Bau- und Immobilienrecht Litigation, Arbitration

Pflichtmediation für die Streitigkeiten im polnischen Bauwesen: Neue Wege der Streitbeilegung und was Deutschland davon lernen kann

Verfasst von

Dr. Malgorzata Wojtas LL.M. (Viadrina)

Polen stärkt die Mediation als Instrument der Streitbeilegung – und geht im Bauwesen einen bemerkenswerten Schritt weiter: Mit der Reform des Zivilverfahrensrechts vom 5. August 2025 (Dz.U. vom 26.08.2025, Pos. 1172) wird in wirtschaftlichen Streitigkeiten in Bausachen eine vorgeschaltete Mediation grundsätzlich verpflichtend. Das gilt ab dem 1. März 2026 für B2B-Streitigkeiten aus Bauverträgen. Für deutsch-polnische Projekte bedeutet das: Streitmanagement neu denken, Kosten- und Zeiteffekte aktiv nutzen. Zugleich liefert der polnische Ansatz wertvolle Impulse für den deutschen Rechtsraum.

Mediation in Polen: Rechtliche Grundlagen

Die Mediation hat in Polen in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Ursprünglich in den 1990er Jahren von der strafrechtlichen Mediation in Deutschland inspiriert, hat das polnische Mediationssystem einen eigenständigen Weg eingeschlagen. Ein wesentlicher Unterschied zu Deutschland ist die Rolle des Mediators/der Mediatorin im Zivilverfahren: Während in Deutschland das Institut des Güterichters eine zentrale Rolle spielt, wird die Mediation in Polen ausschließlich durch externe, unabhängige Mediator:innen durchgeführt.

Im Unterschied zur Rechtslage in Deutschland sind die Zivilgerichte befugt, die Parteien in jeder Phase des Verfahrens wiederholt zur Mediation zu verweisen. Obwohl eine richterliche Anordnung zur Durchführung eines Mediationsverfahrens bindend ist, bleibt die Teilnahme an der Mediation freiwillig. Die Parteien sind berechtigt, innerhalb einer Woche nach Zustellung der gerichtlichen Verfügung der Durchführung der Mediation zu widersprechen. Erfolgt kein Widerspruch, wird ein:e Mediator:in – entweder durch die Parteien selbst bestimmt oder vom Gericht aus einer beim Landgericht geführten Liste benannt – mit der Leitung der Mediation beauftragt.

Der gesetzliche Rahmen bietet ferner klare Anreize für gütliche Einigungen im Rahmen des Mediationsverfahrens. Ein vor einem Mediator/einer Mediatorin geschlossener Vergleich kann auf Antrag der Parteien mit einer Vollstreckungsklausel versehen werden und erlangt damit die rechtliche Wirkung eines Gerichtsvergleichs. Besonders praxisrelevant sind die Kostenvorteile: Kommt es vor der ersten mündlichen Verhandlung zu einem Vergleich vor einem Mediator/einer Mediatorin, wird die Gerichtsgebühr vollständig erstattet; erfolgt der Vergleich erst nach der ersten Verhandlung, reduziert sich die Gebühr um 75 Prozent. Dies unterstreicht auch den politischen Willen, einvernehmliche Streitbeilegungen zu privilegieren.

Die Gesetzesänderung: Pflichtmediation in Bauverfahren ab März 2026

Mit der Änderung des polnischen Zivilverfahrensgesetzbuchs vom 5. August 2025 (Dz.U. vom 26.08.2025, Pos. 1172), insbesondere durch die Einführung des Art. 4583a, wird die Mediation in wirtschaftlichen Streitigkeiten, die aus Bauverträgen und damit verbundenen Verträgen resultieren, verpflichtend vorgeschaltet. Vor der mündlichen Verhandlung müssen die Parteien nun grundsätzlich ein Mediationsverfahren durchführen. Die neue Regelung betrifft ausschließlich Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Die Änderung tritt am 1. März 2026 in Kraft.

Trotz der verpflichtenden Verweisung der Parteien zur Mediation bleibt das Prinzip der Freiwilligkeit der Mediation im Kern gewahrt: Parteien können im ersten Schriftsatz der Durchführung einer Mediation widersprechen. Das Gericht ist dann nicht mehr verpflichtet, das Mediationsverfahren einzuleiten. Allerdingt ist darauf zu achten, dass eine unbegründete Ablehnung der Teilnahme an einer Mediation gegebenenfalls kostenrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

Die Einleitung eines Mediationsverfahrens in Bausachen soll die Entscheidung im Gerichtsverfahren nicht verzögern. Das Gericht bestimmt den Termin der mündlichen Verhandlung unabhängig von der Einleitung des Mediationsverfahrens und ergreift geeignete Maßnahmen zur Verfahrensförderung. Ziel der neuen Regelung ist es, die oftmals mehrmonatige Zeitspanne zwischen Klageerhebung und mündlicher Verhandlung effektiv für eine einvernehmliche Streitbeilegung zu nutzen.

Die beabsichtigte Änderung zielt zudem darauf ab, eine Entlastung der Gerichte zu erreichen, indem sie die Parteien dazu anregt, eine einvernehmliche Beilegung ihrer Rechtsstreitigkeiten anzustreben. Dies soll für die komplexen und kostenintensiven Bauprozesse, die häufig durch einen erheblichen Bedarf an Sachverständigengutachten gekennzeichnet sind, eine raschere, weniger formalisierte und kosteneffizientere Konfliktlösung bieten.

Chancen und Risiken der neuen Regelung

Die verpflichtende Mediation in Bausachen wird als Chance gesehen, langwierige und kostenintensive Gerichtsverfahren zu vermeiden und die Parteien zu einer einvernehmlichen Lösung zu motivieren.

Allerdings birgt die Neuerung auch gewisse Risiken: Der Anwendungsbereich der neuen Regelung ist derzeit auf einen relativ kleinen Teil der wirtschaftlichen Streitigkeiten beschränkt. Zudem steht die Abschaffung der separaten Verfahrensregeln für wirtschaftliche Streitigkeiten im Raum, was die neue Regelung zu einer möglicherweise nur vorübergehenden Lösung machen könnte. Eine weitere Herausforderung besteht darin, dass die Parteien die Durchführung der Mediation als eine bloße Formalität betrachten und die Chance auf eine einvernehmliche Lösung nicht ernsthaft ergreifen könnten.

Übertragbarkeit der Lösungen im Kontext des deutschen Rechtsrahmens

Für Deutschland stellt sich die Frage der Übertragbarkeit der polnischen Reglung nur bedingt. In der Bundesrepublik werden Baustreitigkeiten traditionell häufig durch Schiedsverfahren entschieden, sodass eine Pflichtmediation hier voraussichtlich nur begrenzte Wirkung entfalten würde.

Gleichwohl bietet das polnische Modell beachtliche Anregungen. Sollten sich in Polen Effizienzgewinne, Kostenersparnisse und höhere Einigungsquoten zeigen, könnte dies den Stellenwert der Mediation auch in Deutschland weiter erhöhen. Darüber hinaus könnten Kostenanreize nach dem Vorbild der polnischen Regelung die Bereitschaft der Parteien zur Aufnahme eines Mediationsverfahrens erhöhen. Auch wenn die Mediation erfolglos bleibt, reduziert sich nach der polnischen Regelung die Gerichtsgebühr im anschließenden Verfahren um 75 Prozent.

Fazit

Die polnische Reform zeigt, wie sich Mediation strategisch einsetzen lässt, um die Justiz zu entlasten und tragfähige Lösungen zu fördern. Sie ist ein deutliches Signal zugunsten konsensorientierter Streitbeilegung, das über die Grenzen Polens hinaus beachtet werden sollte. Für Deutschland liefert sie wertvolle Impulse, auch wenn die verfahrensrechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen unterschiedlich sind. Entscheidend wird sein, ob die Praxis die Chance ergreift, die verpflichtende Mediation nicht als Hürde, sondern als hilfreiches Instrument zur effizienten Konfliktlösung zu nutzen.