Gesellschaftsrecht

Keine grenzüberschreitende Sitzverlegung einer GmbH in die Türkei

Verfasst von

Dr. Thorsten Ehrhard

Dr. Robert Schiller

Das OLG Zweibrücken entschied mit Beschluss vom 11. Juli 2022 (Aktenzeichen: 3 W 12/22), dass die Löschung einer GmbH im Handelsregister gemäß § 393 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) nach einer „Sitzverlegung“ in die Türkei nicht in Betracht kommt, da diese unzulässig gewesen ist.

Entscheidung des OLG Zweibrücken - 3 W 12/22

Zunächst war die betroffene GmbH in einem deutschen Handelsregister eingetragen. Im Jahr 2021 meldete der verfahrensbevollmächtigte Notar die Sitzverlegung der Gesellschaft in die Türkei gemäß eines Gesellschafterbeschlusses an. Auf den Hinweis des Registergerichts auf § 4a Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), wonach der Satzungssitz einer GmbH zwingend im Inland liegen müsse, beantragte der Notar die Löschung gemäß § 393 Abs. 1 FamFG analog. Da das FamFG die Löschung aufgrund Doppeleintragung nicht vorsehe, sei § 393 FamFG analog anzuwenden. Das Handelsregister wies daraufhin die Anmeldung zurück. Die Sitzverlegung sei unzulässig. Die Löschung sei ebenfalls nicht einzutragen, da die Gesellschaft nicht erloschen sei, sondern ein Formwechsel eingetragen worden sei. Dieser sei erst wirksam, wenn die Wirksamkeit nach den Rechtsordnungen sowohl des Weg- als auch des Zuzugsstaats gegeben sei. Mit der durch den Notar eingelegten Beschwerde machte die Gesellschaft geltend, das Registergericht habe unberücksichtigt gelassen, dass die konstitutive Registereintragung in der Türkei bereits erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin bestehe also als türkische Limited Sirketi weiter. Da somit die Eintragung des Herausformwechsels ins Zuzugland erfolgt sei, bestehe der vormalige Sitz in Deutschland nicht mehr. Würde nun die grenzüberschreitende formwechselnde Sitzverlegung verweigert, hätte sich die Gesellschaft gleichsam verdoppelt, was nicht gewollt sei. Sofern sich das Gericht aufgrund fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen daran gehindert sehen solle, die formwechselnde Sitzverlegung in die Türkei einzutragen, müsse zumindest die Beschwerdeführerin analog § 393 Abs. 1 FamFG im deutschen Handelsregister gelöscht werden.

Das OLG Zweibrücken wies die Beschwerde zutreffend als unbegründet zurück. Zu Recht habe das Registergericht die Anmeldung der Sitzverlegung in die Türkei zurückgewiesen. Nach § 4a GmbHG müsse der Satzungssitz einer GmbH zwingend im Inland liegen.

Ebenso zu Recht sei der von der Beschwerdeführerin behauptete Formwechsel nicht anzuerkennen und die Eintragung der Löschung abzulehnen. Die Voraussetzungen einer Löschung hätten nicht vorgelegen, da nach § 393 Abs. 1 FamFG das Erlöschen einer Firma gemäß § 31 Abs. 2 HGB von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe in das Handelsregister einzutragen sei. Erloschen sei eine Firma, wenn sie ihren Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt habe. Die Beschwerdeführerin machte dies vorliegend jedoch nicht geltend, sondern behauptete einen grenzüberschreitenden Formwechsel einer deutschen GmbH in eine türkische Limited Sirketi. Eine Löschung könne daher nach § 393 Abs. 1 FamFG nicht erfolgen.

Es bestehe kein Anlass, § 393 Abs. 1 FamFG analog anzuwenden, da es schon an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Regelungslücke mangele. Für Umwandlungen gelten die Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes, im Falle eines Formwechsels die §§ 190 ff. Umwandlungsgesetz (UmwG).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin genüge die Eintragung im Handelsregister der Türkei nicht, um die Wirksamkeit eines Formwechsels zu begründen. Selbst unter Anwendung von EU-Recht und der Rechtsprechung des EuGH seien – wie das OLG zutreffend feststellt - die Anforderungen eines grenzüberschreitenden Herausformwechsels nicht erfüllt. Vielmehr würden grenzüberschreitende Umwandlungen die sukzessive Anwendung von zwei nationalen Rechtsordnungen voraussetzen. Soweit aus Gründen der Freizügigkeit ein Formwechsel aus bzw. in das EU-Ausland rechtlich anerkannt ist, seien dennoch die Anforderungen des deutschen Umwandlungsgesetzes zu erfüllen, die Umwandlung also im Ausgangspunkt nach den §§ 190 ff. UmwG zu beurteilen.

Ob allerdings ein „Herausformwechsel“ von einer deutschen GmbH in eine türkische Gesellschaftsform zulässig sei, brauche nicht entschieden zu werden, ebenso wenig wie die Frage, ob die unmittelbar für grenzüberschreitende Verschmelzungen geschaffenen drittschützenden Bestimmungen der §§ 122d, 122e UmwG analog zur Anwendung zu bringen seien. Denn es habe vorliegend schon an einem Umwandlungsbeschluss der Beschwerdeführerin sowie sämtlichen weiteren Voraussetzungen einer nach deutschem Recht wirksamen Umwandlung gemangelt.

Hinweise für die Beratungspraxis, insbesondere im Lichte des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)

Zutreffender Weise führt das OLG Zweibrücken aus, dass bei dem vorliegend zu entscheidenden Sachverhalt ein grenzüberschreitender Formwechsel nicht in Betracht kommt. Zwar regelte bisher das Umwandlungsgesetz nur den innerstaatlichen Rechtsformwechsel, der innerhalb der EU beziehungsweise des EWR auch bei grenzüberschreitenden Sachverhalten von den Mitgliedsstaaten anerkannt wurde, sofern die nationale Rechtsordnung einen Rechtsformwechsel zugelassen hat.

Durch die Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie durch den Bundestag am 20. Januar 2023 und die Zustimmung des Bundesrates am 10. Februar 2023 wurde der Weg zum Inkrafttreten des Gesetzes bereitet, obgleich es bereits zum 1. Februar 2023 hätte umgesetzt werden müssen. Durch die nunmehr anstehenden Änderungen des Umwandlungsgesetzes finden nunmehr auch Regelungen über den grenzüberschreitenden Formwechsel Eingang in das Umwandlungsgesetz.

§ 333 Abs. 1 UmwG-neu sieht vor, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel vorliegt, wenn ein Wechsel einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU beziehungsweise des EWR gegründeten Gesellschaft in eine Rechtsform nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU oder des EWR unter Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes in diesen Staat stattfindet. Der Anwendungsbereich umfasst hierbei nach § 334 UmwG-neu lediglich Kapitalgesellschaften, die im Anhang II der Gesellschaftsrechtsrichtlinie genannt werden. In Deutschland sind dies die AG, die KGaA und die GmbH. Des Weiteren wird vorgesehen, dass ein Formwechselplan als Grundlage für den Formwechsel nach § 335 UmwG-neu erstellt und von den Anteilsinhabern durch Beschluss die Zustimmung erteilt wird, wobei der Formwechselplan nach § 335 Abs. 3 UmwG-neu notariell zu beurkunden ist. Für die Vertretungsorgane wird in § 337 UmwG-neu die Pflicht geregelt, einen Formwechselbericht zu erstellen, in welchem die rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen des Formwechsels dargelegt werden. Als weiterer Schritt kommt in § 343 UmwG-neu hinzu, dass das Registergericht des Wegzugsstaats nach vollständiger Anmeldung des Formwechsels innerhalb von drei Monaten die Einhaltung der gesetzlichen Eintragungsvoraussetzungen für die formwechselnde Gesellschaft und von ihr zu erfüllenden Verfahrensschritte und Formalitäten prüft. Es besteht daneben eine Missbrauchskontrolle, die in § 8 Abs. 3 UmwG-neu geregelt wird. Hiernach prüft das Registergericht, ob die grenzüberschreitende Umwandlung zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken, die dazu führen oder führen sollen, sich Unionsrecht oder nationalem Recht zu entziehen, zu umgehen oder zu kriminellen Zwecken vorgenommen werden soll. Das Registergericht kann bei Vorliegen eines Missbrauchs die Erteilung der Vorabbescheinigung, die bei der ordnungsgemäßen Erledigung der Verfahren und Formalitäten nach dem Recht des Ausgangsmitgliedstaats erteilt wird, verweigern.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken zeigt, dass der Regelungsbedarf von grenzüberschreitenden Sachverhalten hoch ist. Unsere Kollegen Dirk Krome und Robert Dorr geben einen weiteren Einblick in die Neuerungen des Umwandlungsgesetzes.