wichtige Schritte, die akuten finanziellen Belastungen durch die Krise abzumildern. Angesichts der zu erwartenden Dauer der COVID-19-Pandemie werden die neuen Regelungen aber kaum ausreichend sein, um alle betroffenen Verbraucher vor einem Abgleiten in die Überschuldung zu bewahren. Insoweit werden Kreditinstitute mit krisenbedingten Forderungsausfällen zu rechnen haben. Ferner müssen die Verbraucherdarlehen bei ausbleibenden Ratenzahlungen anderweitig refinanziert werden, was die ohnehin angespannte Ertragslage einiger Kreditinstitute zusätzlich belasten dürfte.
Sollte die Bundesregierung von der Verordnungsermächtigung im Gesetz Gebrauch machen und die gesetzliche Stundungsfrist über den 30. Juni 2020 hinaus verlängern, werden die Herausforderungen für die Kreditinstitute weiter zunehmen. Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Bundesregierung die Stundungsregelungen auf Darlehen weiterer Darlehensnehmergruppen, z.B. Kleinstunternehmen, ausdehnt, wozu sie ebenfalls aufgrund des Gesetzes berechtigt ist.
Kreditinstitute und ihre Kunden sollten daher die Phase der vorübergehenden gesetzlichen Stundung nutzen und frühzeitig miteinander sprechen. Dabei sollten mögliche Hilfs- und Überbrückungsmaßnahmen erörtert sowie vertragliche Anpassungen, etwa im Hinblick auf Zins- und Tilgungskonditionen, in Betracht gezogen werden. Ziel sollte es sein, die vertragliche Beziehung nach Abklingen der Krise auf eine für beide Seiten tragfähige Grundlage zu stellen.