Neue Impulse und Instrumentarien für die vorinsolvenzliche Sanierung durch das SanInsFoG
Seit dem 18. September liegt der Referentenentwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vor. Der Entwurf umfasst nicht nur die Umsetzung der europäischen Restrukturierungsrichtlinie (Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz und Entschuldungsverfahren), sondern auch zahlreiche Änderungen der Insolvenzordnung (InsO) und anderer Gesetze. In seiner derzeitigen Ausgestaltung bedeutet das SanInsFoG den größten Eingriff in das deutsche Insolvenz- und Restrukturierungsrecht seit Inkrafttreten der InsO im Jahr 1999.
Regelungsgegenstand des SanInsFoG
Herzstück des SanInsFoG ist die Einführung des Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetzes (StaRUG). Dieses 101 Paragraphen umfassende Gesetz schafft erstmalig einen gesetzlichen Rahmen sowie ein spezifisches Instrumentarium für die außerinsolvenzliche Sanierung von Unternehmen.
Das SanInsFoG bringt ferner erhebliche Änderungen der InsO mit sich. Erwähnenswert sind hier insbesondere die Festlegung von Prognosezeiträumen für die Beurteilung der drohenden Zahlungsunfähigkeit sowie für die Fortbestehensprognose im Rahmen der Prüfung des (Nicht-) Vorliegens einer Überschuldung im Sinne des § 19 InsO. Zu nennen sind ferner die vorgesehenen höheren Hürden für den Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren. Darüber hinaus ergeben sich aus dem SanInsFoG Änderungen von rund 20 weiteren Gesetzen, darunter das Handelsgesetzbuch, das Aktiengesetz, das GmbH-Gesetz sowie das COVInsAG.
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über das Sanierungsverfahren nach dem StaRUG gegeben werden.
Sanierung mittels der Instrumentarien des StaRUG
Das StaRUG kommt nur zur Anwendung, wenn das Krisenunternehmen bereits drohend zahlungsunfähig im Sinne des § 18 InsO ist, aber noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet im Sinne der §§ 17, 19 InsO. Zentrales Element der Sanierung mittels des StaRUG ist der sog. Restrukturierungsplan, mit dem der Schuldner seinen Gläubigern einen Vorschlag für eine Regulierung seiner Verbindlichkeiten unterbreiten kann. Die im StaRUG vorgesehenen Regelungen betreffend die Gestaltung eines Restrukturierungsplans sowie das Verfahren zu seiner Annahme und Durchführung sind in weiten Teilen dem Insolvenzplanverfahren nachgebildet.
Gegenstand eines Restrukturierungsplans können gegen den Schuldner gerichtete Forderungen sowie Rechte an Gegenständen des Schuldners sein, die im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Absonderung berechtigen würden. Der Plan kann auch in die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der an dem Schuldner beteiligten Personen eingreifen, insbesondere eine Übertragung dieser Anteile vorsehen, sowie sonstige gesellschaftsrechtlich zulässige Regelungen beinhalten. Des Weiteren kann der Plan Regelungen über neue Darlehen beinhalten, die zur Finanzierung der Restrukturierung auf Basis des Plans benötigt werden. Keiner Planregelung zugänglich sind z.B. Forderungen von Arbeitnehmern des Schuldners aus dem Arbeitsverhältnis.
Der Restrukturierungsplan besteht – ebenso wie ein Insolvenzplan – aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil sowie aus gesetzlich vorgeschriebenen Anlagen. Der darstellende Teil muss eine Vergleichsrechnung umfassen, in der die Auswirkungen des Plans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen darzustellen sind. Dem Plan ist ferner „eine begründete Erklärung zu den Aussichten beizufügen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin durch den Plan beseitigt wird.“
In dem Plan sind die Gläubiger sowie die sonstigen Planbetroffenen in Gruppen einzuteilen. Die Abstimmung über den Plan erfolgt sodann in Gruppen, wobei sich die Stimmrechte der den Gruppen angehörigen Gläubiger primär nach dem Betrag ihrer Forderungen richten. Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist es erforderlich, dass in jeder Gruppe auf die dem Plan zustimmenden Gruppenmitglieder mindestens drei Viertel der Stimmrechte dieser Gruppe entfallen. Wird diese Mehrheit in einer Gruppe (oder in mehreren) nicht erreicht, gilt die Zustimmung dieser Gruppe zum Plan gleichwohl als erteilt, wenn die Mitglieder der betreffenden Gruppe durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als sie ohne den Plan stünden, die Mitglieder dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert des beteiligt werden, der den Planbetroffenen laut Plan zufließen soll und die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Wurden lediglich zwei Gruppen gebildet, genügt insoweit die Zustimmung einer Gruppe.
Außer dem rein außergerichtlichen Restrukturierungsplanverfahren kann das Krisenunternehmen zudem die in § 29 Ref-E StaRUG aufgeführten Instrumente nutzen. Hierzu zählen die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens, die gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans und die Möglichkeit einer gerichtlichen Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Plans erheblich sind. Des Weiteren kann das Gericht auf Antrag die Beendigung von gegenseitigen und beiderseitig noch nicht vollständig erfüllten Verträgen des Krisenunternehmens aussprechen. Zudem kann das Schuldnerunternehmen eine „gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung)“ beantragen.
Stabilisierungsmaßnahmen in dem o.g. Sinn sind die Einstellung bzw. Untersagung von Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen das Schuldnerunternehmen sowie die Anordnung einer sog. Verwertungssperre. Letztere hat zum Inhalt, dass Rechte an beweglichen Vermögensgegenständen des Schuldnerunternehmens, die im Fall einer Insolvenz zur Aus- oder Absonderung berechtigen würden, von den Rechteinhabern nicht ausgeübt werden dürfen, sofern der betreffende Gegenstand im Unternehmen des Schuldner eingesetzt wird und für dieses von erheblicher Bedeutung ist. Angeordnet werden kann eine Stabilisierungsmaßnahme für eine Dauer von maximal drei Monaten.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist durch das Gericht ein sog. Sanierungsbeauftragter zu bestellen, z.B. dann, wenn der Schuldner eine Stabilisierungsanordnung (Vollstreckungssperre), die sich gegen alle oder im Wesentlichen alle Gläubiger richtet, oder eine Vertragsbeendigung beantragt hat. Liegen die Voraussetzungen für eine notwendige Bestellung nicht vor, kann das Gericht einen Restrukturierungsbeauftragten auf Antrag des Schuldners bestellen. Auch eine Bestellung auf Gläubigerantrag ist möglich, sofern auf die antragstellenden Gläubiger mindestens 25 Prozent der Stimmrechte einer Gläubigergruppe entfallen. Der Restrukturierungsbeauftragte übt im Wesentlichen Prüfungs- bzw. Überwachungsfunktionen aus. Er steht unter der Aufsicht des Gerichts. Der Schuldner ist ihm gegenüber auskunftspflichtig.
Interessant aus Sicht der Geschäftsleitung des Krisenunternehmen sind im Übrigen die Haftungsvorschriften der §§ 2, 43 Ref-E StaRUG:
Gemäß § 2 Abs. 1 Ref-E StaRUG ist die Geschäftsleitung im Fall einer drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft verpflichtet, die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger zu wahren. Verletzt ein Geschäftsleiter schuldhaft diese Pflicht, haftet er gegenüber der Gesellschaft für den entstandenen Schaden. Wird die Pflichtverletzung zu einem Zeitpunkt begangen, in dem bereits eine Restrukturierungssache bei Gericht anhängig war, können die vorgenannten Ansprüche auch von den Gläubigern der Gesellschaft geltend gemacht werden. Hierbei soll es sich ausweislich der Begründung zum Referentenentwurf um eine Außenhaftung unmittelbar gegenüber den Gläubigern handeln. Dieses Haftungskonzept stellt eine Verschärfung der Haftung der Geschäftsleitung eines (nur) drohend zahlungsunfähigen Unternehmens gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage dar.
Praxishinweis
Das SanInsFoG – und damit auch das StaRUG – befindet sich derzeit noch im Stadium eines Referentenentwurfs. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant jedoch ein Inkrafttreten des Gesetzes bereits zum 1. Januar 2021. Mit einem schnellen Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens dürfte daher zu rechnen sein.