Datenschutz und Cybersecurity

Koalitionsvertrag 2021: Mehr Fortschritt wagen – auch im Datenrecht?

Verfasst von

Dr. Jan-Peter Ohrtmann

Die Koalitionsparteien (SPD, Grüne und FDP) haben im Koalitionsvertrag wichtige Vorhaben zum Datenrecht angesprochen, durch welche die „Digitalkompetenz, Grundrechte, Selbstbestimmung“ gestärkt werden und für mehr „Sicherheit und Respekt“ gesorgt werden soll.

Die Ampelkoalition strebt insbesondere einen besseren Zugang zu Daten für Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft an, insbesondere um Start-ups sowie kleinen und mittleren Unternehmen „neue innovative Geschäftsmodelle und soziale Innovationen in der Digitalisierung zu ermöglichen“. Ein Datengesetz soll u.a. hierfür die rechtliche Grundlage schaffen. Spannend wird sein, wie die Koalition dieses Datengesetz in einen künftigen Data Governance Act (Proposed Regulation on Data Governance) einbetten wird, der gegenwärtig auf europäischer Ebene diskutiert wird und u.a. im aktuellen Entwurf die Weiterverwendung von Daten öffentlicher Stellen und die Schaffung von Datenvermittlern zu Zwecken von allgemeinem Interesse vorsieht. Die Schnittmenge, oder besser Überschneidung der Zielsetzung beider Gesetzgebungsakte, scheint nicht unerheblich zu sein.

In dem Zusammenhang will die neue Koalition Anonymisierungstechniken fördern und die „rechtswidrige De-anonymisierung“ strafbar machen. Zwar hat die Datenethikkommission dies empfohlen. Es bleibt jedoch fraglich, welcher gesetzliche Anwendungsbereich neben dem § 42 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zukünftig erfasst wäre. Die Vorschrift bestraft bereits besonders gewichtige Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten. Eventuell beabsichtigt die Ampel-Koalition eine Ergänzung der Vorschrift. In jedem Fall scheint eine solche Norm eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit mit sich zu bringen, weil schon jetzt oft unklar ist, wann eine Anonymisierung vorliegt.

Zudem will sich die Koalition (wie bereits die Vorgängerregierung aus CDU/CSU und SPD) für eine schnelle Verabschiedung der E-Privacy-Verordnung einsetzen, welche im Streit um die Regulierung von Online-Tracking bisher blockiert wird. Wünschenswert wäre dies. Ob es in der Hand der Bundesregierung liegt, ist eine andere Frage.

Gespannt kann man ebenso sein, wie die künftige Bundesregierung den Beschäftigtendatenschutz ausgestalten will, um „Rechtsklarheit für Arbeitgeber sowie Beschäftigte zu erreichen und die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen“. Der Koalitionsvertrag lässt offen, ob nur eine Überarbeitung des bisher bestehenden § 26 BDSG oder die Schaffung eines eigenen Beschäftigtendatenschutzgesetzes geplant ist.

Daneben strebt die Koalition ein Forschungsdaten- und Mobilitätsdatengesetz an. Beides ist zu begrüßen, weil es einen Rahmen schaffen kann, der der Digitalisierung in beiden Bereichen mehr Rechtssicherheit verschafft. Da das Ausbalancieren zwischen dem Schutz der Privatsphäre und der Nutzung von Daten zur Entwicklung digitaler Leistungen und Geschäftsmodelle nicht immer einfach ist und in der Vergangenheit politisch hohe Wellen geschlagen hat, wird es auch hier spannend sein, ob und wie schnell hier ein ausgereifter Entwurf entstehen wird.

Sehr zu begrüßen ist schließlich das Vorhaben, die Datenschutzkonferenz (DSK) zu institutionalisieren und ihren Beschlüssen einen rechtsverbindlichen Charakter zu ermöglichen. Dies würde zu mehr Rechtssicherheit führen, wenn Entschließungen, Kurzpapiere und Anwendungshinweise der DSK verbindlich würden.

Fazit

Die Anzahl der Vorhaben zum Umgang mit und dem Schutz von Daten ist zu begrüßen. Jedoch enthält der Koalitionsvertrag – fast naturgemäß – vor allem ambitionierte Schlagworte. Erst mit fortschreitender Regierungsarbeit wird sich zeigen, wie viel Fortschritt hinsichtlich der Datennutzung und des Datenschutzes umgesetzt wird. An diesem Wagemut ist die Ampelkoalition zu messen.