Haftungsrisiken für Führungskräfte 2025
Für das neue Jahr 2025 wird absehbar gelten, was bereits für das endende Jahr 2024 galt: Das Recht der Organhaftung ist und bleibt in Bewegung. Im Folgenden fassen wir die Themen und Trends aus unserer Beratungspraxis zusammen.
Haftungsverschärfung in der Rechtsprechung
In der Rechtsprechung ist eine fortgesetzte Tendenz zur Haftungsverschärfung zu beobachten. Prominent für diesen Trend steht das aktuelle Urteil des LG München I im Organhaftungsprozess in Sachen Wirecard (Teilurteil vom 5. September 2024, Az. 5 HK O 17452/21), das zutreffend sowohl als „Meilenstein in der Judikatur zur Organhaftung“ als auch als „Weckruf für Vorstände“ bezeichnet wird (Bachmann, NZG 2024, 1598).
Wenngleich der Wirecard-Fall eine Reihe von Besonderheiten aufweist, sind die zentralen Kernaussagen des Urteils verallgemeinerungsfähig und bestätigen den bisherigen Weg in Rechtsprechung und Literatur. Dies gilt insbesondere für das sog. Misstrauensprinzip, wonach man als Vorstandsmitglied seinen Kolleg:innen kein unbedingtes Vertrauen schenken und sich nicht auf Zuständigkeiten und größere Fachnähe verlassen darf (siehe bereits unseren Beitrag „Unzuständigkeit schützt vor (Organ-)Haftung nicht“ vom 19. Februar 2024). Gleiches gilt für die Grenzen der sog. Business Judgment Rule bei unzureichender Informationsgrundlage und existenzgefährdenden Risiken sowie die strengen Anforderungen an den Umgang mit Expertenrat.
Demgegenüber bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich das weitreichende Postulat des LG München I, der Vorstand dürfe wichtigen Verträgen „ohne Kenntnis des Wortlauts“ des Vertragstexts nicht zustimmen, durchsetzen wird. Im Regelfall dürfte das Erfassen von Kerngehalt, Mechanik und wesentlichen Chancen und Risiken eines Vertrags durch den Vorstand genügen (Bachmann, NZG 2024, 1598).
Steigende Insolvenzraten
Ein sich im Jahr 2025 fortsetzender Trend ist der weltweite Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Bereits für 2024 wird ein Anstieg der weltweiten Insolvenzen um ca. 10 % erwartet. Besonders betroffen sind Sektoren wie Immobilien, Bauwesen, Gastgewerbe, Tourismus und Konsumgüter. Diese Entwicklung wird absehbar zu einer Zunahme von Haftungsansprüchen gegen Führungskräfte im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten ihrer Unternehmen führen.
Geopolitische Spannungen
Die geopolitische Landschaft bleibt volatil, was zusätzliche Haftungsrisiken für global agierende Unternehmen mit sich bringt. Konflikte wie der Krieg in der Ukraine und Spannungen im Nahen Osten können zu Unterbrechungen der Lieferkette, Betriebsstörungen und rechtlichen Prüfungen führen. Führungskräfte müssen sich regelmäßig über geopolitische und regulatorische Veränderungen informieren, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.
Digitale Transformation und Künstliche Intelligenz
Die digitale Transformation und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bieten zwar enorme Chancen, bergen aber auch erhebliche Risiken. Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie angemessene Strukturen und Prozesse zur Bewältigung von Datenschutz-, Vertraulichkeits- und Offenlegungsfragen implementieren. Führungskräfte müssen ein angemessenes Verständnis für die Auswirkungen von KI auf ihr Unternehmen entwickeln und entsprechende Maßnahmen ergreifen.
Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG)
ESG-Themen gewinnen zunehmend an Bedeutung und stellen Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Regulierungsbehörden weltweit verschärfen die Überprüfung des Unternehmensverhaltens, insbesondere im Hinblick auf ESG-Kriterien. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass ihre ESG-Strategien und -Berichte transparent und genau sind, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Fazit
Wir erwarten, dass sich die Trends des Jahres 2024 im Bereich Organhaftung in zweierlei Hinsicht im Jahr 2025 fortsetzen werden: Erstens ist eine stetige Tendenz der Rechtsprechung zur Haftungsverschärfung zu beobachten. Diese Verschärfung trifft, zweitens, auf vielfältige Risiken in einem weiterhin von Volatilität und Umbrüchen geprägten Umfeld.
Insbesondere die zunehmenden Sanierungsfälle und Insolvenzraten, aber auch die geopolitischen Spannungen, die digitale Transformation und ESG-Themen stellen erhebliche und haftungsträchtige Herausforderungen dar. Um diesen Risiken zu begegnen, ist es unerlässlich, dass Führungskräfte sich frühzeitig und regelmäßig über aktuelle Entwicklungen informieren und geeignete Maßnahmen ergreifen.