Öffentliches Wirtschaftsrecht

OLG Düsseldorf macht den Weg frei für Direktvergabe im Kreis Heinsberg!

Das OLG Düsseldorf hat am 03.07.2019 in dem von uns begleiteten Vergabenachprüfungsverfahren gegen die Direktvergabe des Kreises Heinsberg einen wegweisenden Beschluss im Eilverfahren gefasst, der als Vorentscheidung für dieses Verfahren gelten kann.

Was ist geschehen? Wie im deutschen ÖPNV-Markt bekannt, beabsichtigt der Kreis Heinsberg bereits seit dem Jahr 2016 die Vergabe seines gesamten Busliniennetzes an das kreiseigene Verkehrsunternehmen WestVerkehr GmbH im Wege einer Direktvergabe nach Maßgabe der VO 1370. Gegen diese Direktvergabe wurde zunächst bei der VK Rheinland ein Nachprüfungsverfahren eingereicht, das seinerseits über die Beschwerdeinstanz OLG Düsseldorf im Hinblick auf entscheidungsrelevante Fragen im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 dem EuGH vorgelegt wurde. Kernaussage der Antwort des EuGH vom 21.03.2019 war, dass die Anwendung des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 grundsätzlich eine Ausgestaltung als sog. Dienstleistungskonzession inklusive der damit verbundenen Risikoübernahmeverpflichtung erforderlich macht. Gleichzeitig ließ sich der EuGH-Entscheidung aber auch entnehmen, dass ausschreibungsfreie Vergaben an kommunale Verkehrsunternehmen jenseits einer Dienstleistungskonzession weiterhin zulässig bleiben. Nämlich dann, wenn die allgemeinen Inhouse-Vergaberegeln des Richtlinienvergaberechts eingehalten werden. Zu den daraus resultierenden Handlungsoptionen verweisen wir auf unseren NL vom 26.06.19 (Ausgabe 2/ Juni 2019).

Das OLG Düsseldorf war nunmehr im Verfahren Kreis Heinsberg dazu aufgerufen, die Aussagen des EuGH auf den konkreten Sachverhalt anzuwenden. Zuvor hatte allerdings bereits der Vergabesenat des OLG Jena für einen vergleichbaren Direktvergabesachverhalt wegen der dort gewählten Ausgestaltung des ÖDA als Kreistagsbeschluss mit anschließender gesellschaftsrechtlicher Umsetzung entschieden, dass Art. 5 Abs. 2 VO 1370 trotz fehlender Dienstleistungskonzession weiterhin anwendbar bleibt, da diese Gestaltung kein Vertrag im Sinne des GWB sei. Da das OLG Düsseldorf diese Einschätzung des OLG Jena nicht teilt und hiervon abweichen will, hat es das laufende Nachprüfungsverfahren dem Bundesgerichtshof im Wege einer sog. Divergenzvorlage zur Entscheidung weitergeleitet (vgl. unsere Sonderausgabe August 2019).

Gleichzeitig mit der Divergenzvorlage entschied der Vergabesenat Düsseldorf den Weg für die Umsetzung der Direktvergabe freizumachen, indem er das bis dahin noch bestehende Zuschlagsverbot von Amts wegen aufhob. Bei einer vorläufigen Neubewertung des Nachprüfungsantrags zeichne sich nämlich im Lichte des EuGH-Urteils die Erfolglosigkeit des Klägerbegehrens auf Untersagung der Direktvergabe ab. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das Verfahren mittlerweile drei Jahre andauere und der Senat wegen der Divergenzvorlage an einer kurzfristigen Entscheidung in der Hauptsache gehindert sei.

Unter Zulässigkeitsgesichtspunkten sei der Kreis Heinsberg nicht schon deshalb an der Direktvergabe gehindert, weil er im Rahmen der erforderlichen Vorabinformation nach Art. 7 Abs. 2 VO 1370 gemäß der EuGH-Entscheidung keine allgemeine Inhouse-Vergabe, sondern eine Direktvergabe nach Art. 5 Abs. 2 VO 1370 angekündigt hat. Weder das nationale Recht noch die VO 1370 enthielten Rechtsfolgen für eine fehlerhafte Bekanntmachung. Insbesondere folge hieraus kein Verbot der Direktvergabe, auf das sich die Antragstellerin berufen könne. Zudem sei der Senat aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, die Zulässigkeit einer Direktvergabe auch anhand anderer vergaberechtlicher Ausnahmetatbestände zu prüfen (hier: Inhouse-Vergabe anstelle von Art. 5 Abs. 2 VO 1370).

Auch der Umstand, dass der Kreis Heinsberg die konkrete Subunternehmerquote nach Art. 4 Abs. 7 S. 1 VO 1370 nicht im Rahmen der Vorabinformation beziffert habe, sei nicht zu beanstanden. Aus beiden Sachverhalten könnten keine relevanten Rechtsverstöße resultieren, da die Antragstellerin bei einer Direktvergabe niemals zu einer Angebotsabgabe berechtigt gewesen wäre.

Im Übrigen stellt der Senat klar, dass er sich trotz der Divergenzvorlage nicht an einer Entscheidung im Eilverfahren gehindert sehe. Im Zuge dessen prüft und bejaht er bei der gebotenen kursorischen Prüfung sowohl die Voraussetzungen der Sondervergaberegelung des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 als auch des allgemeinen Inhouse-Vergaberechts. Dabei stellt der Senat unter Bezugnahme auf Schlussanträge des Generalanwalts sowie einer entsprechenden Stellungnahme der EU-Kommission insbesondere klar:

  • Die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 VO 1370 müssen noch nicht im Zeitpunkt der Vorabbekanntmachung, sondern erst zum Zeitpunkt der Direktvergabe vorliegen.
  • Die Übertragung der Tarifzuständigkeit auf einen Verkehrsverbund stellt die Eigenschaft als zuständige Behörde nicht in Frage, wenn die Satzung des Verbunds das Recht zur Direktvergabe ausdrücklich bei seinen Mitgliedern belasse.
  • Der Kreis Heinsberg verstößt nicht gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot, da dieses hinter den Sonderregeln der VO 1370 als nachrangig zurücktritt.

Im Anschluss an diese kursorische Prüfung stellt der Senat fest, dass die Voraussetzungen für ein allgemeines Inhouse-Geschäft (Kontrolle, Wesentlichkeit, keine privaten Beteiligungen) ebenfalls eingehalten werden:

  • Der Senat bestätigt die Einhaltung des Kontrollkriteriums aufgrund der bestehenden satzungsrechtlichen Vorgaben und der statuarischen Absicherung von Weisungsrechten innerhalb einer komplexen kommunalen Holding-Struktur.
  • Auch das Wesentlichkeitskriterium wird bejaht. Hierbei hebt der Senat insbesondere hervor, dass der Einhaltung nicht entgegenstehe, dass die WestVerkehr einen großen Teil ihrer Umsätze von Fahrgästen und damit formal mit Dritten erzielt. Diese Umsätze seien nicht als inhouse-schädliche Drittumsätze zu werten, da sie auf dem Auftrag des Kreises beruhen.

Ferner stellt der Senat klar, dass vermeintliche beihilfenrechtliche Verstöße kein zulässiger Verfahrensgegenstand eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens sind. Dabei lässt der Senat allerdings offen, ob daraus resultierende Unterlassungsansprüche außerhalb des Vergaberechtsweges eingeklagt werden könnten. Die Antragstellerin hat in diesem Zusammenhang u.a. geltend gemacht, dass bestimmte Zahlungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gegen Notifizierungspflichten und Durchführungsverbote verstoßen würden.

Praxishinweis:

Hervorzuheben ist zunächst, dass nach der Rechtsprechung des Senats keine Korrektur laufender Vorabbekanntmachungen im Zuge der EuGH-Rechtsprechung notwendig ist. Jedenfalls für die Direktvergaben in NRW gilt, dass sich das OLG Düsseldorf zur Prüfung sämtlicher einschlägiger Rechtsgrundlagen unabhängig vom jeweiligen Bekanntmachungs-text verpflichtet sieht, so dass bei einer vermeintlich fehlenden Bekanntmachung kein Handlungsbedarf besteht.

Auch die weiteren Aussagen des OLG Düsseldorf besitzen eine enorme praktische Relevanz für laufende oder kurzfristig anstehende Direktvergabeprozesse. Sie stehen aber gleichwohl unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit, da diese lediglich im Rahmen eines Eilverfahrens ergangen sind. Hinzu kommt, dass die Entscheidungskompetenz wegen der Divergenzvorlage nunmehr auf den Bundesgerichtshof übergegangen ist. Eine abschließende Entscheidung in dieser Sache ist nicht vor Ende dieses Jahres zu erwarten. In laufenden Vergabeverfahren kann es daher zweckmäßig sein, eine Aussetzung des Verfahrens zu beantragen. Dies ist naturgemäß für jeden Einzelfall gesondert abzuwägen.