Arbeits- und Sozialversicherungsrecht

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Arbeitszeiterfassung

Verfasst von

Dr. Nicole Elert

Manuel Klingenberg

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat am 18.04.2023 einen ersten Gesetzesentwurf zur „Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften“ veröffentlicht. Das Thema der Arbeitszeiterfassung nimmt nun erneut Fahrt auf.

Der Anlass

Nach dem „Paukenschlag“ am 13.09.2022 durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun das Bundesministerium für Arbeit und Soziales am 18.04.2023 „nachgelegt“ und einen ersten Gesetzesentwurf zur „Änderung des Arbeitszeitgesetzes und anderer Vorschriften" veröffentlicht (Referentenentwurf). Mit diesem Referentenentwurf sollen die Vorgaben des EuGH und des BAG zur Arbeitszeiterfassung umgesetzt werden.
Mehr denn je gilt nun, dass es an der Zeit ist, dass Unternehmen Regelungen zur Arbeitszeiterfassung unter Beachtung der Mitbestimmungs- und Datenschutzvorgaben einführen. Dies gilt umso mehr, da Arbeitgeber mit geregelten Arbeitszeitmodellen attraktiver für Bewerber sind und die Mitarbeiterzufriedenheit steigern. Gerade bei dem “War for Talents" können Arbeitgeber sich einen Vorteil verschaffen und sollten schnellstmöglich handeln.

Die wesentlichen Aspekte

Der Gesetzesentwurf beinhaltet folgende neue Regelungen:

  • Der Arbeitgeber soll verpflichtet werden, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung zu erfassen. Zusätzlich zu den Vorgaben des BAG und des EuGH soll die Zeiterfassung elektronisch erfolgen.
  • Vertrauensarbeitszeit soll weiterhin möglich sein und der Arbeitgeber kann die Zeiterfassung an den Arbeitnehmer oder einen Dritten delegieren. Aber die Endverantwortung der Aufzeichnung verbleibt stets beim Arbeitgeber: das heißt, der Arbeitgeber kann zwar auf die Kontrolle der vertraglich geregelten Arbeitszeit verzichten. Er muss dann aber „durch geeignete Maßnahmen“ sicherstellen, dass ihm Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen zur Dauer und Lage der Arbeits- und Ruhezeiten bekannt werden. Die bislang weit verbreitete Praxis, dem Arbeitnehmer völlig freie Hand bei der Gestaltung und Erfassung der Arbeitszeit zu lassen, dürfte damit nicht mehr zulässig sein.
  • Der Arbeitnehmer erhält auf Verlangen Auskunft über die aufgezeichnete Arbeitszeit und eine Kopie der Aufzeichnungen.
  • Die Nachweise sind für die gesamte Dauer der Beschäftigung, maximal jedoch für 2 Jahre in deutscher Sprache aufzubewahren. Auf Verlangen der Aufsichtsbehörde sind die Unterlagen auch am Ort der Beschäftigung bereitzuhalten.
  • In einem Tarifvertrag selbst oder aufgrund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarungen sind Abweichungen möglich: Ausnahmsweise kann dann eine Aufzeichnung in Papierform erfolgen bzw. die Aufzeichnung kann später als am ersten Tag erfolgen. Auch ist es in diesen Fällen möglich, auf die Aufzeichnung bei solchen Arbeitnehmern zu verzichten, bei denen die Arbeitszeit wegen der besonderen Tätigkeitsmerkmale nicht gemessen, nicht festgelegt oder selbst bestimmt werden darf. Ohne tarifliche Öffnungsklauseln ist es jedoch nicht möglich, abweichende Regelungen mittels Betriebsvereinbarung zu regeln.
  • Für kleinere Unternehmen wird es hinsichtlich der elektronischen Erfassungspflicht spezielle Übergangsvorschriften geben:
    o    Für Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten gilt die elektronische Erfassung erst bis zu zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, für Arbeitgeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern bis zu fünf Jahre nach Inkrafttreten;
    o    In Kleinunternehmen mit maximal zehn Beschäftigten oder Unternehmen ohne Betriebsstätte im Inland und mit bis zu zehn entsendeten Beschäftigten nach Deutschland muss die Arbeitszeit unbefristet nicht in elektronischer Form aufgezeichnet werden.

Die Praxishinweise

Mit der Veröffentlichung des Referentenentwurfs steht jetzt fest, dass es eine gesetzliche Pflicht geben wird, sämtliche Arbeitszeiten digital zu erfassen. Bei der Einführung von digitalen Prozessen gilt es, Spielregeln zu beachten. Insbesondere der Datenschutz und die Mitbestimmung zählen hierzu.

Mit unserem Working Time Compliance Check erfassen wir den aktuellen Stand Ihrer Arbeitszeitmodelle und -Richtlinien im Hinblick auf Zeitarten/Zeitkonten und die Umsetzung in Abrechnungs- und Urlaubssystemen sowie deren Übertragungsaufwand. Unsere Analyse bietet einen gezielten Überblick Ihrer Strukturen unter juristischen, prozessualen sowie technischen Aspekten.

Danach entwickeln wir für Sie passgenaue Lösungen für Ihr Unternehmen im Sinne einer ganzheitlichen Strategie. Besteht bei Ihnen Betriebsrat? Dann besteht hinsichtlich der Auswahl und der näheren Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung ein Mitbestimmungsrecht. Entsprechend unterstützen wir Sie bei der Modifikation bestehender Systeme und Prozesse sowie Anpassung bestehender IT-Betriebsvereinbarungen. Dies kann auch die Einführung von temporären technischen Lösungen für eine Mindestdokumentation beinhalten. Eventuell ist auch eine Anpassung ihrer Arbeitsprozesse notwendig.

Zuletzt erarbeiten wir für Sie die Auswahl und die Konfiguration eines neuen Zeiterfassungssystems und beraten bei der Implementierung eines solchen: Dies umfasst eine Markt- und Anforderungsanalyse, eine Schnittstellenanpassung, die Datenmigration, die Provider Governance sowie die arbeitsrechtliche Umsetzung inklusive Gestaltung von passenden IT-Betriebsvereinbarungen.

Die Autoren

Dr. Nicole Elert, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht

Manuel Klingenberg, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Der Autor und die Ihnen ggf. schon bekannten Ansprechpartner unserer über 60 Mitglieder starken Praxisgruppe Arbeitsrecht stehen Ihnen bei weitergehenden Fragen zur Bedeutung der Entscheidung für Ihre betriebliche Situation oder Planungen jederzeit gerne zur Verfügung.