Gesellschaftsrecht

Kein Sonderbeschluss der Stammaktionäre bei Vorhandensein lediglich stimmrechtsloser Vorzugsaktien als weiterer Aktiengattung (§§ 125 S. 1, 65 Abs. 2 UmwG)

Der BGH hat mit Urteil vom 23. Februar 2021 (Az.: II ZR 65/19) zu der Frage Stellung genommen, ob zur Wirksamkeit eines Spaltungsbeschlusses einer übertragenden Aktiengesellschaft zustimmende Sonderbeschlüsse der stimmrechtslosen Vorzugsaktionäre sowie der ausschließlich stimmberechtigten Stammaktionäre erforderlich sind. Weiterhin hat sich der BGH damit auseinandergesetzt, ob ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre auch dann zu fassen ist, wenn deren Vorzug nach § 141 Abs. 1 AktG aufgehoben oder beschränkt wird.

Hintergrund

Nach §§ 125 S.1, 65 Abs. 1, 13 UmwG wird ein Spaltungs- und Übernahmevertrag, an dem eine Aktiengesellschaft als übertragender oder übernehmender Rechtsträger beteiligt ist, nur wirksam, wenn ihre Hauptversammlung dem Spaltungs- und Übernahmevertrag mit einer Mehrheit von mindestens drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustimmt. Bei mehreren Aktiengattungen im Sinne von § 11 S. 2 AktG bedarf der Spaltungsbeschluss der Hauptversammlung gemäß §§ 125 S.1, 65 Abs. 2 S. 1 UmwG zu seiner Wirksamkeit zusätzlich der Zustimmung der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung durch Sonderbeschlüsse, unabhängig davon, ob die Rechte der Aktionäre einer Gattung durch die Spaltung beeinträchtigt werden oder nicht. Der jeweilige Sonderbeschluss ist analog § 138 AktG nach freiem Ermessen des Vorstands entweder in einer gesonderten Versammlung im Rahmen der regulären Hauptversammlung oder in einer gesonderten Abstimmung zu fassen. Bei Fehlen eines erforderlichen Sonderbeschlusses ist der Spaltungs- und Übernahmevertrag schwebend unwirksam. Die Spaltung darf somit nicht in das Handelsregister eingetragen werden.

Höchstrichterlich nicht geklärt war bislang, ob ein Sonderbeschluss der Vorzugsaktionäre der übertragenden Gesellschaft bei Aufhebung oder Beschränkung des Vorzugs durch einen Spaltungs-/Verschmelzungsbeschluss aufgrund von § 141 Abs. 1 AktG notwendig sein kann oder ob die Anwendung von § 141 Abs. 1 AktG durch §§ 125 S. 1, 65 Abs. 2 UmwG bei Umwandlungsmaßnahmen ausgeschlossen ist. Fraglich war bisher zudem, ob ein Sonderbeschluss der Inhaber von Stammaktien auch dann nach §§ 125 S. 1, 65 Abs. 2 UmwG erforderlich ist, wenn neben Stammaktien nur Vorzugsaktien ohne Stimmrecht als weitere Aktiengattung bestehen.

Der Entscheidung des BGH lag folgender (verkürzter) Sachverhalt zugrunde:

Eine börsennotierte Aktiengesellschaft („M-AG‘“), deren Grundkapital in Stamm- und Vorzugsaktien eingeteilt ist, hatte mit ihrer Tochtergesellschaft („T-AG“) einen Ausgliederungs- und Abspaltungsvertrag geschlossen, dem die Hauptversammlung der M-AG mit 99,95 % der Stimmen der Stammaktionäre zugestimmt hatte. Gegenstand dieses Vertrages war die Übertragung eines Geschäftsbereichs auf die T-AG gegen Gewährung von Stamm- und Vorzugsaktien der T-AG an die Aktionäre der M-AG im Wege der Abspaltung sowie gegen Gewährung von Stamm- und Vorzugsaktien der T-AG an die M-AG im Wege der Ausgliederung. Sonderbeschlüsse wurden nicht gefasst.

Die zum Zwecke der Durchführung der Abspaltung ausgegebenen neuen Aktien der T-AG wurden im Verhältnis 1:1 zugeteilt, den Aktionären der M-AG wurden also für jede Stamm- bzw. Vorzugsaktie eine Stamm- bzw. Vorzugsaktie der T-AG gewährt. Gemäß der jeweiligen Satzungsbestimmung gewähren sowohl die Vorzugsaktien der M-AG als auch die der T-AG eine Vorabdividende von EUR 0,17 je Vorzugsaktie. Außerdem gewähren die Vorzugsaktien der M-AG eine Mehrdividende von EUR 0,06 je Vorzugsaktie, die sich auf 10 % der unter Berücksichtigung der Regelung über die weitere Gewinnausschüttung an die Stammaktionäre gezahlten Dividende erhöht, wenn diese je Stammaktie EUR 1,00 erreicht oder übersteigt. Die Vorzugsaktien der T-AG gewähren hingegen nur dann eine Mehrdividende in Höhe von 10 % der unter Berücksichtigung der Regelung über die weitere Gewinnausschüttung an die Stammaktionäre gezahlten Dividende, wenn diese je Stammaktie EUR 1,02 erreicht oder übersteigt.

Aktionäre der M-AG erhoben unter anderem gegen den Hauptversammlungsbeschluss der M-AG über die Zustimmung zu dem Ausgliederungs- und Abspaltungsvertrag Nichtigkeits- und Anfechtungsklage, da nach ihrer Ansicht der Hauptversammlungsbeschluss wegen Fehlens eines zustimmenden Sonderbeschlusses der stimmrechtslosen Vorzugsaktionäre der M-AG und darüber hinaus auch wegen eines fehlenden Sonderbeschlusses der Stammaktionäre der M-AG unwirksam bzw. anfechtbar ist.

Auf Antrag der beklagten M-AG hatte das OLG Düsseldorf im Freigabeverfahren festgestellt, dass die Erhebung der Klagen gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der M-AG hinsichtlich der Zustimmung zur Ausgliederung und Abspaltung in das Handelsregister nicht entgegenstehe, woraufhin die Eintragung erfolgte. Die Kläger führten das Klageverfahren in der Folge fort.

Die gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Düsseldorfs vom 24. Januar 2018 (Az.: 41 O 18/17) eingelegte Berufung wurde mit Urteil des OLG Düsseldorf vom 4. April 2019 (Az.: I-6 U 24/18) zurückgewiesen.

Entscheidung

Der BGH wies die Revision der Kläger gegen das Urteil des OLG Düsseldorf zurück.

  1. Nach Ansicht des BGH bedarf es zur Wirksamkeit eines Spaltungsbeschlusses keines Sonderbeschlusses der nicht stimmberechtigten Vorzugsaktionäre nach §§ 125 S.1, 65 Abs. 2 UmwG, da
    65 Abs. 2 S. 1 UmwG lediglich die Zustimmung stimmberechtigter Aktionäre voraussetzt.
  1. Das Erfordernis eines Sonderbeschlusses der Vorzugsaktionäre gemäß §§ 125 S.1, 65 Abs. 2 UmwG kann sich nach Auffassung des BGH ungeachtet der Bestimmungen des Umwandlungsgesetzes grundsätzlich auch aufgrund § 141 Abs. 1 AktG ergeben, vorausgesetzt der Vorzug werde durch den Abspaltungsbeschluss aufgehoben oder beschränkt.

Während im Schrifttum teilweise vertreten wird, dass §§ 125 S. 1, 65 Abs. 2 UmwG auch im Rahmen von Spaltungen und Verschmelzungen eine abschließende Sonderregelung enthält, die die Anwendbarkeit von § 141 Abs. 1 AktG auf Spaltungs- bzw. Verschmelzungsbeschlüsse ausschließt, ist § 141 Abs. 1 AktG nach Ansicht des BGH hingegen neben § 65 Abs. 2 UmwG anzuwenden. Dies begründet der BGH zuvorderst mit dem Wortlaut und der Gesetzessystematik der in Frage stehenden Normen.

§ 65 Abs. 2 S. 1 UmwG regele lediglich, dass Umwandlungsbeschlüsse einer Aktiengesellschaft der Zustimmung der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung bedürfen. Ob Vorzugsaktionäre jedoch überhaupt stimmberechtigt seien bzw. für diese Mitwirkungsrechte bestehen, bestimme sich jedoch nach den allgemeinen aktienrechtlichen Regelungen (§§ 139 ff. AktG), die neben den umwandlungsrechtlichen Regelungen Anwendung finden. Sofern der Vorzug nach § 140 Abs. 2 S. 1 AktG nicht bedient oder der Vorzug durch den Abspaltungsbeschluss nach § 141 Abs. 1 AktG aufgehoben oder beschränkt werde, seien Vorzugsaktionäre damit nach Ansicht des BGH im Sinne von § 65 Abs. 2 S. 1 UmwG stimmberechtigt, so dass in diesem Fall ein Sonderbeschluss nach § 65 Abs. 2 UmwG durch diese zu fassen wäre.

Nach Auffassung der BGH werde der Vorzug der Aktionäre der übertragenden M-AG jedoch durch den Ausgliederungs- und Abspaltungsbeschluss weder im Sinne von § 141 Abs. 1 AktG aufgehoben noch beschränkt.

Dies würde eine unmittelbare Beeinträchtigung des Vorzugs in der Weise voraussetzen, dass die rechtliche Ausgestaltung des Vorzugs nachteilig verändert würde.

Im Gegensatz zu einer Aufspaltung oder Verschmelzung, bei der die Aktien des übertragenden Rechtsträgers mit Wirksamwerden kraft Gesetzes erlöschen, bestehen bei der Abspaltung die Aktien der übertragenden Aktiengesellschaft (M-AG) und damit auch die Vorzüge in Form einer Vorab- und einer Mehrdividende jedoch in der Satzung der übertragenden M-AG rechtlich unverändert fort. Zusätzlich erhalten die Vorzugsaktionäre des übertragenden Rechtsträgers für den abgespaltenen Vermögensteil Vorzugsaktien am übernehmenden Rechtsträger (T-AG). Zwar sei der Wert des Gewinnvorzugs der übertragenden Gesellschaft möglicherweise geschmälert, weil infolge der Übertragung eines Vermögensteils durch Abspaltung auf die übernehmende Gesellschaft weniger Vermögen vorhanden sei, um den Vorzug zu erwirtschaften. Dabei handele es sich jedoch um eine rein wirtschaftliche und damit nicht unter § 141 Abs. 1 AktG fallende mittelbare Auswirkung. Ob die neuen Vorzugsrechte an der übernehmenden Gesellschaft und die fortbestehenden Vorzugsrechte an der übertragenden Gesellschaft wirtschaftlich den ursprünglichen Vorzugsrechten gleichwertig sind, sei eine Frage der Angemessenheit des Umtauschverhältnisses, die im Wege des Spruchverfahrens, nicht jedoch im Wege der Anfechtungs- bzw. Nichtigkeitsklage. zu überprüfen sei (vgl. §§ 125 S. 1, 14 Abs. 2 UmwG).

  1. Nach dem Wortlaut von §§ 125 S. 1, 65 Abs. 2 S. 1 UmwG ist bei mehreren Aktiengattungen zur Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses die Zustimmung der stimmberechtigten Aktionäre jeder Gattung erforderlich. Bei wortlautgetreuer Anwendung müssten somit die stimmberechtigten Stammaktionäre einen Sonderbeschluss fassen, obwohl sie auch allein den nach § 65 Abs. 1 UmwG erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss fassen. Der herrschenden Ansicht im Schrifttum folgend ist nach Auffassung des BGH jedoch neben dem bereits von den ausschließlich stimmberechtigten Stammaktionären gefassten Spaltungsbeschluss nicht noch zusätzlich ein Sonderbeschluss der Stammaktionäre nach §§ 125 S.1, 65 Abs. 2 UmwG zu fassen, da eine solche Beschlussdoppelung eine überflüssige Förmelei sei.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung des BGH steht nunmehr fest, dass bei einer Aktiengesellschaft mit stimmberechtigten Stammaktionären und stimmrechtslosen Vorzugsaktionären grundsätzlich nicht zusätzlich zu einem Hauptversammlungsbeschluss über die Zustimmung zu einem Spaltungs-/Verschmelzungsvertrag (vorsorglich) noch ein Sonderbeschluss der Stammaktionäre zu fassen ist. Ebenso bedarf es in diesem Fall grundsätzlich keines Sonderbeschlusses der nicht stimmberechtigten Vorzugsaktionäre.

Zu beachten ist jedoch, dass Vorzugsaktionäre dann bei Verschmelzungen bzw. Spaltungen einen Sonderbeschluss zu fassen haben, wenn deren Stimmrecht infolge ausgebliebener oder unvollständiger Zahlung des Vorzugs nach § 140 Abs. 2 AktG zum Zeitpunkt der Fassung des Zustimmungsbeschlusses zur Verschmelzung/Spaltung wieder aufgelebt ist oder den Vorzugsaktionären ein aus § 141 Abs. 1 AktG folgendes Stimmrecht im Sinne von § 65 Abs. 2 S. 1 UmwG deshalb zusteht, weil die Vorzüge durch einen Verschmelzungs- oder Spaltungsbeschluss aufgehoben oder beschränkt werden. Bei konsequenter Anwendung von § 65 Abs. 2 UmwG müssten in diesem Fall die Stammaktionäre zusätzlich zu dem nach § 65 Abs. 1 UmwG erforderlichen Hauptversammlungsbeschluss ebenfalls einen Sonderbeschluss nach § 65 Abs. 2 UmwG fassen.