Neues Aufsichtsrecht für Wertpapierinstitute
Ab dem 26. Juni 2021 wird die neue Wertpapierfirmenverordnung der EU unmittelbar anwendbares Recht sein und die Vorgaben der Wertpapierfirmenrichtlinie sind von den nationalen Gesetzgebern bis zu diesem Datum umzusetzen. Mit dem Gesetzentwurf für ein Wertpapierinstitutsgesetz (WpIG) sollen die Vorgaben der Richtlinie in Deutschland umgesetzt werden. Innerhalb des so geschaffenen Regelungsrahmens wird die Beaufsichtigung von Wertpapierinstituten vorwiegend nicht mehr nach dem Kreditwesengesetz (KWG) und der Kapitaladäquanzverordnung erfolgen, sondern abgestuft nach der Größe des Instituts grundsätzlich in den meisten Fällen nach dem neuen Aufsichtsregime.
Die ab dem 26. Juni 2021 unmittelbar geltende Wertpapierfirmenverordnung (IFR, VO (EU) 2019/2033) sowie das aller Voraussicht nach ab diesem Tag geltende WpIG finden nur auf Wertpapierinstitute Anwendung. Die Beaufsichtigung von anderen Instituten wie zum Beispiel CRR-Kreditinstituten erfolgt auch weiterhin nach dem KWG auch unter Beachtung der Kapitaladäquanzverordnung (CRR, VO (EU) 575/2013). Ein Wertpapierinstitut ist ein Unternehmen, welches bestimmte Tätigkeiten erbringt, die in § 2 WpIG-Entwurf genannt werden. Im Wesentlichen umfasst dies nach der jetzigen Rechtslage die meisten der als Finanzdienstleistung im KWG charakterisierten Tätigkeiten. Nach wie vor anwendbar bleiben (ausschließlich) die CRR und das KWG aber für Unternehmen, die als Wertpapierdienstleistung den Eigenhandel, das Eigengeschäft oder das Emissionsgeschäft betreiben und bestimmte Bilanzsummenschwellen überschreiten (§ 32 Abs. 1 Satz 2 KWG-neu). Die Institutsdefinitionen wurden infolge dessen insoweit angepasst, sodass auch systemisch bedeutsame Institute, die auf Grundlage ihrer Tätigkeiten eigentlich als Wertpapierinstitut zu charakterisieren wären, fortan weiterhin als Institut im Sinne des KWG-neu und der CRR-neu gelten. Alle übrigen Wertpapierinstitute werden grundsätzlich der IFR und dem zukünftigen WpIG unterfallen. In einem gewissen Umfang ausgenommen davon sind lediglich die sogleich dargestellten großen Wertpapierinstitute. Eine bisher bestehende Erlaubnis nach dem KWG für bestimmte Tätigkeiten wird sich ab der Geltung des neuen Aufsichtsrahmens grundsätzlich automatisch in eine Erlaubnis nach dem zukünftigen WpIG umwandeln, ohne dass es der Umschreibung des Erlaubnisbescheides bedürfte. Betroffene Unternehmen haben daher generell die neuen Aufsichtsanforderungen nach der IFR und dem zukünftigen WpIG zu erfüllen.
Der Beaufsichtigung nach diesen Regelwerken unterfallende Institute lassen sich nach dem neuen Recht in drei Gruppen einteilen: kleine, mittlere und große Wertpapierinstitute. Die Kategorisierung als großes Wertpapierinstitut kann dabei auf drei unterschiedlichen Wegen erfolgen. Zunächst sind Unternehmen, welche die in Anhang I Abschnitt A Nummern 3 und 6 der MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU) genannten Tätigkeiten betreiben, automatisch kraft Gesetzes ein großes Wertpapierinstitut, wenn die Bilanzsumme des Einzelunternehmens oder die Summe der Bilanzsummen der Mitgliedsunternehmen einer Gruppe die Schwelle von 15 Mrd. € überschreitet. Daneben erfolgt diese Einordnung auch, wenn das Unternehmen die genannten Tätigkeiten ausübt, es als Tochterunternehmen eines Kreditinstitutes in dessen konsolidierte Beaufsichtigung einbezogen ist, die Einordnung nicht zur Verringerung der Eigenmittelanforderungen führt oder der Aufsichtsarbitrage dient und die BaFin eine Einordnung als großes Wertpapierinstitut gestattet (Art. 1 Abs. 5 IFR). Schließlich kann die BaFin für ein Unternehmen unter bestimmten Bedingungen auch anordnen, dass die Anforderungen an große Wertpapierinstitute einzuhalten sind (§ 8 WpIG-E, Eigenhandel, Emissionsgeschäft und Überschreitung bestimmter Schwellen). Rechtsfolge der Einordnung als großes Wertpapierinstitut ist, dass zwar das zukünftige WpIG anwendbar ist und sich auch die Erlaubnispflicht des Unternehmens nach diesem Gesetz richtet. Jedoch findet die IFR keine Anwendung auf große Wertpapierinstitute; sie haben die Anforderungen der CRR zu erfüllen (Art. 1 Abs. 2, 5 IFR und § 8 WpIG-E). Zudem gelten für diese Unternehmen weite Teile des KWG anstelle bestimmter Vorschriften des zukünftigen WpIG bzw. zusätzlich.
Kleine Wertpapierinstitute müssen kumulativ mehrere in der IFR aufgeführte Kriterien erfüllen: u.a. muss die Summe der verwalteten Vermögenswerte kleiner als 1,2 Mrd. € sein und der Wert der täglich bearbeiteten Kundenaufträge darf den Betrag von 100 Mio. € für Kassageschäfte bzw. 1 Mrd. € für Derivate nicht erreichen oder überschreiten. Die Einordnung erfolgt auch hier automatisch kraft Gesetzes. Die verbleibende Gruppe der mittleren Wertpapierinstitute umfasst jene (unter die Beaufsichtigung nach der IFR und dem zukünftigen WpIG fallenden) Unternehmen, die weder als kleines noch als großes Wertpapierinstitut kategorisiert werden. Kleine und mittlere Wertpapierinstitute haben ausschließlich die Regeln von IFR und dem zukünftigen WpIG anzuwenden. Im Interesse einer risikoproportionalen Beaufsichtigung müssen jedoch einige Anforderungen durch kleine Wertpapierinstitute nicht erfüllt werden. Dies betrifft insbesondere strengere Eigenmittelanforderungen und bestimmte Pflichten bezüglich der Geschäftsorganisation und der Leitungspersonen.
In materieller Hinsicht zeichnet sich die zukünftige Rechtslage für Wertpapierinstitute vor allem durch die neue Art der Berechnung der Eigenmittelanforderungen aus, welche anhand einer Reihe von sogenannten K-Faktoren erfolgen wird. Ausgenommen von dieser Berechnungsmethode sind lediglich kleine Wertpapierinstitute. K-Faktoren haben zum Zweck, die Risiken gegenüber Kunden des Wertpapierinstituts, dem Markt sowie dem Unternehmen selbst adäquat abzubilden. Darüber hinaus enthält das zukünftige WpIG zudem nach dem Gesetzentwurf auch Regelungen bezüglich der Geschäftsleiter, ihrer Vergütung sowie sonstige Anforderungen an die Geschäftsorganisation, die teilweise von jenen nach dem KWG abweichen.
Insgesamt sollten sich Unternehmen, welche einschlägige Wertpapierdienstleistungen, Nebendienstleistungen oder Nebengeschäfte erbringen, frühzeitig mit der neuen Rechtslage auseinandersetzen, um Sanktionen und Maßnahmen aufgrund von Aufsichtsbefugnissen durch die BaFin zu entgehen.