LAG Düsseldorf: Anforderungen an den Schutz von Geschäftsgeheimnissen
Jedes Unternehmen ist um die Sicherung seines Know-how besorgt. Zu diesem zählen, neben z.B. technischen Zeichnungen oder Innovationsideen, auch Kundenlisten. Da solche lange Zeit ungeschützt waren, wollte der Gesetzgeber mit dem 2019 in Kraft getretenem Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) dort Schutz ermöglichen, wo der gewerbliche Rechtsschutz – etwa von Patenten oder Gebrauchsmustern – aufgrund fehlender Anwendbarkeit keinen Schutz gewährt. Mit der Anwendung des noch jungen Regelwerkes, insbesondere der zentralen Frage, wann ein Geschäftsgeheimnis vorliegt, hat sich jüngst das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urteil vom 03.06.2020 – 12 SaGa 4/20) beschäftigt.
Gegenstand des Verfahrens
Das LAG Düsseldorf hat über Unterlassungsansprüche eines Unternehmens gegen einen ehemaligen Mitarbeiter aufgrund der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen entschieden. Kurz vor Austritt erhielt der Mitarbeiter von dem Unternehmen eine Kundenliste für seine Provisionsabrechnungen. Nach Austritt gab er diese nicht zurück, sondern nutzte diese für die Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber, einem Konkurrenten seines vormaligen Arbeitgebers. Darüber hinaus fertigte der ehemalige Mitarbeiter private Aufzeichnungen zu Kundenbesuchen an.
Private Aufzeichnungen = Geschäftsgeheimnis?
Das Gericht beschäftigte sich zunächst mit der Frage, ob die privaten Aufzeichnungen überhaupt in den Anwendungsbereich des GeschGehG fallen. Laut LAG handele es sich bei den Aufzeichnungen um Informationen, „die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert sind“. Neben den Kundenlisten seien also auch die private Aufzeichnungen als Geschäftsgeheimnis einzustufen. Entscheidend sei, dass der Arbeitgeber ein berechtigtes (wirtschaftliches) Interesse an der Geheimhaltung der Informationen habe.
„Catch all“-Klausel grundsätzlich unwirksam
Anschließend setzte sich das Gericht mit der Problematik auseinander, ob vorliegend durch den Arbeitgeber angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen wurden. Konkret wurde in dem Arbeitsvertrag eine sog. „Catch-all“-Klausel vereinbart, also eine Klausel, durch die der Arbeitnehmer sich auf unbestimmte Zeit verpflichtet, alle Informationen geheim zu halten, die im Rahmen des Arbeitsverhältnisses durch Angelegenheiten und Vorgänge im Zusammenhang mit der Tätigkeit für den Arbeitgeber erlangt wurden. Das Gericht entschied, dass eine solche – häufig in Arbeitsverträgen verwendete Klausel – unwirksam sei. In den Augen der Richter sei die Klausel zu pauschal und würde dem Arbeitnehmer Geheimhaltungspflichten aufbürden, die bereits dem Grunde nach nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Außerdem benachteilige eine solche Klausel den Arbeitnehmer in unzulässiger Weise, da die Geheimhaltungsverpflichtung weit über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausgehe. Im Ergebnis qualifizierten sich „Catch-all“-Klauseln daher nicht als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme nach dem GeschGehG.
Folgen für die Praxis: „Catch-all“, „Lose-all“
Unwirksamkeit der „Catch-all“-Klauseln hat für betroffene Unternehmen schlimmstenfalls den Verlust sämtlichen Schutzes nachvertraglicher Geheimhaltungsrechte zur Folge. Denn auch Informationen, welche dem Grunde nach durch das GeschGehG geschützt würden, stellen eben kein Geschäftsgeheimnis dar, wenn es an der Implementierung der angemessenen Schutzmaßnahmen fehlt. Die erfreuliche Nachricht ist hingegen, dass die Richter bestätigten, dass rein vertragliche Vereinbarungen grundsätzlich als Schutzmaßnahmen ausreichen – sofern sie konkret genug sind.
Für die Unternehmen bedeutet dies, dass die bestehenden Klauseln in Arbeitsverträgen gründlich überprüft und gegebenenfalls angepasst werden sollten. Auch bei neuen Arbeitsverträgen ist auf die Vereinbarung einer hinreichend konkreten und einzelfallbezogenen Klausel zu achten.