Klimaschutzverträge: Katalysatoren für die Umstellung auf eine klimafreundliche Industrie
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Nach Einschätzung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (im Folgenden „BMWK“) ist dieses Ziel nur gemeinsam mit der Industrie zu erreichen, die für über 20 % der CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich ist. Eine klimafreundliche Produktion ist jedoch, trotz des bestehenden Handlungsbedarfs, in einer Vielzahl von Fällen noch nicht wirtschaftlich. Für Unternehmen ist die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktion mit Mehrkosten und schwer kalkulierbaren Preisrisiken verbunden. Dem gegenüber stehen zwar zahlreiche Förderprogramme, die jedoch entweder aufwendige Prüfverfahren vorsehen oder nur Investitionen in kleinere Anlagen unterstützen.
Die Klimaschutzverträge sollen bei diesem Problem Abhilfe schaffen, indem sie die Errichtung klimafreundlicher Industrieanlagen ermöglichen. Dabei werden die Industrieunternehmen (im Folgenden „Bieter“ genannt) vor Preisrisiken geschützt und bekommen über 15 Jahre Mehrkosten ausgeglichen, die im Vergleich zur Umsetzung einer weniger klimafreundlichen Alternative entstehen. So werden auch für die emissionsintensiven Branchen sichere Rahmenbedingungen für Investitionen in klimaneutrale Industrieanlagen geschaffen.
Funktionsweise der Klimaschutzverträge
Die Klimaschutzverträge funktionieren nach dem Prinzip von CO2-Differenzverträgen („Carbon Contracts for Difference“). Die Mehrkosten, die den Bietern durch die Errichtung klimafreundlicher Industrieanlagen entstehen, werden durch staatliche Zuschüsse ausgeglichen. Gleichzeitig wird durch den Klimaschutzvertrag aber auch eine Überkompensation durch staatliche Zuwendungen vermieden. Dafür sorgt folgender Mechanismus:
Ausgangspunkt für die Berechnung der Zuwendung ist der sog. Basis-Vertragspreis. Der Basis-Vertragspreis ist der Preis, den der Bieter zur Deckung der Mehrkosten gegenüber dem Referenzsystem veranschlagt. Unter Mehrkosten ist die Differenz der Kosten der Anschaffung und des Betriebs einer klimafreundlichen Anlage im Vergleich zu den entsprechenden Kosten einer konventionellen Anlage (Referenzsystem) zu verstehen. Das Referenzsystem ist die für das jeweilige Produkt zum Zeitpunkt des Förderaufrufs dominierende Produktionstechnologie. Zusätzlich kann für die jeweilige Abrechnungsperiode die dynamische Entwicklung der entsprechenden Energieträgerpreise in den Basis-Vertragspreis einfließen.
Der so ermittelte Basis-Vertragspreis wird in der Einheit Euro pro vermiedene Tonne CO2-Äquivalent angegeben, in dem die Mehrkosten durch die „reale spezifische Treibhausgasemissionsminderung“ geteilt werden. Er ist als hypothetischer CO2-Preis zu verstehen, der zur Gleichstellung des Vorhabens mit einer konventionellen Produktion erforderlich wäre.
Diesem hypothetischen CO2-Preis steht der tatsächliche CO2-Preis gegenüber. Im Ergebnis erhalten die Bieter grundsätzlich einen variablen Beihilfebetrag, der sich aus der Differenz zwischen dem hypothetischen CO2-Preis und dem tatsächlichen CO2-Preis multipliziert mit der tatsächlich realisierten Treibhausgasemissionsminderung und der realisierten Produktionsmenge errechnet. Auf diese Weise können das Preisrisiko der Energieträger und eventuelle Schwankungen des CO2-Preises angemessen berücksichtigt werden.
Sobald aber die klimafreundliche Produktion günstiger wird als die konventionelle, der tatsächliche CO2-Preis also höher ist als der hypothetische, kehrt sich das Zahlungsverhältnis um und der Bieter gibt die zusätzlichen Einnahmen in Form von Überschusszahlungen an den Zuwendungsgeber ab. Ist das aus dem Betrieb der klimafreundlichen Anlage gewonnene Produkt preisbestimmend geworden, kann die Überschusszahlungspflicht auf Antrag ausgesetzt werden.
Da anzunehmen ist, dass der CO2-Preis im Laufe der Zeit konstant ansteigen wird, wird der Bieter in der ersten Phase des Projektes Zuwendungen erhalten, die sich in späteren Phasen des Projektes in Überschusszahlungen an den Zuwendungsgeber umkehren können. Um die Transformation anzustoßen, trägt der Staat damit das wirtschaftliche Risiko für die Klimaschutzmaßnahmen mit. Er wird im Gegenzug aber auch an den wirtschaftlichen Chancen einer Umstellung auf klimafreundliche Technologien beteiligt.
Ziele und Voraussetzungen
Ziel der Klimaschutzverträge ist die schnelle, kontinuierliche und kosteneffiziente Transformation, indem die Errichtung und der Betrieb klimafreundlicher Produktionsverfahren besonders großer Industrieanlagen in emissionsintensiven Branchen gefördert werden. Hierdurch sollen eine erhebliche Menge an Treibhausgasen eingespart werden und die jeweiligen Produktionsverfahren am Markt etabliert werden.
Deshalb müssen die Vorhaben nach Ziffer 4.12 des Entwurfes der Klimaschutzverträge-Förderrichtlinie vom 06.06.2023 folgende Mindestvoraussetzungen erfüllen:
- Das Vorhaben muss eine durch den Förderaufruf festgelegte Mindestgröße der absoluten durchschnittlichen jährlichen Treibhausgasemissionen im Referenzsystem (mind. 10 kt-CO2-Äquivalent pro Jahr) aufweisen.
- Ab Beginn des dritten Jahres nach dem operativen Beginn muss die Treibhausgasemissionsminderung gegenüber dem Referenzsystem mindestens 60 % betragen.
- Eine Treibhausgasemissionsminderung von mindestens 90 % gegenüber dem Referenzsystem muss technisch möglich sein und muss im letzten Jahr der Vertragslaufzeit des Klimaschutzvertrages erreicht werden (Zugangskriterium Klimaneutralität).
Im Ergebnis bedeutet dies, dass das Referenzsystems des Vorhabens 10kt CO2 emittieren muss, wovon dann im dritten Jahr mindestens 60 % und spätestens im letzten Jahr 90 % durch das Vorhaben eingespart werden kann.
Bieter, die zu den emissionsintensiven Branchen wie z.B. der Stahl-, Kalk- & Zement-, Papier- oder Glas- & Keramikproduktion gehören, sind die Adressaten der Förderrichtlinie. Antragsberechtigt sind Unternehmen sowie Kommunen, deren Eigenbetriebe und kommunale Unternehmen. Mehrere Unternehmen können ein Konsortium bilden. In diesem Fall ist ein Konsortialführer zu bestimmen, der den Antrag stellt und für das Konsortium zustellungsbevollmächtigt ist.
Verfahren und Zuschlagskriterien
Vor dem eigentlichen Gebotsverfahren kann das BMWK ein vorbereitendes Verfahren durchführen. In diesem Verfahren wird den Bietern auch die Möglichkeit gegeben, Fragen zum Gebotsverfahren zu stellen. Eine Teilnahme ist jedoch zwingende Voraussetzung für das jeweils nachfolgenden Gebotsverfahren.
Die Zuschlagserteilung erfolgt auf wettbewerblicher Basis. Im Gebotsverfahren reichen die Bieter nach dem Förderaufruf ihre Anträge innerhalb einer Ausschlussfrist ein. Hierin muss ein unwiderrufliches Angebot auf den Abschluss eines Klimaschutzvertrages enthalten sein. Den Zuschlag erhalten die Gebote in der Reihenfolge ihrer Bewertung, bis die maximale Fördersumme aller Gebote zusammenaddiert das Fördervolumen erreicht (5 % Toleranzgrenze im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel möglich).
Die Bewertung wird anhand von zwei Kriterien vorgenommen: der Förderkosteneffizienz sowie der Treibhausgasemissionsminderung. Dabei kommt dem Kriterium der Treibhausgasemissionsminderung 20 % Gewicht zu. Die Förderkosteneffizienz ist die Summe aus dem Basis-Vertragspreis und der Kosteneffizienz anderweitiger Förderungen. Anderweitige Förderungen müssen zum Zeitpunkt der Gebotsabgabe bereits bewilligt sein.
Status und Ausblick
Das neuartige Verfahren wird in diesem Jahr erstmalig durchgeführt. Derzeit läuft seit dem 6. Juni 2023 das erste vorbereitende Verfahren. Alle erforderlichen Unterlagen sind bis zum 7. August 2023 einzureichen. Das erste Gebotsverfahren wird voraussichtlich im 4. Quartal 2023 stattfinden.
Der konkrete Zeitplan hängt einerseits noch von der Dauer des bereits eingeleiteten Notifizierungsverfahrens bei der EU-Kommission ab, anderseits von der Einigung im Hinblick auf das Fördervolumen innerhalb der Bundesregierung. Derzeit wird gegen Ende 2023 mit einem Abschluss des ersten Gebotsverfahrens durch Zuschlag gerechnet. Ab 2024 soll das Gebotsverfahren dann zyklisch, zweimal im Jahr durchgeführt werden.