Kartell-, Vergabe- und Beihilfenrecht

Important Project of Common European Interest (IPCEI) – Das Beihilfeinstrument der Wahl auch im Jahr 2025

Seit 2018 wurden insgesamt 10 IPCEIs von der Kommission genehmigt. Seitdem 

  • haben sich 22 Mitgliedstaaten sowie das Vereinigte Königreich und Norwegen an den IPCEIs beteiligt, 
  • wurden Beihilfen von insgesamt € 37,2 Mrd. an 
  • 247 verschiedene Unternehmen gewährt und 
  • so private Investitionen in Höhe von € 66 Mrd. aktiviert. 

Die 10 IPCEIs betrafen die:

  • Wertschöpfungskette der Mikroelektronik,
  • Wertschöpfungskette der Batterien für E-Fahrzeuge,
  • Entwicklung einer EU-weiten Cloud Infrastruktur,
  • Wertschöpfungskette für Wasserstoff sowie die
  • pharmazeutische Wertschöpfungskette.

IPCEI – Das favorisierte Beihilfeinstrument

Bereits im Wettbewerbsbericht von Enrico Letta „Much more than a market“ (wir berichteten: „Much more than a market“ – Enrico Lettas Bericht zur Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit des EU-Binnenmarktes) werden IPCEIs als ein wesentliches Instrument zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarktes und für eine gemeinsame Industriepolitik eingeordnet.

In seinem Bericht „The Future of a European Competitiveness – A competitiveness strategy for Europe“ sowie in seinen Empfehlungen „The Future of European Competitiveness – In-depth Analysis and recommendation“ nennt auch Mario Draghi, ehemaliger Präsident der Europäischen Zentralbank, IPCEI als Instrument, das die EU in strategischen Sektoren nach vorne bringt, aber gleichzeitig von einem einzelstaatlichen Handeln hin zu einem gemeinsamen Handeln führt. 

Wie Enrico Letta plädiert Draghi dabei für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der IPCEIs. Dieser soll nicht nur „bahnbrechende Technologien“ und den „globalen Stand der Technik im Sektor“ berücksichtigen. Vielmehr soll er industrielle (z. B. Infrastruktur-) Projekte von gemeinsamem Interesse und alle Formen von Innovation einbeziehen, die Europa effektiv an die Spitze in strategisch wichtigen Sektoren bringen könnten und dazu beitragen, den Binnenmarkt zu erweitern.

Draghi sieht auch die Notwendigkeit der Vereinfachung und Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Die Basis sollte eine Marktstudie sein, die gemeinsam von nationalen und europäischen Behörden unter Einbindung von Unternehmen erarbeitet wird. Sie soll im Voraus, das mit der Beihilfe zu behebende Marktversagen identifizieren und die Reihe von politischen Optionen (z. B. Subventionen, Handelsmaßnahmen, Harmonisierung von Vorschriften, Wettbewerbsmaßnahmen) skizzieren, die die externen Effekte oder andere Marktversagen mildern können. Auf dieser Basis sollte die Vereinbarkeitsprüfung deutlich schneller ablaufen. Die Kommission sollte innerhalb einer festgeschriebenen Frist entscheiden.

Auch das Gemeinsame Europäische Forum für IPCEI (Joint European Forum IPCEI, JEF-IPCEI) soll eine stärkere Rolle einnehmen. Es besteht aus Vertretern der Kommission und Mitgliedstaaten. Seine übergeordneten Ziele sind die Identifikation von Bereichen von strategischem Interesse der EU für potenzielle IPCEIs sowie die Erhöhung der Effektivität, Gestaltung, Bewertung und Umsetzung von IPCEIs.

Draghi schlägt nun vor, das JEF damit zu beauftragen sowohl die Verfahrensengpässe als auch die Innovationsergebnisse systematisch zu überwachen. Es sollte auch Mittel erhalten, um Kosten-Nutzen-Analysen durchzuführen, die die Entscheidungen zur Einleitung von IPCEIs unterstützen. Daneben schlägt er die Einrichtung eines „Exzellenzzentrums für IPCEIs“ vor, das gemeinsam mit dem JEF technische Unterstützung und Hilfe für Mitgliedstaaten und Unternehmen bei der Auswahl und Vorbereitung von Projekten anbietet.

IPCEIs für das Jahr 2025

In regelmäßigen Meetings werden im Rahmen des JEF IPCEI-Potenziale identifiziert und unter Federführung je eines Mitgliedstaates neue IPCEIs entworfen. Für das Jahr 2025 wurden vom JEF die folgenden IPCEIs angenommen:

  • Circular Advanced Materials for Clean Technologies: Es soll darauf abzielen, die Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit bei kritischen Materialien in wichtigen EU-Industrien zu verbessern, um die strategische Autonomie der EU, ihre Umweltziele und ihre Führungsrolle in sauberen Technologien zu unterstützen.
  • Continuum of federated and distributed Artificial Intelligence services: Ziel dieses IPCEIs ist es, die nächste Generation von KI-Technologien zu entwickeln und einzusetzen, um ein erstes KI-Ökosystem für Europa zu schaffen, das den Zugang der europäischen Industrie zu föderierten Rechenressourcen sowie offenen, wiederverwendbaren und skalierbaren KI-Grundlagenmodellen erleichtert.
  • Deploying large-scale federated Edge computing infrastructure and services: Hierbei wird der Fokus darauf gelegt, eine souveräne nächste Generation von föderierter Edge-Node-Computing-Infrastruktur bereitzustellen, die die notwendige technologische Grundlage für den europäischen digitalen Binnenmarkt bilden wird.
  • Advanced Semiconductors Technologies: Dieses IPCEI beabsichtigt, ein neuartiges europäisches Ökosystem für hochinnovative Halbleitertechnologie-Anwendungen zu schaffen, das die strategisch wichtigsten Anforderungen der industriellen Sektoren der EU erfüllt und die Wettbewerbsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit der EU stärkt.

Diese IPCEIs befinden sich in der Entwurfsphase. Die Mitgliedstaaten prüfen derzeit, wie die IPCEIs ausgestaltet werden müssen. Erste Interessenbekundungsverfahren sollen im ersten Quartal 2025 starten. Welche Mitgliedstaaten Beihilfen im Rahmen der IPCEIs gewähren werden, ist noch nicht bekannt.

Ausblick

Im Jahr 2025 sollen die Arbeiten am Entwurf eines IPCEIs „Nuclear Technologies“ fortgeführt werden. Daneben sollen Entwürfe von IPCEIs in den folgenden Bereichen vorangetrieben werden:

  • Biotechnologie,
  • kritische Rohstoffe und
  • saubere, vernetzte und autonome Fahrzeuge.

Darüber hinaus sollen die IPCEI-Verfahren effizienter werden. Mit dem „Code of good practices for a transparent, inclusive, faster design and assessment of IPCEIs“ ist hierfür eine erste Grundlage geschaffen worden. Außerdem arbeitet das JEF-IPCEI derzeit an einer Zusammenfassung der mitgliedstaatlichen „Best Practices“ sowie an einer verbesserten Überwachung der Umsetzung der IPCEIs bei einer gleichzeitigen Vereinfachung des Reportingverfahrens insbes. für KMU. Zudem prüft das JEF die Möglichkeiten einer EU Kofinanzierung von IPCEIs.

Daneben bietet die neue Transparenz zur Entwicklung der IPCEIs Unternehmen die Möglichkeit, frühzeitig die IPCEI-Potentiale ihrer Vorhaben zu identifizieren und sich für eine Teilnahme, soweit in dem jeweiligen Mitgliedstaat entsprechend unterstützt, in hinreichender Zeit vorzubereiten. Auch dies wird zur Verfahrensbeschleunigung beitragen.

 

Autorinnen dieses Beitrages sind Kerstin Rohde und Katrin Gerb.